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Sozialversicherungsrecht

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Keine Arbeitslosenleistung bei Abgangsentschädigung in Millionenhöhe

Datum:
01.10.2019
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht
Stichworte:
Arbeitslosenversicherung, Sozialversicherungsrecht
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

AVIG 8 Abs. 1 lit. b, AVIG 11 Abs. 1 und 3, AVIG 11a und AVIV 10a un 10b

Einleitung

Zwischen A. und der Arbeitslosenkasse des Kantons Wallis war strittig, ob die bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses im gegenseitigen Einvernehmen geleistete Abgangsentschädigung durch Mitarbeiterbeteiligung in Form von «restricted stock units» (RSU) und «stock options» (SO) im vorliegenden Fall als freiwillige Leistung des Arbeitgebers im Sinne von Art. 11a AVIG zu qualifizieren sei.

Sachverhalt

Arbeitsverträge und Konditionen

Mit Vertrag vom 08.09.2005 («Employment agreement») wurde A., geboren 1957, von der Gesellschaft B. AG als Vizepräsident und Finanzdirektor für Europa per 01.12.2005 angestellt. Die Gesellschaft B. AG besass die 2002 erworbene Gesellschaft C. S.a.r.l. et Cie.

Der Vertrag sah vor:

  • einen Grundlohn von jährlich Fr. 320 000.–
  • eine Beteiligung an einem Gewinnbeteiligungsplan der Mitarbeiter («Company-Wider Employee Incentive Plan»)
    • Auszahlung der Beteiligung (eIP bonus) auf Grundlage von individuellen Zielen sowie Ergebnissen der Gesellschaft
    • Quantitativ: bis zu 35 % (dann 45 %) des Grundlohnes
    • Teilnahme an einem von seinem Arbeitgeber vorgeschlagenen Plan, der den Erwerb von Beteiligungen der Gesellschaft erlaubt, und zwar in der Form von:
      • «restrictet stock units» (RSU) oder
      • Anwartschaften auf Mitarbeiteraktien sowie
      • «stock options» (SO) oder
      • Kaufoptionen
  • vom Arbeitgeber nach Ermessen qualifizierte Bonus zu erhalten.

Mit als «Secondment to Luxembourg» betitelten Vertrag vom 18.02.2013 wurde zwischen den Parteien vereinbart:

  • Einsatz von A. für eine Dauer von ungefähr 36 Monaten vom 18.02.2013 im Auftrag der Gesellschaft C. gemäss folgendem Wortlaut in Luxemburg:
    • «We anticipate your international socondment assignment to Luxembourg will begin on or | about February 18, 2013 for a duration ob approximately 36 months, with a return date to be determinet at a later date. This time frame may be adjustet, if necessary, in accordance with you and B.’s needs.»
    • Präzisierung, dass A. ein Arbeitnehmer der schweizerischen Körperschaft, nämlich B. AG, blieb
    • Die Bedingungen des ursprünglichen Arbeitsvertrages blieben gültig, sofern sie nicht durch das «Secondment to Luxembourg» ausdrücklich geändert worden waren
    • Nach dem Ende der Abordnung sollten die Konditionen vollständig anwendbar bleiben
    • Der Jahreslohn betrug dann Fr. 412 000.–.

Auflösung des Arbeitsverhältnisses in gegenseitigem Einvernehmen

Am 25.08.2015 entschieden sich die Parteien in gegenseitigem Einvernehmen mit einem «Separation Agreement», ihre vertraglichen Beziehungen zu beenden. Auflösungsgrund bildete die Restrukturierung der Gesellschaft.

Die Parteien sahen folgendes vor:

  • Lohnzahlung bis zum 31.08.2015
  • Abgangsentschädigung zum Ausgleich aller Ansprüche im Betrag von Fr. 1 490 000.– in zwei Tranchen, nämlich
    • 990 000.– vor dem 01.12.2015
    • Saldo von Fr. 50 000.– während des Monats Januar 2016.
Rémunération autre qu’en capital (non-equity) et en capital (equity)

Non-equity «Pay in lieu of salary»

Septembre 2015 – février 2016

36 891 fr.65 x 6

 

221 350 fr.00

 

«Pay in lieu of Benefits»

Septembre 2015 – février 2016

– Assurance-maladie

– Allocations familiales

– ?

