Bei der Sorgfaltspflichtverletzung stellt die Praxis auf folgende Elemente ab:
- Inhalt
- Der Arbeitnehmer schuldet nicht einen bestimmten Arbeitserfolg.
- Ein fehlerhaftes Arbeitsergebnis ist daher nicht gleichbedeutend mit Sorgfaltspflichtverletzung.
- Umfang
- Das Mass der Sorgfalt bestimmt sich nach der individuell-konkreten Vereinbarung der Parteien.
- Die Sorgfaltspflicht gilt als erfüllt, wenn die vereinbarte Leistung mit der gelieferten in quantitativer und qualitativer Hinsicht übereinstimmt.
- Schwierigkeitsgrad
- Eine Arbeit kann dermassen schwierig sein, dass sie auch bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt misslingen kann (vgl. SJZ 36 (1940) S. 46).
- Funktion des Arbeitnehmers
- Es sind höhere Anforderungen an Arbeitnehmer in leitender Funktion als an jene in subalterner Stellung zu stellen
- Judikatur: BGE 97 II 142 ff,; ARV 1 (1953) Nr. 36, S. 33f.; BGE 97 II 146; JAR 1996, S. 126).
- Lohnhöhe
- Von einem sehr gut entlöhnten Arbeitnehmer darf mehr Sorgfalt erwartet werden als von einem schlecht salarierten.
- Judikatur: BGE 110 II 344 ff.; JAR 2002, S. 180.
- Fachkenntnisse
- Durchschnittliche Fachkenntnisse für adäquate Arbeit
- Besondere Fachkenntnisse dürfen erwartet werden, wenn sie ausbedungen oder angesichts der konkreten Verhältnisse beidseitig gewollt waren
- Geringe Anforderungen dürfen gestellt werden, wenn der Einsatz Angelernten oder Lehrlingen überlassen wird.
- Judikatur: ZR 67 (1968) Nr .28, S. 111; ZR 65 (1966) Nr. 38, S. 91.
- Fähigkeiten und Erfahrungen
- Übernahmeverschulden des Arbeitnehmers?
- Der Arbeitnehmer darf nur eine Stelle übernehmen, der er von der Ausbildung und der Leistungsfähigkeit her gewachsen ist, andernfalls schafft er ein sog. „Übernahmeverschulden“.
- Aus- und Weiterbildungsrückschlüsse:
- Befähigungsausweise (akademischer Abschluss, Diplom, höhere Fachprüfung uam) berechtigen zur Annahme der Erfüllung bestimmter Mindestanforderungen
- Erkundigungen bei Anstellung:
- Der Arbeitgeber hat die Erkundigungsobliegenheit:
- Befragung zur Ausbildung
- Befragung zur früheren beruflichen Tätigkeit
- Einholung von Referenzen
- ACHTUNG: Die ungeprüfte Anstellung eines Arbeitnehmers und die daher nicht erkannte Unterdurchschnittlichkeit führen dazu, dass der deswegen entstandene Mangel in der Arbeitsleistung nicht als Sorgfaltspflichtverletzung gewertet wird.
- Ausnahme: Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber seine Eigenschaften zugesichert oder gewisse Manki verschwiegen.
- Der Arbeitgeber hat die Erkundigungsobliegenheit:
- Judikatur: BGE 97 II 142; JAR 1995, S. 87
- Übernahmeverschulden des Arbeitnehmers?
- Tätigkeitsdauer
- Es darf bei einem langjährigen Arbeitnehmer eine höhere Sorgfaltswahrung erwartet werden als bei einem Neuling
- Judikatur: JAR 1995, S. 87; BJM 1975, S. 230 f.
- Arbeitsannahme durch den Arbeitnehmer trotz Fehlens von Ausbildung und/oder Erfahrung
- Abmahnungspflicht des Arbeitnehmers
- Kennt der Arbeitgeber das Ungenügen des Arbeitnehmers und teilt er ihm trotzdem eine Arbeit zu, der er nicht gewachsen ist, so wird in der Praxis eine Sorgfaltspflichtverletzung verneint.
- Ausnahmen:
- Fähigkeitszusicherung des Arbeitnehmers (Garantiewirkung)
- Qualifikationen-Prüfungsgelegenheit des Arbeitgebers nicht oder nur beschränkt möglich
- Ausnahmen:
- Judikatur: BJM 1972, S. 181; SemJud 70 (1948) S. 545 ff.
- Fehlerhaftes Verhalten von Untergebenen
- Dem Vorgesetzten kann als eigene Unsorgfalt angelastet werden, wenn er seine Pflichten bei der Auswahl, Instruktion und Kontrolle des Angestellten vernachlässigt hat.
- Ausnahme: Der Untergebene wird durch den Arbeitgeber und/oder der Vorgesetzte macht seinen Arbeitgeber auf mangelnde Eignung des Untergebenen aufmerksam.