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Mehrwertsteuern

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Selbstdeklaration

Rechtsgebiet:
Mehrwertsteuern
Stichworte:
Mehrwertsteuer, Mehrwertsteuern, MWST
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Der Steuerpflichtige stellt selber fest, ob er die Voraussetzungen der subjektiven Steuerpflicht erfüllt (MWSTG 10 + 66), ermittelt die Steuerforderung selber (MWSTG 71) und begleicht diese innerhalb von 60 Tagen nach Ablauf der Abrechnungsperiode (MWSTG 86 Abs. 1).

Bei festgestellter Mehrwertsteuerpflicht hat der Steuerpflichtige

  • sich unaufgefordert anzumelden (MWSTG 56 Abs. 1)
  • selbst und unaufgefordert über seine Umsätze und Vorsteuern abzurechnen und die Steuer an die ESTV abzuliefern

Zu den Pflichten der mehrwertsteuerpflichtigen Person gehören

  • ordentliche Buchführung
    • Führung der Geschäftsbücher und Aufzeichnungen nach den handelsrechtlichen Grundsätzen (MWSTG 70 Abs. 1)
    • Buchführung  =   Lückenlose und planmässige Aufzeichnen sämtlicher Geschäftsvorfälle einer Unternehmung auf der Grundlage von Belegen, was sich in den Geschäftsbüchern und den zugehörigen Aufzeichnungen nieder
  • Kassabuchführung + täglicher Kassasturz bei bargeldintensiven Betrieben
    • Bei einem bargeldintensiven Betrieb hat der Steuerpflichtige die Bareinnahmen und -ausgaben fortlaufend, lückenlos und grundsätzlich tagfertig in einem Kassabuch aufzuzeichnen und täglich einen Kassensturz vorzunehmen
    • Wer einen bargeldintensiven Betrieb unterhält und weder tägliche Kassenstürze vornimmt, noch überhaupt ein tagfertiges Kassabuch führt, nimmt billigend in Kauf, dass eine Unterbesteuerung eintritt und akzeptiert eine Ermessenseinschätzung (vgl. BGer 2C_885/2019 vom 05.03.2020, Erw. 5.2, BGer 2C_530/2019 vom 23.01.2020, Erw. 4.3.1, je m.w.H.).

Grundsatz der Selbstdeklaration

In der Praxis läuft die Selbstdeklaration wie folgt ab:

  • Bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) ist durch den Steuerpflichtigen vierteljährlich (allenfalls auch monatlich) eine Selbstdeklaration einzureichen, in welcher die geschuldete Mehrwertsteuer (MWST) aufaddiert wird
  • Von diesem reinen MWST-Bruttobetrag können alle Vorsteuerbeträge abgezogen werden, die bereits durch Lieferanten an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) oder bei Importen an die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) abgeführt wurden
  • Die Bruttomarge unterliegt somit der Inlandsteuer, d.h. der schweizerischen MWST

Vorbereitung der MWST-Abrechnung

Mit folgenden Massnahmen werden Strafen, Nachforderungen und Verzugszinsen möglichst vermieden:

