Bei vollmachtloser Stellvertretung ergeben sich folgende Implikationen:
Grundsatz
- Keine Vertretungswirkung ohne nachträgliche Genehmigung
- vgl. OR 38
- Anwendungsbereich
- Vertragsabschlüsse
- Analog auch für andere Handlungen (Betreibungshandlungen, vgl. BGE 107 III 49 ff.)
- Für den Vertretenen: Keine Bindungswirkung
- Vertretungshandlung wirkt weder für noch gegen den Vertretenen
- Für den Dritten: Gebundenheit für den Fall der nachträglichen Genehmigung durch den Vertretenen
- vgl. OR 38 Abs. 2
- alles künftige hängt vom Vertretenen ab
- Dritter kann dem Vertretenen eine angemessene Frist für die Erklärung über die Genehmigung ansetzen (vgl. OR 38 Abs. 2)
- Keine Antwort auf Fristansetzung = stillschweigende Ablehnung = Dritter ist nicht mehr an die mit dem vollmachtlosen Stellvertreter geschlossen Vereinbarung gebunden
- Ablehnung
- ausdrücklich oder stillschweigend
- keine Schadenersatzpflicht des Vertretenen
- Ausnahmen:
- Schadenersatz aus culpa in contrahendo
- Hilfspersonenhaftung (Handeln des Vertreters ohne Vollmacht, aber als Gehilfe / OR 101)?
- Nachträgliche Genehmigung ersetzt Vollmacht
- = rechtsgeschäftliche Willenserklärung
- Auch bei formbedürftigen Rechtsgeschäften kein besonderes Formerfordernis
- Vorbehalts- und bedingungslose Erklärung erforderlich
- Wirkung ab nachträglicher Genehmigung (ex nunc)
Ausnahme
- Vertretungswirkung ohne Genehmigung
- Ausnahmsweise Vertretungswirkung trotz fehlender Vollmacht
- Fälle des Gutglaubensschutzes Dritter
- Voraussetzungen / Merkmale
- Vollmachts-Kundgabe durch den Vertretenen
- Dritter stützt sich auf die ihm kundgegebene Vollmacht
- Guter Glauben des Dritten / keine Entgegenhaltung der fehlenden Vollmacht = guter Glaube heilt den Mangel und begründet Vertretungswirkung
- Einzelne Fälle
- Rechtsscheinvollmachten
- Dem Dritten kundgegebene Vollmacht geht weiter als die erteilte Vollmacht (vgl. OR 33 Abs. 3)
- Der Vertreter macht eine Vollmacht kund, die nicht erteilt wurde (vgl. OR 33 Abs. 3)
- Duldungsvollmachten
- Stillschweigende Bevollmächtigung
- Vollmacht ist vom Vertretenen ganz oder teilweise widerrufen, ohne dem Dritten den Widerruf mitzuteilen (vgl. OR 34 Abs. 3)
- Anscheinsvollmacht
- Vertreter hat weder den Willen zur Vollmachterteilung noch Kenntnis vom Auftreten eines anderen als seinem Vertreter, aber dessen Handeln bei Sorgfalt hätte erkennen müssen und verhindern können
- Vgl. ferner Anscheinsvollmacht
- Rechtsscheinvollmachten
- Voraussetzungen / Merkmale
- Erloschene Vollmacht
- Vgl. OR 37
- Grundsatz
- Vertretungswirkung von Gesetzes wegen, solange das Erlöschen der Vollmacht dem Bevollmächtigten nicht bekannt gegeben wurde (vgl. OR 37 Abs. 1)
- Ausnahme
- Kenntnis des Dritten vom Erlöschen der Vollmacht (vgl. OR 37 Abs. 2); gleichgestellt sind das Kennenmüssen des Dritten bei gebotener Aufmerksamkeit (vgl. OR 3 Abs. 2)
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
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