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Gesamteigentum

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Exkurs: Flurweg im Kanton Zürich

Rechtsgebiet:
Gesamteigentum
Stichworte:
Gesamteigentum
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Anfänglich diente die Anlegung der Flurwege im Allgemeinen der Verbesserung der Bodenbewirtschaftung und im Besonderen dem Übergang vom System des Flurzwanges (Dreifelderwirtschaft) zur individuellen Bodennutzung.

Inzwischen haben sich Recht und Nutzungsarten geändert. Im Einzelnen:

Begriff

Flurweg (auch Güterwege, offene Feldwege)   =   selbständiges Grundstück als ausgemarchter, gebahnter Weg, der von einer Mehrheit von Grundeigentümern angelegt wurde und in ihrem Gesamteigentum steht, um für die zweckmässige Bewirtschaftung der in seinem Einzugsgebiet gelegenen, den Wegeigentümern gehörenden landwirtschaftlichen Grundstücken genutzt zu werden

Grundlagen

  • Ersetzte Gesetze
    • Erstes Gesetz über die Anlegung von Flurwegen
      • Gesetz über die Anlegung von Güterwegen vom 03.07.1835
    • Zweites Gesetz
      • Gesetz vom 22.04.1862 betreffend die Eintragung von Grunddienstbarkeiten und Reallasten in die Grundprotokolle und die Anlegung offener Flur- und Feldwege
    • Drittes Gesetz
      • Gesetz betreffend die Förderung der Landwirtschaft vom 24.09.1911 (LG 1911), 4. Abschnitt über «Bodenverbesserungen» (§§ 129 ff.)
        • Flurwege standen mit Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht mehr im Miteigentum, sondern im Gesamteigentum derjenigen Grundeigentümer, deren Grundstücke sich in der Flurabteilung befanden (§ 137 Abs. 1 Satz 1)
    • Viertes Gesetz
      • Gesetz über die Förderung der Landwirtschaft vom 22.09.1963 (LG 1963)
  • Heute geltendes Gesetz
    • Gesetz über die Förderung der Landwirtschaft vom 02.09.1979 (LG)

Abgrenzungen

  • Öffentliche Strassen
    • Die öffentlichen Strassen sind im Strassenregister vermerkt
  • Flurwege
    • Wege und Strassen, die sich weder als öffentliche noch als rein private klassifizieren liessen, wurden in ein Flurwegverzeichnis aufgenommen

Rechtsnatur

  • Grundstück
    • Flurwege sind seit dem Gesetz vom 03.07.1835 betreffend die Anlegung von Güterwegen als selbständige, ausgemarkte Liegenschaften konzipiert und ermöglichen ihren Eigentümern, auf ihre in der Flurabteilung gelegenen landwirtschaftlichen Grundstücke zu gelangen, ohne das Grundstück eines Dritten in Anspruch nehmen zu müssen
  • Eigentumsform
    • Die Flurwege stehen im Gesamteigentum der Anstösser und sind als ausgeschiedene Grundstücke ins Grundbuch aufzunehmen (§ 108 Abs. 1 lit. b LG).

Funktion

Flurwege dienen der Grob- und Feinerschliessung landwirtschaftlicher Liegenschaften

Nachteile

Mit der Zeit wurde erkannt, dass die Flurwege als Rechtsinstitut mit erheblichen Mängeln behaftet sind, weshalb die im Zuge von Güterzusammenlegungen erstellten Wege nicht mehr als Flurwege, sondern als Genossenschaftswege begründet wurden; diese standen dann im Eigentum einer Flur- oder einer Meliorationsgenossenschaft.

Mitglied einer solchen Genossenschaft wurde, wer Eigentümer eines Grundstücks im Beizugsgebiet ist. Im Einzelnen:

