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Mehrwertsteuern

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Zwangsvollstreckung

Rechtsgebiet:
Mehrwertsteuern
Stichworte:
Mehrwertsteuern, MWST
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Für die Zwangsvollstreckung von MWST-Guthaben gegenüber Steuerschuldnern gilt folgendes:

  • Allgemeines
    • Vollstreckungssystem
      • Für die Vollstreckung von Mehrwertsteuerforderungen gelten grundsätzlich die gleichen Regeln wie für die Vollstreckung der übrigen Steuerforderungen.
    • Entscheidungskompetenz der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV)
      • Rechtsvorschlagsbeseitigung nach SchKG 79
        • Die ESTV kann als Verwaltungsbehörde gemäss SchKG 79 selbst den Rechtsvorschlag beseitigen.
      • Erlass einer Sicherstellungsverfügung
        • Die ESTV kann im Sinne einer Sicherstellungsverfügung einen Arrestbefehl erlassen.
      • Konkurse von Steuerschuldnern
        • Eigenes Entscheidungsrecht der ESTV für die Kollokation im Konkurs.
    • Spezielle Normierungen bei Betreibung der provisorischen Steuerforderung
      • Im Gegensatz zu den übrigen Steuerdeklarationen gibt es Besonderheiten, welche sich aus dem Selbstveranlagungsverfahren der MWST ergeben, wie
        • Normierungen für das Rechtsöffnungsverfahren
          • Möglichkeit zur definitiven Rechtsöffnung für bestimmte Urkunden, die keine Verwaltungsverfügungen sind.
  • Betreibung der provisorischen Steuerforderung
    • Ausgangslage
      • (Unaufgeforderte) Abrechnungspflicht des Steuerpflichtigen über die Steuerforderung innert 60 Tagen nach Ablauf der Abrechnungsperiode (vgl. MWSTG 71)
      • Pflicht zur Begleichung der in dieser Abrechnungsperiode entstandenen Steuerschuld (vgl. MWSTG 86 Abs. 1)
      • 1) Nicht oder ungenügende Bezahlung durch den Steuerpflichtigen
        • Vorgehen der ESTV
          • Mahnung des provisorisch geschuldeten Betrages;
          • Betreibung des provisorisch geschuldeten Betrages.
      • 2) Keine offensichtlich ungenügende Abrechnung des Steuerpflichtigen
        • Bestimmung des provisorisch geschuldeten Steuerbetrages durch die ESTV nach pflichtgemässem Ermessen (MWSTG 86 Abs. 2).
      • Die ESTV erlässt noch keine Verfügung über den in Betreibung zu setzenden Betrag (vgl. HONAUER NIKLAUS / PROBST SIMEON L., / ROHNER TOBIAS F. / FREY PHILIP, a.a.O., Rz 2345
        • Der Betrag ist nur provisorisch geschuldet und nicht rechtskräftig (vgl. MWSTG 43).
        • Der Einzug des provisorischen Steuerbetrages berührt die Festsetzung der endgültigen Steuerforderung noch nicht (vgl. MWSTG 86 Abs. 7).
      • 3) Unterbleibt eine Festsetzung der Steuerforderung, sind zu beachten:
        • MWSTG 72, 78, 82 + 86 Abs. 2 sowie MWSTG 43 Abs. 1 lit. c.
  • Rechtsvorschlag des Steuerschuldners
    • Der Steuerschuldner kann gegen den Zahlungsbefehl Rechtsvorschlag erheben (vgl. SchKG 74).
  • Beseitigung des Rechtsvorschlags durch die ESTV
    • Die ESTV kann den Rechtsvorschlag des Steuerschuldners gegen ihre öffentlich-rechtliche Forderung auf zwei Arten beseitigen:
      • Eigene Beseitigung des Rechtsvorschlags durch die ESTV als Vewaltungsbehörde,
        • Verfügungsart
          • mit inhaltlichem Entscheid (vgl. STAEHLIN DANIEL, BSK SchKG I, N 14 zu Art. 79 SchKG).
