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Anwaltshonorar: Krass übersetzter Stundenansatz in Bagatellsache einer beinahe bedürftigen Klientin

Datum:
11.02.2022
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Anwälte / Mediatoren
Stichworte:
Honorarhöhe, Information über die Fakturierungsgrundsätze
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

BGFA 12 lit. a und i / Art. 2 Abs. 3 und 24 der Honorarordnung des Kantons St. Gallen (HonO)

Sachverhalt

Gemäss Vereinbarung vom 27.10.2017 beauftragte C.________ die B.________ AG bzw. Rechtsanwalt Dr. iur. Dr. rer. pol. A.________ mit der Wahrung ihrer Interessen in Bezug auf ein Verfahren vor der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Gossau/SG, welches den Kindesunterhalt und den persönlichen Verkehr bezüglich eines gemeinsamen Kindes von C.________ und deren ehemaligem Lebenspartner betraf. Am 28.02.2018 entzog sie Rechtsanwalt A.________ das Mandat, welches anschliessend von einer Rechtsanwältin weitergeführt und zum Abschluss gebracht wurde.

History

  • Klientin / Vorwürfe

    • Mit Eingabe vom 14.03.2019 zeigte C.________ (Anzeigerin) Rechtsanwalt A.________ bei der Anwaltskammer des Kantons St. Gallen (Anwaltskammer) an.
    • Sie warf ihm vor, in genanntem Verfahren kein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt und ein übersetztes Honorar von ihr verlangt zu haben.
    • Zudem sei Rechtsanwalt A.________ seiner Aufklärungspflicht in Bezug auf die Grundsätze der Rechnungsstellung ungenügend nachgekommen.
  • Anwaltskammer

    • Mit Entscheid vom 19.09.2019 stellte die Anwaltskammer fest, dass Rechtsanwalt A.________ verstossen hat
      • gegen BGFA 12 lit. a (Vereinbarung eines angemessenen Honorars) und
      • gegen 12 lit. i(Pflicht zur Information über die Grundsätze der Rechnungsstellung).
    • Hinsichtlich des Vorwurfs der Unterlassung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege wurde der Anzeige keine Folge geleistet.
    • Es wurden dem Rechtsanwalt A.________ auferlegt:
      • Eine Entscheidgebühr von Fr. 1’200.—
      • eine Busse von Fr. 1’500.–.
    • Weiter wurde die Zustellung des Entscheids an die Anzeigerin verfügt.
  • Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen

    • Die gegen den genannten Entscheid erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 24.09.2020 teilweise gut, indem es in Ziff. 1 Satz 1 des Entscheiddispositivs feststellte:
      • die Rechtswidrigkeit der Zustellung des begründeten Entscheids der Anwaltskammer an die Anzeigerin.
    • Im Übrigen bzw. «in der Sache» wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde jedoch ab (Ziff. 1 Satz 2 Entscheiddispositiv).
  • Bundesgericht

    • Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 25.11.2020 an das Bundesgericht
      • beantragte Rechtsanwalt A.________ (Beschwerdeführer)
      • die vollumfängliche Aufhebung von Ziff. 1 Satz 2 des vorinstanzlichen Entscheiddispositivs und
      • Feststellung, er habe weder gegen BGFA 12 lit. a(Vereinbarung eines angemessenen Honorars) noch gegenBGFA 12 lit. b (Pflicht zur Information über Grundsätze der Rechnungsstellung) verstossen (Antrag 1);
      • eventualiter, es sei eine Verwarnung (BGFA 17 Abs. 1 lit. a)auszusprechen;
      • subeventualiter, es sei die Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen (Antrag 2);
      • subeventualiter, es sei festzustellen, dass der Beschwerdeführer gegen BGFA 12 lit. i (Pflicht zur Information über die Grundsätze der Rechnungsstellung) nur bezogen auf den vereinbarten Stundenansatz verstossen habe (Antrag 3).

Erwägungen des Bundesgerichts

Nachfolgend wird zusammenfassend und ohne auf die Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen, aus den Kernbereichen der beiden strittigen Anwaltspflichten eingegangen:

  • Vereinbarung eines angemessenen Honorars (BGFA 12 lit. a)
  • Pflicht zur Information über die Grundsätze der Rechnungsstellung (BGFA 12 lit. i).

Vereinbarung eines angemessenen Honorars (BGFA 12 lit. a)

Ob das Honorar angemessen ist, beurteilt sich rechtsprechungsgemäss nach

  • den unter dem Auftragsrecht (OR 394 ff.) entwickelten, zivilrechtlichen Grundsätzen und
  • allfälligen kantonalen Vorschriften zum Anwaltshonorar (hier Art. 31 Abs. 1 und 2 AnwG SG).