Eigentumsverhältnisse am Flurweg

  • Flurwege im Gesamteigentum
    • Seit der Gesetzesrevision von 1911 sollte an den Flurwegen Gesamteigentum bestehen (§ 137 Abs. 1 LG 1911, § 105 Abs. 1 LG 1963, § 108 Abs. 1 lit. b LG 1979)
  • Kreis der berechtigten Gesamteigentümer
    • Der Kreis der Gesamteigentümer wird durch die Gesetze von 1963 und 1979 enger umschrieben als durch jenes von 1911
  • Vor 1963 erstellte Flurwege
    • Für die vor 1963 erstellten Flurwege ist Art. 17 Abs. 1 des Schlusstitels zum ZGB (SchlTzZGB) zu beachten, wonach die beim Inkrafttreten eines jüngeren Gesetzes bestehenden dinglichen Rechte auch unter dem neuen Gesetz anerkannt bleiben
  • Unabhängig von Gesetzesänderungen Anstösser als Eigentums- und Wegberechtigte
    • Eine Übereinstimmung zwischen den Gesetzen besteht soweit, als in erster Linie die mit ihren Grundstücken an den Flurweg anstossenden Grundeigentümer weg- und eigentumsberechtigt sind
  • Einkaufsberechtigung für Personen mit naheliegenden Grundstücken
    • § 138 LG 1911 räumt den Eigentümern von in Flurweg-Nähe gelegenen Grundstücken das Recht auf Einkauf für den landwirtschaftlichen Betrieb ein
    • Der Einkauf erlaubte auch bei solchen «Hintersässen» Gesamteigentümer zu werden
    • Das LG 1963 räumte Nichtanstössern nur noch das Recht auf Erwerb eines Wegrechtes ein (§105 Abs. 2 LG 1963)
    • Das LG von 1979 nennt nicht einmal mehr diese Möglichkeit, weil beinahe alle Flurwege vor 1963 angelegt wurden und die Nichtanstösser ihre Rechte vor diesem Zeitpunkt erworben haben
    • Nichtanstösser, die sich vor 1963 in den Flurweg eingekauft haben, sind aufgrund von Art. 17 Abs. 1 Schlusstitel ZGB (SchlTzZGB) bei Grundstückgeschäften über das Flurweggebiet als Beteiligte zu berücksichtigen
  • Zuständigkeit für die Beurteilung von Flurwegberechtigungen
    • Für die Beurteilung der Flurwegberechtigung sind weder der Gemeinderat als Aufsichtsbehörde über die Flurwege, noch sonstige Verwaltungsbehörden, sondern die Gerichte zuständig.

Ordnung

  • Anwendbares Recht unter den Beteiligten
    • Das Rechtsverhältnis unter den Beteiligten richtet sich vorbehältlich besonderer Bestimmungen nach Privatrecht
  • Nutzung
    • Die Flurwegeigentümer dürfen die Wege unbeschränkt zur land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung ihrer Grundstücke befahren oder begehen (LG § 110)
  • Andere als landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche Nutzung
    • Die anderweitige Benützung durch einen Beteiligten bedarf der Zustimmung der Mehrheit der übrigen Eigentümer (LG § 110 Abs. 2)
  • Unterhaltspflicht der Gesamteigentümer
    • Den Gesamteigentümern obliegt die dauernde Unterhaltspflicht ihrer Flurwege als öffentliche Beschränkung (LG § 112 Abs. 1)
  • Aufsicht
    • Die Flurwege stehen unter Aufsicht des Gemeinderates (LG § 113 Abs. 1)
  • Flurwegverzeichnis
    • Dieser führt ein Flurwegverzeichnis ohne sachenrechtliche Wirkung (LG § 113 Abs. 1 Satz 2)
  • Aufhebungspflicht bei artfremder Nutzung
    • Die Flurwege sind ganz oder teilweise aufzuheben, falls sie nicht mehr der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung dienen (LG § 115)

Aufhebung der Flurwege

  • Nutzungsorientierte Bestandesdauer
    • Flurwege sind wesensbedingt nur so lange als Flurwege im Sinne des Landwirtschaftsgesetzes zu klassifizieren, als sie land- oder forstwirtschaftlich genutzt werden
  • Flurweg-Aufhebung
    • Grundsätze
      • § 115 Abs. 1 LG bestimmt zwingend, dass Flurwege ganz oder teilweise aufzuheben sind, wenn sie nicht mehr der land- oder forstwirtschaftlich genutzt werden
      • Flurwege dürfen nicht aufgehoben werden, solange ihr Fortbestand einem land- oder forstwirtschaftlichen Bedürfnis entspricht
    • Zuständigkeit für die Flurweg-Aufhebung
      • Gemeinderat auf Antrag der Mehrheit der unmittelbar betroffenen Anstösser; die übrigen Beteiligten bzw. Berechtigten sind anzuhören
      • Volkswirtschaftsdirektion hat die Aufhebung zu genehmigen (§ 115 Abs. 2 LG)
    • Eingezonte Gebiete
      • Im Baugebiet kann die Flurweg-Aufhebung im Quartierplanverfahren oder durch die Volkswirtschaftsdirektion von Amtes wegen erfolgen (§ 115 Abs. 3 LG), sofern und soweit der Flurweg nicht mehr einen land- und forstwirtschaftlichen Nutzen verfolgt und sich die Mehrheit der Anstösser nicht zur Aufhebung entschliessen kann
    • Aufhebung = Nichtunterstellung unter das Landwirtschaftsgesetz
      • «Aufhebung» im Sinne von § 115 LG bedeutet lediglich die «Nichtunterstellung unter das Landwirtschaftsgesetz»; die sog. Aufhebung des Flurweges ist also ohne jeglichen Einfluss auf den Wegbestand
      • Der betroffene Weg wird durch die Aufhebung zum «reinen» Privatweg, auf dem die öffentlichen Beschränkungen, d.h. dauernde Unterhaltspflicht und Aufsicht des Gemeinderates, entfallen
    • Anwendung von Bundesprivatrecht
      • Das Verhältnis unter den Anstössern und das Eigentum am Weggebiet richtet sich inskünftig ausschliesslich nach dem Bundesprivatrecht (§ 115 Abs. 5 LG)
      • Die Neugestaltung der Eigentumsverhältnisse, die nach der Aufhebung allenfalls nötig wird, ist somit einzig zivilrechtliche Sache der Anstösser.