        • Sachliche Zuständigkeit zur Beseitigung des Rechtsvorschlages im Verfahren nach SchKG 79
          • Verwaltungsbehörde selbst.
        • Verfahren
          • Dieses richtet sich nach dem auf das entsprechende Verwaltungsverfahren anwendbaren Recht (vgl. STAEHELIN DANIEL, BSK SchKG I, N 26 zu Art. 79 SchKG)
          • Die Beseitigung der Rechtsöffnung durch die Verwaltungsbehörde ist keine „Rechtsöffnung“ (reservierter Begriff des „summarischen Verfahrens“ des Rechtsöffnungsgerichts; vgl. STAEHELIN DANIEL, BSK SchKG I, N 24 zu Art. 79 SchKG)
        • Verfahrensvorbehalt
          • Das Verfahren nach SchKG 79 ist nur in folgenden Fällen zulässig:
            • Kein Erlass einer Verfügung über den Anspruch;
            • Fälligkeit des Anspruchs vor Erlass der Verfügung (Fälligkeit zum Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsbefehls ist Voraussetzung, damit der Rechtsvorschlag gemäss SchKG 79 beseitigt werden kann):
              • Fälligkeit der MWST-Forderungen
                • 60 Tage nach Ablauf der Abrechnungsperiode
              • Betrag
                • Betrag aus MWST-Abrechnung des Schuldners
                • Der zu entrichtende Betrag ergibt sich dabei aus der durch den Steuerpflichtigen vorzunehmende Abrechnung.
              • Unter diesen Voraussetzungen kann die ESTV den Rechtsvorschlag gemäss SchKG 79 beseitigen (vgl. MWSTG 86 Abs. 3 Satz 2),
                • wenn sie gleichzeitig eine Verfügung über den provisorisch geschuldeten Betrag erlässt.
              • Die ESTV kann entweder
                • (a.) materiell feststellen, dass die provisorische Steuer gemäss der Abrechnung CHF 1111 beträgt und den Rechtsvorschlag in diesem Umfang in der zu referenzierenden Betreibung beseitigen (vgl. MWSTG 86 Abs. 2 Satz 1) oder wenn
                • (b.) keine oder eine offensichtlich ungenügende Abrechnung vorliegt, den provisorisch geschuldeten Steuerbetrag nach pflichtgemässem Ermessen in einer Verfügung festlegen und in diesem Umfang den Rechtsvorschlag beseitigen (vgl. MWSTG 86 Abs. 2 Satz 2).
            • Keine Gewährung des rechtlichen Gehörs erforderlich
              • Vor Verfügungserlass muss die ESTV die steuerpflichtige Person nicht anhören, weil das rechtliche Gehör nachträglich durch Einsprache gewährt wird (vgl. VwVG 30 Abs. 2 lit. b; HONAUER NIKLAUS / PROBST SIMEON L., / ROHNER TOBIAS F. / FREY PHILIP, a.a.O., Rz 2339).
      • Vollstreckbare Verfügung
        • Verfügungsart
          • Hat die ESTV eine vollstreckbare Verfügung über den Anspruch erlassen, kann sie die definitive Rechtsöffnung verlangen (vgl. SchKG 80 Abs. 2 Ziff. 2).
        • Sachliche Zuständigkeit zur Beseitigung des Rechtsvorschlags in der definitiven Rechtsöffnung
          • Rechtsöffnungsgericht.
        • Verfahren
          • Das Verfahren bestimmt sich nach
            • SchKG 84;
            • ZPO (vgl. STAEHELIN DANIEL, BSK SchKG I, N 18 ff. zu Art. 84 SchKG).
  • Rechtsmittel
    • Rechtsmittelfähigkeit
      • Die Verfügung betreffend den Rechtsvorschlag über den provisorisch geschuldeten Steuerbetrag kann innert 10 Tagen nach der Einsprache-Eröffnung bei der ESTV angefochten werden (vgl. MWSTG 86 Abs. 4 Satz 1).
