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Sicherungsübereignung

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Einleitung zur Sicherungsübereignung

Rechtsgebiet:
Sicherungsübereignung
Stichworte:
Sicherungsübereignung
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Gegenstand

Sicherungsübereignung

Definition

Sicherungsübereignung   =   fiduziarische Übertragung einer beweglichen oder unbeweglichen Sache durch den Schuldner (oder einen Dritten) als Fiduziant (auch Zedent) an den Gläubiger als Fiduziar (auch Zessionar) zur Sicherung seiner Hauptforderung, mit der Abrede, dass der Gläubiger über den Abtretungsgegenstand nur im Rahmen des Sicherungszweckes verfügen darf und bei Tilgung der Hauptforderung diesen zurück zu übertragen hat

Synonyme:

  • Sicherheitsleistung
  • Übertragung sicherheitshalber

In Französisch:

  • Le transfert de propriété aux fins de garantie

Unterschied zur Sicherungszession

  • Die Sicherungszession hat als Sicherungsgegenstand – anstelle der beweglichen oder unbeweglichen Sachen der Sicherungsübereignung – Forderungen und Rechte; daher kann ergänzend weitgehend auf die Regeln der Sicherungszession verwiesen werden
  • Vgl. Sicherungszession 

Gesetzliche Grundlagen

  • Keine gesetzliche Regelung
  • OR 394 ff. (Auftragsrecht / Treuhandvertrag)
  • ZGB 894 analog (Recht des Faustpfandrechtes)

Rechtsnatur

  • Teil des Systems der Sicherheiten
  • Sicherungsübereignung   =   Verwertungsrecht
    • Innominatkontrakt für spezielle Kreditsicherung
      • Anwendung der Allgemeinen Bestimmungen des OR über die Verträge
      • (sekundäre) Anwendung
        • bestimmter Normen des Faustpfandrechts
        • der Regeln zum einfachen Auftrag
  • „Rechtsfigur des Gewohnheitsrechts mit indirekter gesetzlicher Sanktion“ [vgl. ZOBL DIETER, Kommentar, System. Teil vor ZGB 884, N 1302]

Zulässigkeit der Sicherungsübereignung

Die Sicherungsübereignung wird als zulässig anerkannt, obwohl sie gesetzlich nicht geregelt ist [vgl. BGE 119 II 326 ff.; ZOBL DIETER, Kommentar, System. Teil vor ZGB 884, N 1302, und DE GOTTRAU NICOLAS, Transfert de propriété et cession à fin de garantie: principes et applications dans le domaine bancaire, in: Iynedjian Nicolas, Sûretés et garanties bancaires, Lausanne 1997, S. 177 f.]

Ziele

Umfassende Kreditsicherung

Motive

Sicherungsfunktion

Verbreitung

v.a. im Bank- und Kreditgeschäft sehr verbreitet

Die Sicherungsübereignung hat im Bankbusiness das Faustpfandrecht [ZGB 894 ff.] ziemlich verdrängt