Abzustellen ist auf

  • die Art und den Umfang der Bemühungen
  • den Streitwert
  • die Schwierigkeit der Aufgabe
  • die Dringlichkeit der Ausführung
  • die Ausbildung
  • das Können des Anwalts
  • die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten.

Art. 18 Abs. 2 SSR nennt zusätzlich

  • die Bedeutung der Angelegenheit
  • die Interessenlage des Mandanten
  • die Verkehrsübung
  • den Verfahrensausgang.

Das Bundesgericht hat im Urteil 2C_205/2019 vom 26.11.2019, Erw. 5.1, einen Stundenansatz, der das Zwei- bis Dreifache des üblichen Stundenansatzes ausmachte,

  • als krass übersetzt qualifiziert.

In concreto:

Die Vorinstanz hat für den vorliegenden Fall im Wesentlichen erwogen:

  • Schwierigkeit des Mandates
    • Gängiges familienrechtliches Verfahren betreffend Regelung des Unterhalts und Besuchsrechts;
  • Aufgabe
    • Beschwerdeführer musste keine besonderen Abklärungen vornehmen;
  • Fachbereichswissen
    • Keine besonderen Qualifikationen oder langjährige praktische Erfahrung des BF im Familienrecht
  • Wirtschaftliche Verhältnisse der Klientin
    • Infragestellung eines Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege opportun.

Der Stundenansatz von Fr. 500.– bzw. Fr. 580.– sei deshalb im Vergleich zu einem mittleren Stundenansatz von Fr. 250.– krass übersetzt und verletze damit BGFA 12 lit. a.

Pflicht zur Information über die Grundsätze der Rechnungsstellung (BGFA 12 lit. i).

Aufgrund von BGFA 12 lit. i haben Anwälte ihre Klientschaft

  • aufzuklären
    • bei Übernahme des Mandates über die Grundsätze der Rechnungsstellung und
  • zu informieren
    • periodisch oder auf Verlangen über die Höhe des geschuldeten Honorars.

Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung wird verlangt, dass in der Honorarvereinbarung auf die niedrigeren Ansätze der subsidiär geltenden Honorarordnung hingewiesen wird (vgl. Urteile 2P.318/2006, 2A.733/2006 vom 27.07.2007, Erw. 8.2).

Gemäss BGFA 12 lit. i in Verbindung mit Art. 2 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 aHonO ist in der Honorarvereinbarung explizit auf die Existenz einer Honorarordnung und des darin enthaltenen, subsidiären Honorartarifs hinzuweisen und ebenso klar zu statuieren, dass der vereinbarte Stundenansatz vom tieferen, subsidiären Honorartarif abweicht:

  • Nicht notwendig ist es dagegen, den konkreten Stundenansatz des subsidiären Tarifs in Franken bzw. die betragsmässige Abweichung (des vereinbarten Stundenansatzes) von ersterem anzugeben (allerdings bestehen gemäss BGFA 12 lit. i auch Informationspflichten des Anwalts während des laufenden Mandats).

Ein Hinweis auf die durchschnittlichen Stundenansätze von Kollegen im gleichen Kanton genügt den vorgenannten Anforderungen demnach nicht.

Im Weiteren hat die Vorinstanz eine Auslegung der konkreten Honorarvereinbarung vorgenommen und dabei festgestellt:

  • Honorarvereinbarung sieht vor, dass für sämtliche Sekretariatsarbeiten zusätzlich Fr. 80.– pro Stunde fakturiert werden;
    • Der vereinbarte Stundenansatz liegt damit nochmals wesentlich über Fr. 500.–.
  • Ungewöhnlichkeit, da der Sekretariatsaufwand grundsätzlich im Anwaltshonorar enthalten sei;
    • Formulierung «je zzgl. […]» könne so verstanden werden, dass pro Anwaltsstunde jeweils eine Stunde Sekretariatsarbeit à Fr. 80.– verrechnet werde.
  • Ungewöhnlichkeit selbst wenn auf die (effektiv) durch das Sekretariatspersonal geleisteten Stunden abgestellt werde.

Insgesamt hat die Vorinstanz als Auslegungsergebnis die Schlussfolgerungen getroffen und ist zum Resultat gelangt, dass der Beschwerdeführer seine Aufklärungs- und Informationspflichten in Bezug auf die Rechnungsstellung gemäss BGFA 12 lit. i. verletzt habe.

Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erwies sich als unbegründet und war abzuweisen.

Entscheid

  1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
  2. Die Gerichtskosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 2’000.– werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
  3. Für das bundesgerichtliche Verfahren ist keine Parteientschädigung geschuldet.
  4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Abteilung II, schriftlich mitgeteilt.

BGer 2C_985/2020 vom 05.11.2021

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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