    • Anfechtungsgegenstand
      • Angefochten werden können
        • (a) die Verfügung über den Bestand der provisorisch geschuldeten Steuerforderung;
        • (b) die Beseitigung des Rechtsvorschlags.
    • Einsprache / aufschiebende Wirkung
      • Die Einsprache erhält die aufschiebende Wirkung.
      • Ohne Entscheid über die Einsprache kann die Betreibung nicht fortgesetzt werden.
    • Einspracheentscheid endgültig?
      • Der Einspracheentscheid ist endgültig und kann mit keinem weiteren Rechtsmittel angefochten werden (vgl. MWSTG 86 Abs. 4 Satz 2),
        • sofern die ESTV
          • den provisorisch geschuldeten Betrag gemäss Abrechnung nicht angezweifelt und
          • deswegen keine Ermessenseinschätzung gemäss MWSTG 86 Abs. 2 Satz 2 vorgenommen hat,
    • Anfechtung der Ermessenseinschätzung an BVGer
      • Die Verfügung
        • über die Einsprache gegen die Ermessenseinschätzung und
        • die entsprechende Beseitigung des Rechtsvorschlags kann mittels Beschwerde,
          • welche von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hat (vgl. MWSTG 86 Abs. 5 Satz 2),
            • weitergezogen werden ans
              • Bundesverwaltungsgericht (vgl. MWSTG 86 Abs. 5 Satz 1).
    • Nicht anwendbare negative Feststellungsklage gemäss SchKG 85a
      • Die negative Feststellungsklage nach SchKG 85a ist bezüglich der „provisorischen Steuerforderung“, sofern und soweit sie auf der Abrechnung oder Ermessenseinschätzung beruht, nicht anwendbar (vgl. MWSTG 86 Abs. 6).
    • Fortsetzungsbegehren
      • Dokumentierung
        • Bei Stellung des Fortsetzungsbegehrens gemäss SchKG 88 hat die ESTV eine von ihr ausgestellte Vollstreckbarkeitsbescheinigung einzureichen, als
          • Zustellung der Verfügung über die Beseitigung des Rechtsvorschlags dem Schuldners und
          • einsprachelose bzw. definitive Erledigung.
    • Alternative Rechtsvorschlagbeseitigung
      • Die ESTV kann nach erhobenem Rechtsvorschlag – anstelle der Beseitigung des Rechtsvorschlags gestützt auf die provisorische Steuerforderung –
        • direkt den definitiven Steuerbetrag in einem Festsetzungsverfahren festlegen (vgl. MWSTG 82; Botschaft zur Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes vom 25.02.2015, BB1 2015 2615ff. + 2662) und
        • gemäss SchKG 79 den Rechtsvorschlag in einer laufenden Betreibung beseitigen (vgl. MWSTG 89 Abs. 3 Satz 2).
  • Definitive Rechtsöffnung
    • Rechtsöffnung nach rechtskräftiger, vollstreckbarer Verfügung
      • Bei Vorliegen einer vollstreckbaren Verfügung der ESTV kann der Rechtsvorschlag nicht mehr beseitigt werden, sondern es ist von der ESTV beim Rechtsöffnungsgericht die definitive Rechtsöffnung zu verlangen (BGE 134 III 115, 120, Erw. 4.1.1; STAEHELIN DANIEL, BSK SchKG Band I, a.a.O., N 16 zu Art. 79 SchKG).
        • Mit der Änderung des MWSTG vom 30.9.2016 (in Kraft seit 01.01.2018) wurde zu SchKG 80 Abs. 2 eine neue Ziffer 5 hinzugefügt.
