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Strafprozess / Strafverfahren

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Beschleunigungsgebot (StPO 5)

Rechtsgebiet:
Strafprozess / Strafverfahren
Stichworte:
Beschleunigungsgebot, strafbare Handlungen, Strafprozess, Strafprozessrecht, Strafverfahren
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG
  • Dauer
    • Grundsatz
      • Die Dauer des Beschleunigungsgebots gilt
        • von der offiziellen Mitteilung an den Betroffenen, wonach gegen ihn ein Strafverfahren durchgeführt werde,
        • bis zur rechtskräftigen Verfahrenserledigung,
          • d.h.
            • Einstellung
            • Urteil
    • Härtefälle
      • Zu berücksichtigen ist, dass in Haftfällen zum Teil kürzere Fristen gelten:
        • Festnahme durch die Polizei
          • «Entlassung oder Zuführung erfolgen in jedem Falle spätestens nach 24 Stunden; ging der Festnahme eine Anhaltung voraus, so ist deren Dauer an die Frist anzurechnen» (StPO 219 Abs. 4)
        • Bestätigung Tatverdacht und Haftgründen
          • «Bestätigen sich der Tatverdacht und die Haftgründe, so beantragt die Staatsanwaltschaft dem Zwangsmassnahmengericht unverzüglich, spätestens aber innert 48 Stunden seit der Festnahme, die Anordnung der Untersuchungshaft oder einer Ersatzmassnahme. Sie reicht ihren Antrag schriftlich ein, begründet ihn kurz und legt die wesentlichen Akten bei» (StPO 224 Abs. 2).
        • Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts
          • „Das Zwangsmassnahmengericht entscheidet unverzüglich, spätestens aber innert 48 Stunden nach Eingang des Antrags» (StPO 226 Abs. 1).
    • Verletzung des Beschleunigungsgebots
      • Für die Feststellung des Beschleunigungsgebots sind die individuell konkreten Verhältnisse massgebend und dabei miteinzubeziehen:
        • Komplexität des Streitfalles
          • Umfang der notwendigen Untersuchungshandlungen
          • Veränderte Verhältnisse
        • Schwere des Tatvorwurfs
        • Bedeutung des Tatvorwurfs für den Beschuldigten
        • Verhalten des Beschuldigten im Verfahren
          • Verursachung der Verzögerungen durch den Beschuldigten?
          • Anzahl und Dauer der unnötigen Zeitverluste zwischen den einzelnen Prozesshandlungen.
    • Kein Anspruch auf dauernde Beschäftigung der Behörden und Gerichte mit dem Straffall
      • Behörden und Gerichte können sich nicht jedem Fall permanent widmen.
      • Bei intensiver Befassung können aber auch Zeitverluste wieder kompensiert werden.
    • Abschluss der Untersuchung
      • Das Strafverfahren sollte nach Abschluss der Untersuchung an den Sachrichter überwiesen werden:
        • innert kurzer Frist
        • binnen weniger Wochen
        • ein paar Monate nicht übersteigend.
    • Beschleunigungsgebot in Haftsachen
      • Laut bundesgerichtlicher Rechtsprechung wird das Beschleunigungsgebot in Haftsachen verletzt,
        • in einem weder schwierigem noch komplexen Fall,
        • zwischen Anklageerhebung und Ansetzung der erstinstanzlichen Hauptverhandlung
        • mehr als 6 Monate verstreichen
      • Vgl. BGer 1B_673/2021 vom 30.12.2021, Erw. 3.4
  • Folgen der Verletzung des Beschleunigungsgebots
    • Erwähnung
      • Die Verletzung des Beschleunigungsgebots ist im Dispositiv des Gerichtsurteils festzustellen.
    • Verfahrensmassnahmen
      • Der Haftrichter kann ggf.
        • prozessuale Anordnungen treffen
        • Ansetzung von Fristen für ausstehende Verfahrenshandlungen (vgl. BGE 13/IV 92, Erw. 3).
    • Verfahrenseinstellung
      • Bei einer schwerwiegenden Verletzung des Beschleunigungsgebots besteht die Möglichkeit, das Verfahren einzustellen
      • Vgl. BGE 143 IV 373, Erw. 1.4.2
    • Strafreduktion oder Strafverzicht
      • Die Verletzung des Beschleunigungsgebot kann auch zur Einflussnahme in der Hauptsache führen:
        • Strafreduktion
        • Verzicht auf die Strafe (als ultima ratio)
        • Verfahrenseinstellung
      • Vgl.
        • BGE 133 IV 158, Erw. 8
        • BGer 6B_676/2011 vom 07.02.2012, Erw. 4.5.1
    • Haft bzw. Überhaft
      • Sofern keine Überhaft droht, hat eine Haftentlassung nur ausnahmsweise zu erfolgen.
        • BGer 1B_381/2011 vom 05.08.2011.
      • Zur Strafreduktion als angemessene Wiedergutmachung beim vorzeitigen Massnahmenvollzug des Beschuldigten aus anderem Grund: BGE 143 IV 373, Erw. 1.4.
    • Verzicht auf Verfahrenskosten oder Genugtuung
      • Je nach Situation können bei einer Verletzung des Beschleunigungsgebots auch in Frage kommen:
        • Reduktion oder Verzicht der Verfahrenskosten
        • Genugtuung
  • Konzentrationsmaxime
    • Ganz im Sinne des Beschleunigungsgebots wirkt die Konzentrationsmaxime (vgl. StPO 340 Abs. 1):
      • Grundsatz der Einheit der Verhandlung
        • Es soll das Hauptverfahren ohne unnötige Unterbrechungen durchgeführt werden

Literatur

  • SCHNELL BEAT / STEFFEN SIMONE / BÄEHLER JUERG, Schweizerisches Strafprozessrecht in der Praxis – Theorie, Rechtsprechung und Musterdokumente, Bern 2024, S. 15 ff.
  • VETTERLI LUZIA, Beschleunigungsverbot in: ius.focus, 7/2017, Nr. 186, S. 26

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