Einleitung
Eine von der Konkursitin beauftragte Bank sollte dem Konkursamt über (mögliche) Aktiven umfassend Auskunft erteilten.
Sachverhalt
Über die B. Ltd (Gemeinschuldnerin), mit Sitz auf den Kaimaninseln, wurde in der Schweiz ein Hilfskonkursverfahrens eröffnet.
Die Konkursitin hatte Geschäftsbeziehungen mit der Bank A. SA unterhalten.
Das für das Hilfskonkursverfahren zuständige Konkursamt des Kantons Genf forderte die Bank A. SA mittels Verfügung auf, diverse Dokumente einzureichen, in Bezug auf:
- Beziehungen der Bank mit der Konkursitin im Allgemeinen
- spezifische Zahlungen, aus denen das Konkursamt Verantwortlichkeitsansprüche gegen die Bank ableitete.
Das Konkursinventar enthielt diese Ansprüche.
Die Bank A. SA stellte dem Konkursamt Genf nur einen Teil der geforderten Dokumente zu und focht die Herausgabeverfügung gleichzeitig mittels SchKG-Beschwerde an.
Prozess-History
- Die kantonale Aufsichtsbehörde (AB) präzisierte die Verfügung des Konkursamtes unter Hinweis auf OR 400 Abs. 1, die rein internen Dokumente seien nicht von der Verfügung erfasst.
- Im Übrigen wurde die Beschwerde von der AB abgewiesen.
- Die Bank A. SA gelangte ans Bundesgericht und rügte, sie hätte ihre Auskunftspflicht nach SchKG 222 Abs. 4 mit den bereits zugestellten Dokumenten ausreichend erfüllt.
Erwägungen
Die Erwägungen des Bundesgerichts ergaben zusammengefasst folgendes:
- Auskunftsrecht des Konkursverwaltung (SchKG 222 Abs. 4)
- Gemäss SchKG 222 Abs. 4 sind Dritte, die über Vermögensgegenstände oder Guthaben des Schuldners verfügen, bei Straffolge gleich wie der Schuldner auskunfts- und herausgabepflichtig:
- Auskunftspflicht des Dritten betrifft alle Gegenstände,
- die er auf Rechnung des Gemeinschuldners hält
- wie sämtliche Guthaben und Forderungen, selbst bestrittene, die der Gemeinschuldner gegen den Dritten besitzt
- Keine Auskunftsverweigerung von Banken unter Anrufung des Bankgeheimnisses
- Auskunftspflicht des Dritten betrifft alle Gegenstände,
- Der Dritte hat also dem Konkursamt zu den Aktiven des Gemeinschuldners zu verschaffen, wie
- alle Informationen, die für die Erstellung des Inventars notwendig sind
- sämtliche Dokumente für die Geltendmachung der Ansprüche des Schuldners
- Gemäss SchKG 222 Abs. 4 sind Dritte, die über Vermögensgegenstände oder Guthaben des Schuldners verfügen, bei Straffolge gleich wie der Schuldner auskunfts- und herausgabepflichtig:
- Auftragsrecht (OR 400 Abs. 1)
- Das Auftragsrecht verpflichtet in OR 400 Abs. 1 den Beauftragten zur Rechenschaftslegung und Herausgabe:
- Auskunftspflicht
- Vollständige und wahrheitsgemässe Information
- Die Auskunftspflicht des Dritten betreffe alle Gegenstände, die er auf Rechnung des Schuldner halte, sowie sämtliche Guthaben und Forderungen, selbst bestrittene, die der Schuldner gegen den Dritten besitze
- Herausgabepflicht
- Herausgabe von Unterlagen
- Vorlage aller Unterlagen zu den für ihn geführten Geschäften
- ohne rein interne Unterlagen wie zB
- Vorstudien
- Notizen
- Projekte
- gesammeltes Material
- Buchhaltung
- ohne rein interne Unterlagen wie zB
- Rechenschaftslegung
- die für die Begründung der Erstattungspflicht nötigen Informationen, ev. weitergehend
- Unterlagen, die nicht unter die Herausgabepflicht fallen
- Auskunftspflicht
- Das Auftragsrecht verpflichtet in OR 400 Abs. 1 den Beauftragten zur Rechenschaftslegung und Herausgabe:
- Unterschiedliche Ziele
- Herausgabepflicht
- Sicherstellung der Treuepflicht
- Rechenschaftspflicht
- Ermöglichung einer Kontrolle der Tätigkeit des Beauftragten durch den Auftraggeber
- Differenzierung
- Unterscheidung zwischen
- nicht der Herausgabepflicht unterliegender, interner Dokumente, in die der Auftraggeber in geeigneter Form Einsicht haben müsse, wegen der Kontrolle der Tätigkeit des Beauftragten, und
- rein internen Unterlagen ohne Relevanz für die Überprüfung der vertragsgemässen Ausführung des Auftrags durch den Beauftragten, wie zB nie versandte Vertragsentwürfe
- Abgrenzung und Interessenabwägung
- Unterliege ein internes Dokument grundsätzlich der Rechenschaftspflicht, sei eine Interessenabwägung mit den Geheimhaltungsinteressen des Beauftragten nötig, bevor es dem Auftraggeber vorgelegt werde
- Unterscheidung zwischen
- Herausgabepflicht
- Unterschiedliche Auskunfts- und Herausgaberegeln
- Information / Auskunft, trotz eigen-belastender Punkte für den Beauftragten
- Der Auftraggeber habe über alles zu informieren, das Rückschlüsse auf seine Tätigkeiten zulasse,
- unter Zustellung interner Dokumente oder Auszügen daraus, da eine vertragswidrige Mandatsführung im Inventar aufzunehmende Verantwortlichkeitsansprüche auslösen könne
- Einschränkung der Dokumenten-Herausgabepflicht
- Verweigert werden könnten nur die Herausgabe jener Dokumente, die der Beauftragte auch dem (konkursiten) Auftraggeber nicht hätte herausgeben müssen.
- Der Auftraggeber habe über alles zu informieren, das Rückschlüsse auf seine Tätigkeiten zulasse,
- Information / Auskunft, trotz eigen-belastender Punkte für den Beauftragten
Ergebnis
Der Beauftragte kann die Herausgabe von Dokumenten gegenüber dem Konkursamt nur insoweit verweigern, als er auch gegenüber dem konkursiten Auftraggeber nicht herausgabepflichtig war.
Entscheid
Das Bundesgericht wie die Beschwerde der Bank A. SA ab.
Quelle
BGer 5A_126/2020 vom 08.06.2020