        • Vollstreckbaren Verwaltungsverfügungen gleichgestellt werden im Bereich der Mehrwertsteuer:
          • Steuerabrechnungen;
          • Einschätzungsmitteilungen, welche durch Eintritt der Festsetzungsverjährung rechtskräftig wurden;
          • Einschätzungsmitteilungen, welche durch schriftliche Anerkennung des Steuerpflichtigen rechtskräftig wurden.
        • Dafür kann nun definitive Rechtsöffnung erteilt werden.
    • Rechtsöffnung für Steuerforderungen, die zuvor nie Gegenstand einer Verfügung waren
      • Eine sich aus dem MWST-Selbstveranlagungsverfahren ergebende Besonderheit:
        • Nicht bloss Verfügungen und Entscheide werden bei der Mehrwertsteuer rechtskräftig,
        • sondern aufgrund des Wesens der Selbstveranlagungssteuer mit Ablauf der Festsetzungsverjährung (vgl. MWSTG 43 Abs. 1 lit. c i.V.m. MWSTG 42 Abs. 1) auch Steuerforderungen, die zuvor nie Gegenstand einer Verfügung waren.
      • Urkunden für die definitive Rechtsöffnung
        • Steuerforderung, die sich aus einer Urkunde ergibt;
        • Steuerabrechnungen;
        • Einschätzungsmitteilungen der ESTV (BGer 2C_805/2013).
      • Vollstreckungsstopp?
        • Wie bei anderen rechtskräftigen Rechtsöffnungstiteln im Verfahren betreffend definitive Rechtsöffnung können nur noch vorgebracht werden:
          • Tilgung;
          • Stundung;
          • Verjährung;
          • SchKG 81 Abs. 1.
      • Gleich verhält es sich mit Einschätzungsmitteilungen,
        • welche durch schriftliche Anerkennung des Steuerpflichtigen rechtskräftig werden (vgl. MWSTG 43 Abs. 1 lit. b).
    • Aufgrund Festsetzungsverjährung rechtskräftige Steuerabrechnung
      • Entstehen der Umsatzsteuerschuld
        • Abrechnung nach vereinbarten Entgelten
          • grundsätzlich
            • mit der Rechnungsstellung (MWSTG 40 Abs. 1 lit. a)
          • Ausnahmen
            • siehe MWSTG 40 Abs. 1 lit. b und c.
        • Abrechnung nach vereinnahmten Entgelten
          • mit der Vereinnahmung des Entgelts (vgl. MWSTG 40 Abs. 2).
      • Festsetzungsverjährung
        • Recht, eine Steuerforderung festzusetzen,
          • 5 Jahre nach Ablauf der Steuerperiode, in welcher die Steuerforderung entstanden ist (Festsetzungsverjährung: MWSTG 42 Abs. 1).
      • Verjährungsunterbrechung
        • Die Verjährung wird durch eine der in MWSTG 42 Abs. 2 aufgeführten Handlungen unterbrochen, und zwar der
          • ESTV;
          • Rechtsmittelinstanz.
        • Mit jeder Unterbrechung beginnt die Frist neu zu laufen und beträgt neu 2 Jahre (vgl. MWSTG 42 Abs. 3).
      • Absolute Verjährung
        • Das Recht zur Steuerforderungsfestsetzung verjährt in jedem Fall 10 Jahre nach Ablauf der Steuerperiode, in der die Steuerforderung entstanden ist (vgl. MWSTG 42 Abs. 6).
      • Rechtskraft
        • Die Steuerforderung wird rechtskräftig durch den Eintritt der Festsetzungsverjährung (vgl. MWSTG 43 Abs. 1 lit. c).
          • Einzig bis zum Eintritt der Rechtskraft können die eingereichten und bezahlten Abrechnungen korrigiert werden (vgl. MWSTG 43 Abs. 2).
          • Die durch Eintritt der Festsetzungsverjährung rechtskräftig gewordene Steuerabrechnung des Steuerschuldners berechtigt zur sog. definitiven Rechtsöffnung (vgl. SchKG 80 Abs. 2 Ziffer 5).
