Ausganglage
Die Einflussnahme der Banken auf das Kreditschuldner-Verhalten – mit oder ohne Stillhalteabkommen – bergen stets das Risiko in sich, dass diese Einflussnahmen als faktische Organstellung gewertet werden können. Heute sind die meisten Banken vorsichtig und verhindern mit allen Mitteln die Begründung einer faktischen Organstellung. Hiezu schlagen sie dem Kreditnehmer Sanierungsberater vor, die ihnen personell nahestehen (ehemalige Mitarbeiter) oder über deren Kontakt dann die Einflussnahme erfolgt (siehe auch die Informationen in der Box).
Keine faktische Organschaft
Kreditgeberrolle
- Beschränken sich die kreditgebenden Banken auf die Kreditgeberrolle, qualifizieren sie sich nicht als faktisches Organ
- Die Verfolgung der Gläubigerstellung und die Wahrung der Gläubigerinteressen bewirkt jedenfalls keine faktische Organschaft
Eigentliches Stillhalten
- Das Stillhalten ist in Bezug auf eine faktische Organschaft unbedenklich
Sanierungsbeiträge
- Das Leisten von Sanierungsbeiträgen schadet den Banken ebenfalls nicht
Banken als schuldvertragliche Partner des Kreditnehmers
- Kontrahieren Banken zur Wahrung ihrer legitimen Gläubigerinteressen mit dem Kreditnehmer, kann ihnen dies mit Bezug auf die aktienrechtliche Verantwortlichkeit nicht zum Nachteil gereichen
- Vorbehalten bleibt aber die paulianische Anfechtung
- Vgl. siehe oben, Paulianische Anfechtung
Einflussnahme auf vertragliche Verpflichtungen
- Eine Einflussnahme der Banken auf vertragliche Verpflichtungen des Kreditnehmers erscheint dann noch nicht als Organhandlung, wenn dadurch keine Einmischung in die Geschäftsführung des Kreditnehmers stattfindet
- Einzelfallprüfung erforderlich
Faktische Organschaft
Die kreditgebende Bank kann hingegen zum faktischen Organ des Kreditnehmers mutieren, wenn sie sich in den Entscheidungsprozess des Kreditnehmers einbinden lässt, nämlich:
- institutionalisierte Teilnahme
- zB Einsitznahme in Steering Committee
- Teilnahme in regelmässiger Form
- Ausbedingung von Genehmigungsvorbehalten
Kommt den Banken die faktische Organstellung zu, wirkt die Verfolgung eigener Interessen haftungsbegründend.
Die Frage nach der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit wegen
- Verstosses gegen die Verpflichtung zur Überschuldungsanzeige (OR 725 Abs. 2)
ist im konkreten Einzelfall, vor allem auch unter dem Blickwinkel der „Konkursverschleppung“.
Weitere Haftungsvoraussetzungen
Die weiteren Haftungsvoraussetzungen für den Fall der faktischen Organstellung der Banken sind schliesslich:
- Schaden
- Pflichtwidrigkeit
- Verschulden
- Adäquater Kausalzusammenhang
Alles Weitere können Sie unter den in der Box genannten Links nachsehen.
Don‘ts für Bankenvertreter
- Verpflichtungen zur Vornahme oder Unterlassung von Geschäftsführungshandlungen
- Gefordert ist Sorgfalt bei Redaktion des Stillhalteabkommens
- Genehmigungsvorbehalte
- Nur Konsultationspflicht
- Entscheidungsbefugnis sollte bei den Organen des Kreditnehmers verbleiben
- Teilnahme an VR-Sitzungen
- Trennung der Sitzung in zwei Teile
- Bankenvertreter-Konsultation und
- VR-Sitzung mit VR-Beschlussfassung
- Trennung der Sitzung in zwei Teile
- Keine organtypischen Entscheide in Steering Committee
- Lassen sich solche Entscheide nicht vermeiden, sollten die Bankenvertreter in den Ausstand treten
Weiterführende Informationen
Literatur
- WOLF MARKUS, Stillhalteabkommen kreditgebender Banken – Ein Beitrag zum Unternehmenssanierungsrecht, Diss. Zürich / St. Gallen 2012, S. 143 ff.
Links
- Faktische Organschaft
- Aktienrechtlliche Verantwortlichekeit | aktiengesellschaft.ch
- Exkurs: Faktische Unternehmensführung
- Bankenhaftung aus Kreditverhalten
- Sicherungszedent in Zahlungsschwierigkeiten
Hinweis zu den von Banken empfohlenen Sanierungsberatern (sog. „eingeordnete Berater“)
- Die von den Banken angeregten Sanierungsberater sind in aller Regel im Auftrag des Kreditnehmers tätig
- Oft geben die Banken die Honorarzahlungen an solche Sanierer kreditlinienunabhängig zu Lasten des Kreditnehmers frei
- Für die gebeutelten Organe der Kreditnehmer ist nicht immer und sofort ersichtlich, ob diese Sanierungsberater die Interessen der Bank(en) oder des Auftraggebers verfolgen
- Eine abgetiefte Abklärung ist bei Desinvestitionen, die ein bankempfohlener Sanierer vorschlägt, erforderlich, die einzig die Kreditsaldi der Banken reduzieren
- Die Instruktionsunterlagen sind Eigentum des Kreditnehmers, ebenso die auf Kosten des Auftraggebers produzierten Unterlagen
- Gerät der Kreditnehmer in Konkurs, ist den geschädigten Gläubigern zu empfehlen, die Auftragsunterlagen des Sanierers durch die Konkursverwaltung konfiszieren zu lassen, falls sie sich später die Rechtsansprüche der Konkursmasse gegen die Banken und den Sanierungsberater abtreten lassen wollen
- Vgl. SchKG-Abtretung