Funktion

Sicherstellung einer Forderung

Charakteristik der Sicherungsübereignung

Fiduziant (Schuldner oder Dritter) überträgt

  • zur Sicherung einer Hauptforderung
  • eine bewegliche oder unbewegliche Sache
  • zu Eigentum an den Fiduziar (Gläubiger)
    • Eigentumsübergang des Sicherungsgegenstands an den Gläubiger, d.h. es entsteht ein sog. „Sicherungseigentum“ (anders als beim (Faust-)Pfandrecht, wo der Pfandbesteller Eigentümer bleibt) [vgl. BGE 117 II 429 ff.]
    • Gläubiger (Fiduziar) erhält die Stellung eines Eigentümers
      • Veräusserung oder Belastung der Sache > Disposition gültig / Fiduziant darf in der Regel die Sache nicht veräussern, ausser bei seiner Nichtbefriedigung / Schadenersatzpflicht des Gläubigers
      • Nutzung und Gebrauch der Sache > zulässig (überschiessende Rechtsmacht); durch die obligatorische Abrede verbleiben Nutzung und Gebrauch meistens beim Schuldner [vgl. hiezu auch BGE 119 II 326 ff.]; vorbehältlich anderer Abrede hat der Fiduziar dem Fiduzianten die Früchte herauszugeben
      • Konkurs des Gläubigers > Sicherungsgegenstand fällt in die Konkursmasse > Fiduziant steht das Aussonderungsrecht zu [vgl. BGE 117 II 429 ff., Sicherungsübereignung / Sicherungszession  
  • zur abredegemässen Verwendung
  • bis zur allf. Verwertung bzw. Rückübertragung infolge Beendigung des Sicherungsgeschäfts an den Fiduzianten (Schuldner oder Dritter)
    • Fiduziar ist gegenüber Dritten vollberechtigt; er hat die Verfügungsmacht, die übertragene Sache abredegemäss zu verwenden
    • Stärkere Rechtsstellung des Fiduziars (Gläubiger) bei der Sicherungsübereignung als beim Faustpfandrecht

Sicherungs-Gegenstand

  • jede bewegliche oder unbewegliche Sache
    • Gegenstände, an denen auch ein Faustpfandrecht bestellt werden könnte
  • Inhaber- oder Ordrepapier

Sicherungsübereignung eines Grundstücks:

Nach heutiger Auffassung kein Verstoss gegen ZGB 793 Abs. 2 und damit zulässig [vgl. BGE 86 II 221 ff.; vgl. auch BGE 56 II 444 ff.]

Abweichende Handhabung:

Namenpapiere werden mittels Sicherungszession auf den Zessionaren (Gläubiger) übertragen [vgl. OR 967 Abs. 2]

Voraussetzungen der Sicherheit

  • Übertragbarkeit der beweglichen Sachen (für Realisation des Verwertungsrechts)
  • in der Regel Werthaltigkeit

Drittsicherheit

Vgl. Drittpfand | drittpfand.ch

Hauptforderung

  • eine beliebige, gegenwärtige oder künftige Forderung
    • künftige Forderung muss bestimmt oder bestimmbar sein
    • Gegenstand einer Hauptforderung kann auch eine bloss mögliche Forderung sein
  • Schranken hinsichtlich zukünftiger Forderungen
    • Zulässigkeit nur solcher künftiger Forderungen, mit deren Begründung die Parteien im Zeitpunkt der Pfandbestellung rechnen mussten und durften

Gläubiger (Fiduziar)

Darlehens- oder Kreditgeber

Schuldner (Fiduziant)

