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Eherecht / Zivilprozessrecht

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Auf Scheidung klagender Ehemann leistet den ihm zugunsten seiner Ehefrau auferlegten Prozesskostenvorschuss nicht

Datum:
23.05.2022
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Eherecht / Eheschliessung / Ehe
Stichworte:
Prozesskostenvorschuss, Scheidung, Scheidungsverfahren, Unterstützungspflicht
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

ZGB 159 Abs. 3 und ZGB 163; ZPO 59 und ZPO 147

Sachverhalt

Als der Ehemann auf Scheidung von seiner Ehefrau geklagt hatte, wurde er vom Bezirksgericht Zürich (BGZ) verpflichtet, der Ehefrau einen Prozesskostenvorschuss zu leisten.

Das Einzelne siehe nachfolgend.

Prozess-History

  • Bezirksgericht Zürich (BGZ)

    • Verfügung vom 16.01.2018

      • Verpflichtung von Ehemann und Ehefrau einen Prozesskostenvorschuss von Fr. 5’000.– zu bezahlen.
      • Keine Fristansetzung.
    • Verfügung vom 23.11.2018

      • Fristansetzung von 20 Tagen an die Ehefrau, den Vorschuss zu überweisen und dem Gericht den Beleg für die Überweisung zukommen zu lassen.
    • Verfügung vom 25.01.2019

      • Sistierung des Verfahrens bis Ende Juni 2019 und Aufforderung der Ehefrau, den Nachweis der Uneinbringlichkeit des ihr zugesprochenen Prozesskostenvorschusses zu erbringen.
      • Der Vorschuss konnte mittels Betreibung nicht erhältlich gemacht werden, was die Ehefrau aufforderungsgemäss nachwies.
    • Verfügung vom 21.06.2019

      • setzte das Bezirksgericht dem Ehemann eine erneute Frist von 20 Tagen an, um die Überweisung vorzunehmen und gegenüber dem Gericht den entsprechenden Nachweis zu erbringen, unter Androhung, dass im Säumnisfall auf die Klage nicht eingetreten werde.
    • Verfügung vom 17.09.2019

      • Nichteintreten des BGZ auf die Scheidungsklage (Dispositiv-Ziff. 1)
      • Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege an die Ehefrau und Verbeiständung (Dispositiv-Ziff. 2)
      • Auferlegung der Gerichtskosten dem Ehemann und Verpflichtung des Ehemannes zur Bezahlung einer Parteientschädigung an seine Ehefrau (Dispositiv-Ziff. 4 und 5).
  • Obergericht des Kantons Zürich (OGZ)

    • Berufung des Ehemannes ans Obergericht des Kantons Zürich

      • Er verlangte, Dispositiv-Ziff. 1 der Verfügung vom 17.09.2019 unter Kosten- und Entschädigungsfolgen aufzuheben und das Bezirksgericht anzuweisen, das Scheidungsverfahren fortzuführen. Zudem ersuchte er für das Berufungsverfahren um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
    • Beschluss und Urteil vom 28.05.2020

      • Abweisung der Berufung durch das OGZ und Bestätigung der Verfügung des BGZ vom 17.09.2019, soweit sie nicht in Rechtskraft erwachsen war (Dispositiv-Ziff. 1 des Urteils).
      • Das OGZ merkte vor, dass Dispositiv-Ziff. 2 der Verfügung in Rechtskraft erwachsen ist (Dispositiv-Ziff. 1 des Beschlusses), wies das Gesuch des Ehemannes um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ab (Dispositiv-Ziff. 2 des Beschlusses), trat auf den Antrag der Ehefrau, ihr Ehemann zur Leistung eines Kostenvorschusses zu verpflichten, nicht ein (Dispositiv-Ziff. 3 des Beschlusses) und wies das Gesuch der Ehefrau um unentgeltliche Rechtspflege ab, soweit es nicht als gegenstandslos abgeschrieben wurde (Dispositiv-Ziff. 4 und 5 des Beschlusses).
      • Die Kosten des obergerichtlichen Verfahrens von Fr. 3’000.– auferlegte es dem Ehemann (Dispositiv-Ziff. 2 und 3 des Urteils) und es verpflichtete ihn, seiner Ehefrau für das obergerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 1’000.– zu bezahlen (Dispositiv-Ziff. 4 des Urteils).
  • Bundesgericht

    • Der Ehemann (Beschwerdeführer) erhob am 09.07.2020 Beschwerde in Zivilsachen ans Bundesgericht
      • Er verlangte die vollumfängliche Aufhebung von Beschluss und Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 28. Mai 2020.
      • Die Sache sei zur Beurteilung an das Bezirksgericht Zürich und zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des obergerichtlichen Verfahrens an das Obergericht zurückzuweisen.
      • Eventuell sei die Sache an das Obergericht zur Neubeurteilung zurückzuweisen.
      • Zudem ersuchte er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren.

Erwägungen

Die Pflicht zur Leistung des vom BGZ angeordneten Prozesskostenvorschusses ging auf das materielle Eherecht zurück:

  • Die Pflicht folgt aus
    • der ehelichen Unterhaltspflicht (ZGB 163)
    • der ehelichen Beistandspflicht (ZGB 159 Abs. 3).

Gemäss Bundesgericht (BGer) ist diese Pflicht daher zu betrachten

  • nicht als Prozesshandlung gemäss ZPO 147 und
  • nicht als Prozessvoraussetzung gemäss ZPO 59.

Es gibt keine gesetzliche Grundlage, um das Nichteintreten auf die Scheidungsklage anzudrohen, wenn

  • der klagende Ehegatte bei der Bezahlung des eherechtlichen Prozesskostenvorschusses säumig ist.

Gemäss BGer gilt die Praxis von BGE 91 II 77 weiter, wonach keine gesetzliche Grundlage besteht, um die Erfüllung der Zahlungspflicht einer «provisio ad litem»

  • zur Prozessvoraussetzung zu erheben, und zwar
  • auch nicht über das Säumnisrecht.

Es gab keinen Anlass für

  • die Statuierung eines ungeschriebenen Nichteintretensgrundes;
  • eine Gesetzesergänzung.

Es war das Scheidungsverfahren daher weiterzuführen und die Ehefrau zu verweisen auf

Entscheid

  • Gutheissung der Beschwerde in Zivilsachen des Ehemannes;
  • Aufhebung der Entscheide der Vorinstanz und Rückweisung ans Bezirksgericht Zürich zur Weiterführung des Scheidungsverfahrens;
  • keine Erhebung von Gerichtskosten;
  • Regelung der unentgeltlichen Rechtspflege und der Parteientschädigung.

BGer 5A_568/2020 vom 13.09.2021   =   BGE 148 III 21 ff.

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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