– Assurance-accident

TOTAL

4729 x 6

 

620 fr.00

580 fr.00

3504 fr.80

25 fr.00

4729 fr.80

28 378 fr.80

 

 

 

 

 

 

Bonus 2015 442 700 x 45% 199 215 fr.00
Bonus 2016

Pro rata janvier et février 2016

442 700 x 45% / 6

 

33 202 fr. 50

 

Indemnité

Six mois salaire et bonus

442 700 x 145% / 2

 

320 957 fr.50

 

TOTAL

«non-equity»

803 103 fr.80

 

TOTAL

«equity»

Vesting entre le 31 août 2015

et le 30 avril 2016

686 823 fr.72

 

INDEMNITE DE DEPART arrondie à 1.49 mio 1 489 927 fr.52

Ende November 2015 meldete sich A. bei der Arbeitslosenversicherung und beantragte die Auszahlung von Taggeldern vom 01.12.2015.

Die Walliser Arbeitslosenkasse lehnte die Auszahlungspflicht von Taggeldern für die Zeit zwischen dem 01.12.2015 und dem 05.04.2018 zu anerkennen, weil die Abgangsentschädigung einen 28 Monate und vier Tage entsprechenden Arbeitsausfall decke (Entscheide vom 30.03.2016 und 27.07.2016).

Anerkannt hat die Kasse, vom Betrag von Fr. 1 490 000.– den Gegenwert von drei Monaten Lohn (einschliesslich der Übernahme der Krankenversicherung, nämlich einen Gesamtbetrag von Fr. 112 534.95 [Fr. 36 891.65 + Fr. 620.–] × 3) abzuziehen; der Saldo wurde insoweit berücksichtigt, als er den freien Betrag von Fr. 126 000.– überstieg.

Prozess-History

  • Abweisung der von A. gegen den Einspracheentscheid erhobenen Beschwerde (Urteil vom 07.05.2018 des Walliser Kantonsgericht (Sozialversicherungsrechtliche Abteilung))
  • Beschwerde des A. in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, in der er die Aufhebung des kantonalen Urteils und die Auszahlung von Arbeitslosentaggeldern vom 02.04.2016, eventualiter vom 11.04.2016 an beantragt; im Eventualstandpunkt beantragt er die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zum neuen Entscheid.

Erwägungen

Das Bundesgericht kam in seinen Erwägung zum Schluss, dass

  • das Kantonsgericht Bundesrecht nicht verletzte, als es erwog, es müssten alleine die Beträge von Fr. 112 535.– und von Fr. 126 000.– von der dem Beschwerdeführer gewährten Abgangsentschädigung abgezogen werden, und der Saldo von Fr. 1 251 465.– (…) stelle den Einkommensverlust deckende freiwillige Leistungen des Arbeitgebers dar;
  • der Begriff der „freiwilligen Leistungen“ ein spezifischer Begriff der Arbeitslosenversicherung sei;
  • die fragliche Entschädigung auf einer den Arbeitgeber zivilrechtlich verpflichtenden Vertragsgrundlage («Separation agreement») beruhe;
  • der Entscheid der Arbeitslosenkasse in Bezug auf die Verschiebung des Beginns des Entschädigungsanspruchs auf den Monat April 2018 nicht kritisierbar sei, hätte A. doch einen Lohnanspruch für die Monate September, Oktober und November 2015 (Kündigungsfrist) gehabt;
  • die Karenzzeit von 28 Monaten und fünf Tagen am 01.12.2015 begonnen habe;
  • angesichts eines letzten Monatslohnes von Fr. 44 405.– diese Periode 28.1829 Monate (Fr. 1 251 465.– : 44 405) betragen habe;
  • die Monatsbruchteile nach der Formel 0.1829 × 30, das heisst auf 5.4 Tage), umgewandelt werden müssten;
  • die Zeit, während der der Arbeitsverlust nicht berücksichtigt werde, somit 28 Monate und 5 Tage vom 01.12.2015 an, das heisst bis zum 05.04.2018 betragen habe.

Insgesamt hielten die vorinstanzlichen Erwägungen Bundesrecht stand, weshalb die Beschwerde des A. abzuweisen war.

Entscheid

  • Abweisung der Beschwerde

Quelle

BGer 8C_427/2018 vom 30.04..2018   =   BGE 145 V 188

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