Flurwegverzeichnis

  • Verzeichnis
    • Verkehrswege-Arten
      • Sämtliche im Gemeindebann vorhandenen Strassen lassen sich einteilen in:
        • öffentliche Strassen
        • Flur- und Feldwege
        • private Strassen und Wege
    • öffentliche Strassen
      • Die öffentlichen Strassen sind im Strassenregister vermerkt
    • Private Strassen
      • Alle privaten Strassen und Wege finden sich im Grundprotokoll, bzw. im Grundbuch
    • Flurwegverzeichnis
      • Wege und Strassen, die sich weder als öffentliche noch als rein private klassifizieren liessen, wurden von der sogenannten «Flurkommission» in ein Flurwegverzeichnis aufgenommen
    • Verzeichnis
      • Das von der Flurkommission erstellte Verzeichnis wurde wie folgt eingesetzt:
        • 1 Ex. ins Gemeindearchiv
        • 1 Doppel ans Grundbuchamt
    • Kein Flurwegberechtigten-Verzeichnis
      • Ein Verzeichnis der Flurwegberechtigten besteht in der Regel nicht
  • Bereinigung
    • Pendente Bereinigungen
      • In einigen Gemeinden ist die Bereinigung der Flurwegverzeichnisse noch pendent
    • Bereinigungsziel
      • Anpassung des Flurweg-Registers an die effektiven Verhältnisse
    • Mögliches Bereinigungsvorgehen
      • Die Gemeinde wählen für die Bereinigung meistens folgendes Vorgehen:
        • 1. Feststellung, welche Wege in der Gemeinde als Flurwege begründet wurden
          • Hilfsmittel
            • Flächenverzeichnis
            • alte Flurwegverzeichnisse (im Gemeindearchiv)
            • Grundbuchamt
        • 2. Prüfung, welche von diesen als Flurwege im Sinne des Landwirtschaftsgesetzes begründeten Wege gar nicht mehr bestehen
          • Auflösungsgründe
            • Ersatz durch eine Staats- oder Gemeindestrasse
            • Landabtretung
            • Überbauung
          • Aufgelöste Flurwege
            • Streichung nicht mehr bestehender Flurwege aus dem Flurwegverzeichnis
        • 3. Prüfung, welche Flurwege verwaltungsrechtlich aufgehoben wurden
          • Voraussetzung
            • Vorliegen von Gemeinderatsbeschlüssen zu Flurwegaufhebungen
          • Massnahme
            • Streichung aufgehobener Flurwege aus dem Flurwegverzeichnis
      • Nach Beendigung der Bereinigungsarbeiten
        • Gemeinden im Besitz eines bereinigten Flurwegverzeichnisses sollten die Bereinigung des Flurwegverzeichnisses zum Anlass zu weiteren Bereinigungen nehmen > Überführung in Flur- oder Waldweggenossenschaften.

Eigentümerverzeichnis

  • Verzeichnis
    • Die Eigentümerverzeichnisse bei den Gemeinden sind ohne rechtliche Wirkung, da die kommunalen Verwaltungsbehörden nicht zuständig sind, Eigentum konstitutiv festzustellen
    • Die Eigentumsfeststellung muss aus dem Grundbuch erfolgen bzw. durch die Grundbuchämter vorgenommen werden
  • Bereinigung
    • Zuständigkeit des Grundbuchamtes (und nicht des Gemeinderates).

Literatur

  • HUBER HANS, Das Flurwegrecht des Kantons Zürich, Diss. Zürich 1944

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