      • Rechtskraftnachweis
        • Die ESTV hat alle Voraussetzungen nachzuweisen, dass eine durch Eintritt der Festsetzungsverjährung rechtskräftig gewordene Steuerabrechnung vorliegt.
      • Bestreitung des Steuerpflichtigen
        • Der Steuerpflichtige kann die Voraussetzungen bestreiten und damit geltend machen, es liege kein Rechtsöffnungstitel vorn
    • Anerkannte Einschätzungsmitteilung
      • Einschätzungsmitteilung keine Verfügung
        • Die Einschätzungsmitteilung stellt keine Verfügung dar.
          • Sie folgt
            • einer steueramtlichen Kontrolle (vgl. MWSTG 78 Abs. 5) oder
            • einer Ermessenseinschätzung (vgl. MWSTG 79 Abs. 2);
        • Diese Einschätzungsmitteilung soll eine Entscheidungsphase ermöglichen, damit zwischen dem Steuerpflichtigen und der ESTV ein informeller Dialog erleichtert wird (vgl. BGE 140 II 202, 205 f., Erw. 5.2 ff.)
      • Ablehnung der Einschätzungsmitteilung
        • Die ESTV darf eine vollstreckbare Verfügung erst erlassen, wenn
          • sich der Steuerpflichtige nicht mit der Einschätzungsmitteilung einverstanden erklärt oder
          • eine der sonstigen Voraussetzungen von MWSTG 82 Abs. 1 nicht vorliegt
        • Vgl. BGE 140 II 202, 208 f., Erw. 6.2
      • Anerkennung der Einschätzungsmitteilung
        • Anerkennt der Steuerpflichtige schriftlich die Einschätzungsmitteilung, so berechtigt dies die ESTV, zusammen mit der schriftlichen Anerkennung, zur definitiven Rechtsöffnung im Sinne von SchKG 80 Abs. 2 Ziffer 5 am Ende.
        • Die ESTV hat den Nachweis zu erbringen, dass eine Einschätzungsmitteilung und eine schriftliche Anerkennung vorliege.
        • Der Steuerpflichtige kann dies bestreiten und damit geltend machen, es liege kein Rechtsöffnungstitel vor (STAEHELIN DANIEL, BSK SchKG I, a.a.O., N 152 zu Art. 80 SchKG).
    • Aufgrund Festsetzungsverjährung rechtskräftige Einschätzungsmitteilung
      • SchKG 80 Abs. 2 Ziffer 2
        • Darüber hinaus berechtigen auf Grund von SchKG 80 Abs. 2 Ziffer 2 alle vollstreckbaren Verfügungen der ESTV gemäss MWSTG 43 Abs. 1 lit. a und 82
          • zur definitiven Rechtsöffnung.
      • SchKG 80 Abs. 2 Ziffer 5
        • Gemäss SchKG 80 Abs. 2 Ziffer 5 soll auch eine durch Eintritt der Festsetzungsverjährung rechtskräftig gewordene Einschätzungsmitteilung zur definitiven Rechtsöffnung berechtigen.
        • Die in SchKG 80 Abs. 2 Ziffer 5 aufgeführten Rechtsöffnungstitel, sofern und soweit sie bestehen,
          • verhindern, dass die ESTV selbst den Rechtsvorschlag beseitigen darf;
          • zwingen die ESTV, den Rechtsöffnungsgericht anrufen zu müssen.
    • Revision
      • Die rechtskräftige Einschätzungsmitteilung unterliegt der Revision, Erläuterung und Berichtigung (vgl. Art. VwVG 66 – 69 + MWSTG 85).
    • SchKG 85a
      • Die negative Feststellungsklage nach SchKG 85a gilt gestützt auf MWSTG 86 Abs. 6 als ausgeschlossen.
