Definition
Subsidiäre, zivilrechtliche Haftung des Erstunternehmers bei Nichteinhaltung der minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen eines (in- oder ausländischen) Subunternehmers innerhalb der Vergabekette.
Gesetzliche Grundlagen
EntsG 5 | admin.ch
- Bundesgesetz über die flankierenden Massnahmen bei entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und über die Kontrolle der in Normalarbeitsverträgen vorgesehenen Mindestlöhne; SR 823.20
EntsV | admin.ch
- Verordnung über die in die Schweiz entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer; SR 823.201
Schema
Übersicht Haftungsvoraussetzungen
- Erstunternehmer (subsidiäres Haftungssubjekt)
- Subunternehmer (primäres Haftungssubjekt)
- Arbeiten des Bauhaupt- / Baunebengewerbes
- Nichteinhaltung der Mindestlohn-Vorschriften / Arbeitsbedingungen (Pflichtverletzung)
- Nichtbelangbarkeit des Subunternehemrs (Subsidiarität)
-
- Erfolglosigkeit
- Unmöglichkeit
-
- Misslingen des Entlastungsbeweises
Haftungsvoraussetzung 1: Erstunternehmer
Als „Erstunternehmer“ gilt der Vertragspartner des Bauherrn.
Erstunternehmer kann dabei sein (EntsG 5 I):
- Totalunternehmer (TU)
- Generalunternehmer (GU)
- Hauptunternehmer
Haftungsvoraussetzung 2: Beizug eines Subunternehmers
Vgl. Subunternehmer / Abgrenzung zu Werkstofflieferanten
Haftungsvoraussetzung 3: Arbeiten des Bauhaupt- / Baunebengewerbes
Voraussetzung sind Arbeiten des Bauhaupt- oder Baunebengewerbes. In EntsV 5 werden als Beispiele („namentlich“) hierfür aufgeführt:
- Aushub
- Erdarbeiten
- Eigentliche Bauarbeiten
- Errichtung / Abbau von Fertigbauelementen
- Einrichtung oder Ausstattung
- Umbau
- Renovierung
- Reparatur
- Abbauarbeiten / Abbrucharbeiten
- Wartung
- Instandhaltung (Maler- und Reinigungsarbeiten)
- Sanierung
Haftungsvoraussetzung 4: Nichteinhaltung Mindestlohn-Vorschriften oder Arbeitsbedingungen
Nichteinhaltung von Mindestlohn-Vorschriften:
Gehaftet wird zum Einen für die Nichteinhaltung von Mindestlohn-Vorschriften. Als „Minimale Entlöhnung“ wird der Mindest-Netto-Lohn verstanden, welcher sich ergeben kann aus:
- Bundesgesetzen
- allgemeinverbindlich erklärten GAV
- Normalarbeitsverträgen
Hinweis
Details in EntsG 2 und EntsV 1 und 8a.
Nichteinhaltung von bestimmten Arbeitsbedingungen:
Gehaftet wird sodann für die Nichteinhaltung von Arbeits- und Ruhezeit-Bestimmungen gemäss
- Bundesgesetze
- allgemeinverbindlich erklärte GAV
- Normalarbeitsverträge
Es handelt sich dabei insbesondere um Regelungen über
- die ordentliche Dauer der Arbeit
- Verteilung der ordentlichen Dauer der Arbeit
- Überstunden- Schicht-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit
- Ruhezeit und Pausen
- Reise- und Wartezeit
Hinweis
Details in EntsG 2.
Haftungsvoraussetzung 5: Erfolgloses oder nicht mögliches Belangen des Subunternehmers (Subsidiarität)
Eine Haftung des Hauptunternehmers kommt nur dann in Frage, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber (Subunternehmer) vorgängig erfolglos belangt hat, oder diesen nicht belangen konnte.
Problem
- Vom Gesetzgeber bewusst keine Definition in Gesetz oder Verordnung
- Auslegung durch Zivilgerichte notwendig
- Vgl. ähnliche Regelung bei Ausfallbürgschaft (OR 495 III):
- definitiver Verlustschein
- Wohnsitzverlegung ins Ausland und kein Belangen in CH möglich
- Wohnsitzverlegung im Ausland und damit verbundene erhebliche Erschwerung der Rechtsverfolgung
- ABER: EntsG 5-Haftung gerade hauptsächlich für den Fall des ausländischen Subunternehmers vorgesehen, daher fraglich ob Analogie passend.
Haftungsvoraussetzung 6: Misslingen des Entlastungsbeweises
Dem in Anspruch genommenen Erstunternehmer steht die Möglichkeit eines Entlastungsbeweises offen (EntsG 5 III):
Eine Haftung entfällt, wenn der Erstunternehmer nachweisen kann, dass er bei der Weitergabe der Arbeiten die nach den Umständen gebotene Sorgfalt in Bezug auf die Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen angewendet hat.
Vgl. Sorgfaltspflicht gemäss Entsendegesetz