Darlehens- oder Kreditschuldner / ev. Dritter

Pfandbestellung

Rechtsgeschäftliche Errichtung

  • Verpflichtungsgeschäft
    • Sicherungsabrede (= causa; Rechtsgrund für die Eigentumsübertragung; vgl. BGE 86 II 221 ff.), auch als sog. „Sicherungsverkauf“ (Verkauf der Sache an den Gläubiger unter Vereinbarung eines Rückkaufsrechts) denkbar; vgl. www.vorkaufsrecht.ch/rueckkaufsrecht
    • Rechtsnatur
      • Treuhandvertrag (fiduziarische Abrede)
      • Anwendbarkeit des Kausalitätsprinzips (Abhängigkeit der Sicherheitsübereignung von der Gültigkeit der Sicherungsabrede)? Überwiegende Lehrmeinung geht davon aus, dass das „Sicherungseigentum“ zur gesicherten Forderung nicht in einem akzessorischen Verhältnis steht
    • Inhalt
      • Bezeichnung der zu sichernden Hauptforderung und des Sicherungsgegenstandes (bewegliche oder unbewegliche Sache)
      • Verpflichtung des Schuldner bzw. Dritten (Fiduzianten), die vereinbarte Sicherheit (bewegliche oder unbewegliche Sache) an den Gläubiger (Fiduziar) zu übertragen
      • Verpflichtung des Gläubigers, nur im Rahmen des Sicherungszwecks von der Sache Gebrauch zu machen und diese bei Erlöschen der Hauptforderung zurück zu übertragen
    • Form
      • Bewegliche Sachen
        • Formfrei [vgl. OR 165 Abs. 2 und OR 11 Abs. 1]
        • Empfohlene Form: Schriftform; bei Banken bestehen meistens Formularverträge
      • Grundstücke (unbewegliche Sache; selten)
        • Öffentliche Beurkundung
  • Verfügungsgeschäft
    • =   Erfüllung der Sicherungsabrede
      • Übertragung der beweglichen oder unbeweglichen Sache auf den Gläubiger
      • Form
        • Grundstücke (unbewegliche Sache; selten)
          • Grundbuchanmeldung / Grundbucheintrag
        • Schuldbriefe / Wertpapiere
          • Inhaberpapier (causa + Besitzesübergabe)
          • Ordrepapier (causa, Indossament + Besitzesübergabe)
        • Andere bewegliche Sachen
          • Nach den zutreffenden Übertragungsformen
      • Sicherungsübereignung durch Besitzeskonstitut wird als unwirksam beurteilt, zumindest Dritten gegenüber, da dadurch das sog. „Faustpfandprinzip“ umgangen wird [vgl. ZGB 717 analog; vgl. auch BGE 119 II 326 ff.]
        • Besitzeskonstitut kann zulässig sein, wenn es nicht der Sicherung einer Forderung dient [vgl. ZOBL DIETER, a.a.O., N 1408, GVP SG 1996, Nr. 39, S. 96 (HG SG), und BlSchK 66 (2002) S. 75 ff.

Verwertungsrecht

  • Befugnis des Gläubigers, bei Nichtbezahlung der gesicherten Forderung
    • sich aus der sicherheitshalber übertragenen beweglichen oder unbeweglichen Sache bezahlt zu machen und
    • einen allfälligen Überschuss herauszugeben

Voraussetzungen

  • Fälligkeit (nicht aber Verzug) der Hauptforderung

Verwertung

  • Grundsatz
    • Im Falle eines sicherungsübereigneten Schuldbriefes muss der Gläubiger zunächst mittels Betreibung auf Pfandverwertung die Schuldbriefforderung geltend machen, sofern die Parteien nicht durch eine ausdrückliche Vereinbarung die Einrede es beneficium excussionis realis ausgeschlossen haben
    • Vgl. BGE 140 III 180 ff. (BGE 5A_686/2013) = Pra 2014 Nr. 113)
  • Einrede des beneficium excussionis realis
    • Der Richter prüft die erhobene Einrede des beneficium excussionis realis im Rahmen der ordentlichen Betreibung sowohl im Verfahren der provisorischen als auch in demjenigen der definitiven Rechtsöffnung
    • Vgl. BGE 140 III 180 ff. (BGE 5A_686/2013) = Pra 2014 Nr. 113)
  • Verwertungsart
    • Freihandverkauf
    • Freiwillige Versteigerung
    • Selbsteintritt
    • Weiteres gemäss Sicherungsübereignungsvertrag
  • Abrechnungspflicht des Fiduziars
  • Pflicht zur Ueberschuss-Herausgabe [vgl. BGE 119 II 326 ff.; siehe auch oben]

Persönliche Haftung

  • Fiduziarin darf grundsätzlich nicht auf das Vermögen des Schuldners greifen, bevor der Sicherungsgegenstand verwertet ist [ZOBL DIETER, a.a.O., N 1491]
  • Der Schuldner haftet also sekundär mit seinem sonstigen Vermögen fort
  • Der Schuldner kann sich u.E. auch auf das Prinzip des beneficium excussionis realis berufen [vgl. SchKG 41 Abs. 1], wonach vor einer persönlichen Inanspruchnahme die Sicherungsübereignung zu realisieren ist

