ZPO 209 Abs. 1 lit. b + Abs. 3 / ZPO 10 und ZPO 14
Das Bundesgericht (BGer) hatte im Fall 4A_437/2021 die Gelegenheit, die in der Lehre umstrittene und von der kantonalen Gerichtspraxis unterschiedlich gehandhabte Frage zu klären, ob eine Widerklägerin gestützt auf die der Hauptklägerin ausgestellte Klagebewilligung unabhängig von der Hauptklägerin ans Gericht gelangen könne oder nicht.
Das BGer hat sich für die Variante entschieden, wonach die Klagebewilligung hinfällig werde, wenn die Hauptklägerin die Frist zur Klageeinreichung unbenutzt verstreichen lasse.
Erhebe der Hauptkläger keine Klage beim Gericht, entfalle auch die Rechtshängigkeit der bereits im Schlichtungsverfahren erhobenen Widerklage.
Es stehe dem Beklagten frei, anstelle einer Widerklage eine eigenständige Klage mittels Schlichtungsgesuch anzuheben.
Quelle
BGer 4A_437/2021 vom 25.03.2022 = BGE 148 III 314 ff.
Art. 209 ZPO Klagebewilligung
1 Kommt es zu keiner Einigung, so hält die Schlichtungsbehörde dies im Protokoll fest und erteilt die Klagebewilligung:
a. bei der Anfechtung von Miet- und Pachtzinserhöhungen: dem Vermieter oder Verpächter;
b. in den übrigen Fällen: der klagenden Partei.
2 Die Klagebewilligung enthält:
a. die Namen und Adressen der Parteien und allfälliger Vertretungen;
b. das Rechtsbegehren der klagenden Partei mit Streitgegenstand und eine allfällige Widerklage;
c. das Datum der Einleitung des Schlichtungsverfahrens;
d. die Verfügung über die Kosten des Schlichtungsverfahrens;
e. das Datum der Klagebewilligung;
f. die Unterschrift der Schlichtungsbehörde.
3 Nach Eröffnung berechtigt die Klagebewilligung während dreier Monate zur Einreichung der Klage beim Gericht.
4 In Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen sowie aus landwirtschaftlicher Pacht beträgt die Klagefrist 30 Tage. Vorbehalten bleiben weitere besondere gesetzliche und gerichtliche Klagefristen.
Art. 10 ZPO Wohnsitz und Sitz
1 Sieht dieses Gesetz nichts anderes vor, so ist zuständig:
a. für Klagen gegen eine natürliche Person: das Gericht an deren Wohnsitz;
b. für Klagen gegen eine juristische Person und gegen öffentlich-rechtliche Anstalten und Körperschaften sowie gegen Kollektiv- und Kommanditgesellschaften: das Gericht an deren Sitz;
c. für Klagen gegen den Bund: das Obergericht des Kantons Bern oder das obere Gericht des Kantons, in dem die klagende Partei ihren Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat;
d. für Klagen gegen einen Kanton: ein Gericht am Kantonshauptort.
2 Der Wohnsitz bestimmt sich nach dem Zivilgesetzbuch (ZGB)17. Artikel 24 ZGB ist nicht anwendbar.
17 SR 210
Art. 14 ZPO Widerklage
1 Beim für die Hauptklage örtlich zuständigen Gericht kann Widerklage erhoben werden, wenn die Widerklage mit der Hauptklage in einem sachlichen Zusammenhang steht.
2 Dieser Gerichtsstand bleibt auch bestehen, wenn die Hauptklage aus irgendeinem Grund dahinfällt.