  1. Periodische Umsatzabstimmungen
    1. Abgleich der verbuchten MWST mit den MWST-Abrechnungen
      Vgl. hiezu die Ziffern 302/301, 312/311, 342/341 und 399 des MWST-Abrechnungsformulars)
    2. Prüfung, ob alle für die MWST massgebenden Mittelzuflüsse des Unternehmens versteuert wurden, und zwar unabhängig dessen, ob sie verbucht wurden
      1. als (Unternehmens-)Ertrag
      2. als Aufwand
      3. in der Bilanz
    3. Prüfung, ob berücksichtigt wurden
      1.  Verkauf von Betriebsmittel (erkennbar als Haben-Buchungen im jeweiligen Aktivenbestand)
      2. Vorauszahlungen von Kunden (vgl. MWSTG 40 Abs. 1 lit. b)
      3. Weitere in Rechnung gestellte Entgelte (vgl. MWSTG 1 Abs. 2 lit. a i.V.m. MWSTG 3 lit. f)
      4. ev. Ertragsbuchungen von nicht realsierte Bewertungsdifferenzen
      5.  Berücksichtigung
        1. geldwerter Leistungen, die nur teilsweise oder gar nicht in Rechnung gestellt wurden (mit at arm’s length-Bewertung, vgl. MWSTG 24 Abs. 3)
        2. Wert der den Mitarbeitern zur Verfügung gestellten Betriebsmittel (vgl. Ziffer 200 des MWST-Abrechnungsformulars bzw. Ziffern 2 oder 14 des Lohnausweises)
        3. Private Nutzung von Geschäftsfahrzeugen (0,9 % des Kaufpreises exkl. MWST, seit 01.01.2022 > Einzelfallprüfung erforderlich)
      6. elimination von Mittelzuflüssen, die keine Entgelte sind:
        1. Spenden / Schenkungen / Gönnerbeiträge und andere Mittelzuflüsse ohne Gegenleistung
        2. Subventionen (aus Ziffer 900 des MWST-Abrechnungsformulars)
        3. Nichtentgelte (zB Dividendenerträge, Versicherungsleistungen wie KE, AlK-Zahlungen, auch wegen COVID-19)
        4. Schadenersatzzahlungen
        5. Genugtuungszahlungen
        6. Forderungsverzichte infolge einer Unternehmenssanierung
        7. Zahlungen für die Erbringung hoheitlicher Leistungen (vgl. auch die Ausführungen zur Vorsteuer-Kürzung)
      7. Ertragsminderungen wie
        1. Über Ertragskonti verbuchte zeitliche oder sachliche Abgrenzungen (zB Transitorische Passiven / Transitorische Aktiven)
        2. Gutscheine (MWST-relevant im Zeitpunkt der Einlösung)
        3. Debitorenverluste
        4. Andere Engeltsminderungen (vgl. hiezu Ziffer 235 des Abrechnungsformulars)
    4. Mindestens jährliche Umsatzabstimmung
      1. Vgl. MWSTG 128 Abs. 1 lit. d
    5. Prüfung weiterer Positionen im individuell-konkreten Einzelfall
  2. Dienstleistungsimport aus dem Ausland
    1. Rechnungen aus einem Dienstleistungsimport aus dem Ausland weisen moistens keine CH-MWST – ev. aber die ausländische – aus
    2. Der mehrwertsteuerpflichtige schweizerische Dienstleistungsempfänger
      1. ist zur MWST-Deklaration in der Abrechnung unter Ziffer 382/381 des MWST-Abrechnungsformulars verpflichtet,
        1. a. wenn es sich um allgemeine Dienstleistungen nach MWSTG 8 Abs. 1 handelt
    3. Der nicht-mehrwertsteuerpflichtige Schweizer Dienstleistungsempfänger
      1. ist zur MWST-Deklaration in Form eines Informationsbriefes an die ESTV verpflichtet,
        1. wenn er pro Kalenderjahr mehr als CHF 10’000 an Leistungen aus dem Ausland bezieht,
          1. welche der Bezugssteuer unterworfen sind (vgl. MWSTG 45 Abs. 2 lit. b)
    4. Auch rückwirkende Abrechnungspflicht für solche Leistungsbezüge aus dem Ausland; bezüglich Verjährung vgl. MWSTG 48 Abs. 2 i.V.m. MWSTG 42 und MWSTG 43; vgl. auch MWSTG 40 Abs. 1)
  3. Einfuhr von Datenträgern ohne Marktwert und Erstellung oder sonstige Lieferung von Bauwerken (wie Reparatur oder Restaurierung) in der Schweiz
    1. Der nicht-mehrwertsteuerpflichtige Ausländer, der hiefür kein zu verbauendes Material in die Schweiz importiert, also das Material hier kauft oder nur montiert und einzig Werkzeuge mitführt,
      1. hat,
        1. wenn er pro Kalenderjahr mehr als CHF 10’000 an Leistungen einführt, ein Informationsschreiben an die ESTV abzusetzen
    2. Auch rückwirkende Abrechnungspflicht für solche Leistungsbezüge aus dem Ausland; bezüglich Verjährung vgl. MWSTG 48 Abs. 2 i.V.m. MWSTG 42 und MWSTG 43; vgl. auch MWSTG 40 Abs. 1)
  4. Prüfung der freiwilligen MWST-Registrierung zur Ermöglichung des Vorsteuerabzugs
    1. Verzicht auf die Befreiung von der MWST-Pflicht (vgl. MWSTG 11 Abs. 1 i.V.m. MWSTG 10 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a), durch Online-Anmedlung
    2. Verzicht ermöglicht den Vorsteuerabzug, welcher im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit auch ohne Umsätze vorgenommen werden darf
      1. zB für Holdings mit min. 10 % Nennwertanteilan Beteiligungen (Führungsdelegation an Dritte oder Tochtergesellschaft, Vekaufsaufwand), wobei auf dortige MWST-Belastungen zu achten ist
      2. zB bei Unternehmen in der Aufbauphase (wie Start-up),
    3. Rückwirkende freiwillige Eintragung
      1. Grundsätzlich nicht möglich
    4. Prüfung der Löschung als mehrwertsteuerpflichtiges Unternehmen, wenn die Umsatzgrenzen unterschritten werden – analog des Befreiungsverzichts – , ob die freiwillig gewordene Eintragung fortbestehen soll (Grundsatz, wonach der MWST-Registereintrag ohne Löschungsantrag bestehen bleibt (vgl. MWSTG 14 Abs. 5, letzter Satz)
  5. Anforderungen + Aktualität der Buchhaltungs-Software
    1. Es sollte darauf geschaut werden, dass die Buchhaltungs-Software MWST-tauglich ist und alle Ziffern für die MWST-Abrechnung zur Verfügung stellt
    2. Vor dem Lizenzerwerb ist eine Bedarfsanalyse vorzunehmen und beim Anbieter abzuklären, ob die Anforderungen erfüllt werden etc.
  6. Formal korrekte Debitoren-Rechnungen
    1. Gemäss MWSTG 26 müssen solche Rechnungen enthalten:
      1. Name + Adresse des Leistungserbringers + Leistungsempfängers
      2. Datum
      3. Zeitraum der Leistung
      4. Genügende Beschreibung der Leistung
      5. Entgelt
      6. MWST-Satz
      7. MWST (offener Ausweis)
    2. Die Entscheide, ob die MWST auf den Kunden zu überwälzen ist, und die Beurteilung, ob MWST den Steuerbehörden abzuführen ist, erfordern bei grenzüberschreitenden Leistungen eine anspruchsvollere Themenauseinandersetzung als bei blossen Inlandleistungen
  7. Prüfung der Kreditorenrechnungen auf Korrektheit und MWST-Deklarationspflicht bzw. Vorsteuerberechtigung
    1. Nach MWSTG 26 formell korrekt in Rechnung gestellte Vorsteuer
      1. darf im Rahmen der unternehmerisch steuerbaren Verwendung der Eingangsleistung zum Abzug gebracht werden (vgl. MWSTG 28 Abs. 1)
      2. erst als bezahlt nachgewiesen, wenn sie nicht nur betragsmässig, sondern auch satzmässig bestimmt ist
    2. Als Rechnung gilt gemäss MWSTG 3 lit. k jedes Dokument, welches unabhängig von der Titulierung der Vertragsparteien über das Entgelt für eine Leistung abrechnet, wie
      1. Bestellung / Auftrag
      2. Vertrag
      3. Rechnung
      4. Quittung
    3. Werden von der MWST ausgenommene Umsätze erzielt, ist der Steuerpflichtige zur Vorsteuerkorrektur verpflichtet
      1. Für Einzelheiten sei verwiesen auf die webbasierten Informationen der ESTV (anstelle d/MWST-Broschüre Nr. 09, Vorsteuer und Vorsteuerabzug)
      2. Vgl. ferner:
        1. Unterscheidung Vorsteuerkorrektur / Vorsteuerkürzung
          1. Vorsteuerkürzungen und -korrekturen – ausgewählte Aspekte
          2. Vorsteuerabzug
  8. Fristwahrung
    1. MWST-Deklaration
      1. Spätestens 60 Tage nach Quartals- oder Semesterende
    2. MWST-Zahlung
      1. Spätestens 60 Tage nach Quartals- oder Semesterende
    3. Verzugszins
      1. Ab dem ersten Tag des Verzugs
    4. Fristverlängerungen
      1. Max. 60 Tage Fristverlängerung / Fristerstreckungsgesuch per Internet
      2. Wiederholte Fristerstreckungsgesuche oder Mahnungen der ESTV können eine MWST-Kontrolle auslösen
        1. hiezu Kontrolle / Einschätzungsmitteilung