Untergang

  • Tilgung der Forderung / Rückübertragung der Sicherheit (nur obligatorischer Anspruch)
    • Schulderlass
    • Neuerung (Novation)
    • Vereinigung
    • Unmöglichkeit
  • Verzicht des Gläubigers auf die Sicherstellung / Rückübertragung der Sicherheit
  • Realisation des Sicherungsgegenstandes (private Zwangsverwertung)
    • Herausgabe eines allf. Überschusses nach erfolgter Verwertung

Verjährung der Hauptforderung

  • Verjährungsunterbrechung
    • Durch die Sicherungsübereignung wird u.E. die Verjährung unterbrochen [vgl. OR 135 Ziffer 1], bewirkt doch der Abschluss der Sicherungsabrede die Anerkennung der Forderung
  • Sicherheitsrealisation trotz Verjährung
    • Die Verjährung der Hauptforderung hindert den Gläubiger (Fiduziar) nicht an der Geltendmachung der Sicherheit [vgl. OR 140]

Literatur

  • BLASS JÜRG, Die Sicherungsübereignung im schweizerischen Recht, Diss. Zürich 1953, 168 S.
  • BUERGI URS, Strategien und Probleme bei der Zwangsvollstreckung von verpfändeten Grundstücken, in: Berner Bankrechtstag 1996,
    BBT Band 3, Theorie und Praxis der Grundpfandrechte, Bern 1996, S. 159 ff.
  • DE GOTTRAU NICOLAS, Transfert de propriété et cession à fin de garantie: principes et applications dans le domaine bancaire, in: Iynedjian Nicolas (Hrsg.), Sûretés et garanties bancaires, Lausanne 1997, S. 173 ff.
  • FOEX BENEDICT, Les actes de disposition sur les cédules hypothécaires, in: Hotelier Michel / Foex Benedict (Hrsg.), Les gages immobiliers – Constitution volontaire et réalisation forcée, Basel / Genf / München 1999, S. 113 ff. (121 ff.).
  • GAUCH PETER / SCHLUEP WALTER / SCHMID JÖRG, Nr. 1024 ff. (zum fiduziarischen Rechtsgeschäft).
  • JÄGGI PETER / GAUCH PETER, N 176 ff. zu Art. 18 OR (zum fiduziarischen Rechtsgeschäft).
  • KRAMER STEFEAN, N 118 ff. zu Art. 18 OR (zum fiduziarischen Rechtsgeschäft).
  • OFTINGER KARL / BÄR ROLF, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 234 ff.
  • STEINHAUER PAUL-HENRI, Band III, Nr. 3047 ff.
  • THÉVÉNOZ LUC, La fiducie, cendrillon du droit suisse – Propositions pour une réforme, in: Schweizerischer Juristenverein, Referate und Mitteilungen 129 / 1995, S. 253 ff., besonders S. 302 ff. (=ZSR NF 114 / 1995 II S. 253 ff.).
  • VOLLENWEIDER MARKUS F., Die Sicherungsübereignung von Schuldbriefen als Sicherungsmittel der Bank, Diss. Freiburg 1994 (AISUF Band 141).
  • WATTER ROLF, Die Treuhand im Schweizer Recht, in: Schweizerischer Juristenverein, Referate und Mitteilungen 129/1995, S. 179 ff. (=ZSR NF 114/1995 II S. 179 ff.).
  • WIEGAND WOLFGANG, Eigentumsvorbehalt, Sicherungsübereignung und Fahrnispfand, in: Wiegand Wolfgang (Hrsg.), Mobiliarsicherheiten, Berner Bankrechtstag 1998, Bern 1998, S. 75 ff.
  • WIEGAND WOLFGANG, Fiduziarische Sicherungsgeschäfte, ZBJV 116/1980, S. 537 ff.

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