      • Ausgeschlossen ist auch die Rückforderungsklage gemäss SchKG 86,
        • weil diese nur für privatrechtliche und nicht für öffentlich-rechtliche Ansprüche zur Verfügung steht (vgl. BANGERT JAN, a.a.O., N 13 zu Art. 86 SchKG)
    • Rückforderung
      • Die Rückforderung von bezahlten MWST-Forderungen richtet sich nach MWSTG 88 Abs. 3.
  • Konkurs
    • Ausgangslage / Forderungseingabe
      • Wurde über das Vermögen der steuerpflichtigen Person der Konkurs eröffnet, so hat die ESTV die Steuerforderung im Konkursverfahren einzugeben, da SchKG 232 Abs. 2 Ziff. 2 auch für öffentlich-rechtliche Forderungen massgebend ist.
    • Rechtsgrund / Verfügungsstadium
      • Rechtskräftige MWST-Forderung
        • Beruht die Forderung auf einer rechtskräftigen Verfügung, so ist sie ohne weiteres zu kollozieren (vgl. HIERHOLZER / KRAMER / SOGO, a.a.O., N 14 zu Art. 247 SchKG).
      • Noch nicht rechtskräftige MWST-Forderung
        • Aufgrund von MWSTG 89 Abs. 2 hat die endgültige Kollokation zu unterbleiben, bis eine rechtskräftige Verfügung vorliegt:
          • Über Bestand oder Umfang der MWST-Forderung hat zunächst die ESTV und nicht die Konkursverwaltung zu entscheiden (vgl. HIERHOLZER DIETER / KRAMER STEFAN / SOLO MIGUEL, a.a.O., N 17a zu SchKG 247).
        • Sind nach Eintritt der Rechtskraft der Verfügung rechtshindernde Tatsachen oder Einreden entstanden,
          • gelangt im Streitfall das Verfahren gemäss MWSTG 89 Abs. 2 zur Anwendung; die ESTV hat eine Verfügung zu erlassen.
    • Kollokation / Kollokationsverfahren
      • Erwahrung der Forderungseingabe
        • Anschliessend hat die Konkursverwaltung zu entscheiden, ob sie die angemeldetes Steuerforderung
          • bestreitet oder
          • anerkennt und kolloziert.
      • Anerkennung und Kollokation durch die Konkursverwaltung
        • Anerkennt die Konkursverwaltung den Anspruch,
          • so kann jeder Konkursgläubiger während der Kollokationsklagefrist analog SchKG 250 Abs. 2 durch eingeschrieben Brief an die ESTV die Forderung bestreiten,
            • worauf diese eine Verfügung über den Anspruch zu erlassen hat.
      • Bestreitung der Steuerforderung durch die Konkursverwaltung
        • Bestreitet die Konkursverwaltung den Anspruch, kommt MWSTG 89 Abs. 2 zur Anwendung:
          • Kollokationsplanauflage
          • Abweisung durch die Konkursverwaltung (Verfügung)
          • Anzeige von Auflage und Abweisung an die ESTV mittels eingeschriebenen Briefes (vgl. SchKG 34 Abs. 1; SchKG 239 Abs. 3).
          • Die ESTV hat dann innert 20 Tagen nach der öffentlichen Auflage des Kollokationsplanes das Verfahren auf Erlass einer Verfügung gemäss MWSTG 82 einleiten (BGE 120 III 147, 149, Erw. 4a bezüglich Art. 45 Abs. 2 VStG, welcher inhaltlich MWSTG 89 Abs. 2 entspricht; BGE 63 III 57, 6f., Erw. 2; HIERHOLZER DIETER / KRAMER STEFAN / SOGO MIGUEL, a.a.O., N 16 zu Art. 247 SchKG).
            • Verfahrenseinleitung durch einfache Mitteilung an die Konkursverwaltung innert der Frist von 20 Tagen (Postaufgabe zur Fristwahrung ausreichend) (vgl. SchKG 31 i.V.m. ZPO 143).