Eine regelmässige Umsatzabstimmung

  • vereinfacht die Fehlersuche;
  • reduziert MWST-Abrechnungsprobleme sowie Nachzahlungs- und Verzugszins-Risiken;
  • offenbart den Beratungsbedarf (Beizug einer fachkundigen Person).

MWST-Abrechnung

Die MWST-Abrechnung ist in drei Teile gegliedert:

  • Teil 1 (I. Umsatz)
    • Es werden das vereinbarte oder das vereinnahmte Entgelt und die Abzüge ins MWST-Formular eingetragen
  • Teil 2 (II. Steuerberechnung)
    • Es werden die geschuldete Umsatzsteuer auf die gesetzlichen Steuersätze aufgeteilt und die Vorsteuern aufgeschlüsselt
      • Daraus resultiert die Steuerforderung, d.h. die Steuerschuld oder das Steuerguthaben
  • Teil 3 (III. Andere Mittelflüsse)
    • In das MWST-Steuerformular sind die sog. Nicht-Entgelte einzutragen

Risiken

  • Jeder Steuerpflichtige steht mit der Selbstdeklaration der Frage nach der richtigen Anwendung der mehrwertsteuerlichen Vorschriften gegenüber
  • Die Mehrwertsteuer (MWST) betrifft in der Regel zahlreiche wirtschaftliche Transaktionen
  • Die ESTV unterzieht die Selbstdeklarationen nur sporadisch einer MWST-Revision, sodass Grundsatzfehler in der MWST-Anwendung im Falle nachträglicher Nichtüberwälzbarkeit auf die Vertragspartner über längere Zeiträume verheerende finanzielle Folgen zeitigen können

Literatur

  • Zur Selbstdeklaration
    • HONAUER NIKLAUS / PROBST SIMEON L. / MATTEOTTI RENE / ROHNER TOBIAS F., Handbuch zum Mehrwertsteuergesetz (MWSTG), Bern 2022
    • GEIGER FELIX / SCHLUCKEBIER REGINE, MWSTG-Kommentar, 2. Auflage, Zürich 2019
  • Zur Buchführungspflicht
    • BLUM BEATRICE, in: Geiger/Schluckebier [Hrsg.], MWSTG Kommentar, 2012, Rz. 3 ff. zu Art. 70 MWSTG

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