18.3510 MOTION
Wirtschaftliche Wiedereingliederung von Personen ohne konkrete Aussicht auf eine Schuldentilgung
18.3683 MOTION
Sanierungsverfahren für Privatpersonen. Bessere Zukunftsperspektiven für Schuldner und Gläubiger
Vernehmlassung bis 26.09.2022
Verschuldete Personen sollen inskünftig unter bestimmten Voraussetzungen eine zweite Chance auf ein schuldenfreies Leben erhalten.
Der Bundesrat (BR) hat am 03.06.2022 hiefür die Vernehmlassung zur Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) eröffnet:
- Von der Möglichkeit zur finanziellen Sanierung für natürliche Personen erwartet der BR positive Effekte auf
- die Gesundheit der Betroffenen;
- deren Umfeld;
- die Volkswirtschaft.
Einleitung
Natürliche Personen, die sich nicht aus eigener Kraft von ihren Schulden befreien können, haben heute wenig Aussicht,
- je wieder schuldenfrei zu leben und
- über mehr als das betreibungsrechtliche Existenzminimum zu verfügen.
Zum einen hat dies negative Auswirkungen
- auf die Person selber und
- deren Umfeld,
- etwa
- wegen gesundheitlicher Belastungen oder
- weil die Betroffenen nur eingeschränkt am sozialen Leben teilnehmen können.
- etwa
Zum anderen belasten die verschuldeten Personen die Gesellschaft insgesamt,
- über die Sozialversicherungen;
- das Gesundheitssystem;
- aufgrund von fehlenden Steuereinnahmen.
Damit diese Personen in Zukunft eine zweite Chance erhalten können, soll angepasst werden:
- das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG).
Parlamentsauftrag
Mit der Vorlage erfüllt der BR zwei entsprechende parlamentarische Vorstösse:
Wir berichteten:
Zwei neue Instrumente vereinfachen den Weg zum Schuldenschnitt
- Vereinfachtes Nachlassverfahren
- Schuldner mit regelmässigem Einkommen
- Bei Schuldnern mit einem regelmässigen Einkommen soll in Zukunft ein sog. «vereinfachtes Nachlassverfahren» möglich werden.
- Teilerlass
- Im Rahmen eines Vergleichs soll dem Schuldner
- ein Teil seiner Schulden erlassen werden,
- sofern eine Mehrheit der Gläubiger diesem Vorgehen zustimmt und
- das Gericht den Bereinigungsvorschlag als angemessen beurteilt.
- ein Teil seiner Schulden erlassen werden,
- Im Rahmen eines Vergleichs soll dem Schuldner
- Bindungswirkung für nicht zustimmende Gläubiger
- Der Vergleich ist dann auch für jene Gläubiger bindend, die diesem nicht zugestimmt haben.
- Schuldner mit regelmässigem Einkommen
- Konkursrechtliches Sanierungsverfahren
- Grundkonzept
- Voraussetzungen
- Für hoffnungslos verschuldete Schuldner,
- bei welchen keine Gläubigermehrheit für einen Schulderlass gewonnen werden kann,
- schlägt der BR ein konkursrechtliches Sanierungsverfahren vor.
- bei welchen keine Gläubigermehrheit für einen Schulderlass gewonnen werden kann,
- Für hoffnungslos verschuldete Schuldner,
- Abschöpfung
- Der Schuldner muss
- während vier Jahren alle verfügbaren Mittel an die Gläubiger abgeben und seine Bemühungen für die Erzielung eines regelmässigen Einkommens nachweisen.
- Der Schuldner muss
- Verfahrenszuständigkeit
- Das Verfahren wird von den Konkurs- und Betreibungsämtern geführt.
- Restschuldbefreiung
- Der Schuldner wird am Ende des Verfahrens von den verbleibenden offenen Schulden befreit.
- Voraussetzungen
- Unterschiede zum heutigen Privatkonkurs
- Die wesentlichen Änderungen zum heutigen Privatkonkurs sind:
- die sog. «Abschöpfungsphase» von vier Jahren,
- während der die Gläubiger automatisch von den verfügbaren Mitteln des Schuldners profitieren, und
- die «Restschuldbefreiung».
- die sog. «Abschöpfungsphase» von vier Jahren,
- Die wesentlichen Änderungen zum heutigen Privatkonkurs sind:
- Auswirkungen nach Verfahrensschluss
- Während 15 Jahren kein neues Sanierungsverfahren
- Nach Abschluss des Verfahrens kann fünfzehn Jahre lang kein neues Sanierungsverfahren eröffnet werden.
- Missbrauchsverhinderung
- Mit dieser Sperrfrist will der BR einem Missbrauch entgegenwirken.
- Während 15 Jahren kein neues Sanierungsverfahren
- Grundkonzept
Positive Effekte für Wirtschaft und Gesellschaft
Sowohl beim vereinfachten Nachlassverfahren als auch beim konkursrechtlichen Sanierungsverfahren
- verlieren die Gläubiger die Möglichkeit zur Durchsetzung ihrer Forderungen zumindest teilweise.
Untersuchungen hätten jedoch gezeigt,
- dass diese Forderungen bereits heute nur zum Teil wieder eingetrieben werden können und in vielen Fällen nur noch auf dem Papier bestehen.
- dass die finanzielle Sanierung dem Schuldner erlauben würde, sich wirtschaftlich zu erholen.
- dass die Möglichkeit, dereinst wieder schuldenfrei leben zu können, einen Anreiz bieten würde, sich rasch wirtschaftlich zu erholen und ein Abrutschen oder Verharren in der Sozialhilfe verhindern würde.
Der BR hält dafür, dass es wichtig sei, die negativen Folgen einer Überschuldung möglichst gering zu halten für
- die betroffene Person;
- ihr Umfeld;
- die Gesamtgesellschaft.
Vernehmlassung
Die Vernehmlassung zu den Änderungen des SchKG läuft bis am 26.09.2022.
Anmerkung der Redaktion
Das Bundesgericht (BGer) verschärfte 2014 die Voraussetzungen für einen Privatkonkurs erheblich:
- Das BGer entschied am 14.01.2015 im Fall 5A_915/2014, die Insolvenzerklärung eines privaten Schuldners sei rechtsmissbräuchlich, wenn er über keine verwertbaren Aktiven verfüge, die er an seine Gläubiger verteilen könne.
Nur wenige kommunale und kantonale Gerichte folgen dieser wiederholt bestätigten bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Dies zeigte sich in einer Umfrage des Autoren Michael Krampf, «Kantone grosszügiger als das Bundesgericht», in Zeitschrift «plädoyer», Ausgabe 03/2022, vom 03.06.2022:
- Kantone grosszügiger als das Bundesgericht – Artikel | plaedoyer.ch
- Abgerufen: 05.06.2022
Weiterführende Informationen
Quelle
LawMedia Redaktionsteam