        • Rechtsmittel
          • Gegen die Verfügung kann die Konkursverwaltung die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel erheben:
            • Einsprache VGG 31 und
            • beim Bundesgericht gemäss BGG 82 lit. a und BGG 86 Abs. 1 lit. a (vgl. BGer 2C_265/2018, Erw. 1.1).
  • Steuerarrest
    • Allgemeines
      • Die ESTV kann,
        • wenn einer der in MWSTG 93 Abs. 1 abschliessend genannten Gründe gegeben ist,
          • eine sog. „Sicherstellungsverfügung“ erlassen.
    • Sicherstellungsverfügung als Arrestbefehl
      • Die „Sicherstellungsverfügung“ gilt
        • als Arrestbefehl i.S.v. SchKG 274 SchKG (MWSTG 93 Abs. 3),
          • der vom Betreibungsamt nach SchKG 275 zu vollziehen ist (sog. „Steuerarrest“),
            • ohne dass ein Arrestgrund gemäss SchKG 271 Abs. 1 vorliegt (vgl. BGer 5A_143/201 vom 13.12.2018, Erw. 3.1.1)
    • Prosequierung des Steuerarrests
      • Der Steuerarrest muss – zur Realisation – gemäss SchKG 279 prosequiert werden.
      • Die ESTV kann innert 10 Tagen ab Erhalt der Arresturkunde eine Betreibung auf Sicherheitsleistung (vgl. SchKG 38) einleiten (vgl. SchKG 279 Abs. 1).45
    • Mit der Sicherstellungsverfügung zur definitiven Rechtsöffnung
      • Die Sicherstellungsverfügung berechtigt zur definitiven Rechtsöffnung in dieser Betreibung,
        • sofern sie (zwischenzeitlich) dem Schuldner eröffnet wurde und
        • so vollstreckbar ist.
      • Ist die Sicherstellungsverfügung dem Schuldner nicht eröffnet und nicht vollstreckbar,
        • so beginnt die Frist zur Einleitung der Betreibung erst mit deren Vollstreckbarkeit (SchKG 279 Abs. 4).

Praxisvariante der ESTV

  • Üblicherweise wählt die ESTV das Vorgehen nach SchKG 79:
    • Einleitung der Betreibung;
    • Eigen-Beseitigung des Rechtsvorschlags
    • MWSTG 86 Abs. 3 Satz 2.
  • Gemäss Bundesgericht ist es in Ausnahmefällen zulässig, die Einschätzungsmitteilung mit einer Verfügung zu verbinden.

Materialien

  • Botschaft zur Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes vom 25.2.2015, BB1 2015, 2615 ff., 2668 f.

Literatur

  • HONAUER NIKLAUS / PROBST SIMEON L. / ROHNER TOBIAS F. / FREY PHILIP, Handbuch zum Mehrwertsteuergesetz (MWSTG), Eine Wegleitung für Unternehmen, Steuerberater und Studierende, 4. Auflage, Bern 2024
  • STAEHELIN DANIEL, BSK SchKG I, 3. Auflage, Basel 2021
  • STAEHELIN DANIEL, Zwangsvollstreckung für Mehrwertsteuern, Rechtsschutz in Theorie und Praxis, Festschrift für Stephan Breitenmoser, Basel 2022, S. 519 ff.
  • HIERHOLZER DIETER / KRAMER STEFAN / SOLO MIGUEL, Kommentierung zu Art. 247, in: Staehelin Daniel/Bauer Thomas/Lorandi Franco (Hrsg.), Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs I, Art. 1-158 SchKG, 3. Auflage, Basel 2021, Art. 247 SchKG
  • BANGERT JAN, BSK SchKG I, 3. Auflage, Basel 2021, N 13 zu Art. 86 SchKG
  • LORANDI FRANCO / CAMPONOVO RICO A., Die Kollokation öffentlich-rechtlicher Geldforderungen im Konkurs und beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung, AJP 1993, S. 1473
  • REISER HANS, BSK SchKG I, Auflage, Basel 2021, N 32 Art. 275 SchKG

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