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Zivilprozess

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Schlichtungsverfahren

Rechtsgebiet:
Zivilprozess
Stichworte:
Zivilprozess, Zivilverfahren
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Das Schlichtungsverfahren ist kein freiwilliger Aussöhnungsversuch, sondern es muss grundsätzlich obligatorisch durchlaufen werden (Art. 197 ZPO).

In folgenden Fällen geht kein Schlichtungsverfahren voraus (Art. 198 ZPO):

  • summarisches Verfahren
  • Klagen über Personenstand
  • Scheidungsverfahren / Auflösung eingetragene Partnerschaft
  • einzelne Klagen des SchKG
  • wo eine einzige kantonale Instanz vorgeschrieben ist
  • wenn das Gericht eine Frist zur Klage angesetzt hat

Der Kläger kann auf ein Schlichtungsverfahren einseitig verzichten in folgenden Fällen (Art. 199 Abs. 2 ZPO):

  • internationaler Sachverhalt (Wohnsitz Beklagter im Ausland),
  • Aufenthaltsort Beklagter unbekannt
  • Streitigkeiten nach Gleichstellungsgesetz

Die Parteien können auf das Schlichtungsverfahren gemeinsam verzichten, wenn der Streitwert mindestens CHF 100’000.00 beträgt (Art. 199 Abs. 1 ZPO).

Einleitung Schlichtungsverfahren

Der Kläger leitet das Schlichtungsverfahren ein, indem er bei der örtlich zuständigen Schlichtungsbehörde ein schriftliches oder mündliches Schlichtungsgesuch stellt (Art. 202 ZPO).

Das Schlichtungsbegehren muss die Parteien nennen, ein Rechtsbegehren enthalten und den Streitgegenstand bezeichnen. Dazu ist eine kurze Sachverhaltsdarstellung sinnvoll.

Grundsätzlich ist kein Schriftenwechsel vorgesehen, doch kann die Schlichtungsbehörde in Ausnahmefällen einen Schriftenwechsel durchführen. In allen anderen Fällen wird zur Schlichtungsverhandlung vorgeladen.

Rechtshängigkeit

Mit Einreichung des Schlichtungsgesuches bei der Schlichtungsbehörde wird die Klage rechtshängig (Art. 62 ZPO).

Die Rechtshängigkeit hat folgende Wirkungen:

Fixierungswirkung:
Das im Zeitpunkt der Klageeinleitung örtlich und sachlich zuständige Gericht bleibt (einige wenige Ausnahmen vorbehalten) für die Beurteilung des Streitfalles zuständig.
Mit Eintritt der Rechtshängigkeit ist der Kläger grundsätzlich an sein Rechtsbegehren gebunden und kann die Klage nur unter den Voraussetzungen von Art. 227 ZPO ändern. Eine Reduktion der Klage ist jedoch ohne Weiteres möglich. Diese Einschränkung wird mit Art. 201 ZPO durchbrochen, wonach auch ausserhalb des Verfahrens liegende Streitfragen in einem Vergleich mit einbezogen werden können, wenn dies der Beilegung des Streites dient.

Ausschlusswirkung:
Ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit ist eine identische Klage zum gleichen Lebenssachverhalt mit gleichem Rechtsbegehren ausgeschlossen.

Widerklage:
Die Rechtshängigkeit der Hauptklage begründet eine Zuständigkeit für eine Widerklage. Der Beklagte kann bereits im Schlichtungsverfahren eine Widerklage erheben. Haupt- und Widerklage werden im gleichen Prozess beurteilt. Der Kläger wird zum Widerbeklagten und der Beklagte zum Widerkläger.

Schlichtungsverhandlung

Die Schlichtungsbehörde lädt nach Erhalt des Schlichtungsbegehrens die Parteien zur mündlichen Schlichtungsverhandlung vor (Art. 203 ZPO). In der Verhandlung versucht er die Parteien auszusöhnen (Art. 201 ZPO). Dem Beklagten steht es frei, an der Verhandlung ein Widerklagebegehren zu stellen (Art. 227 ZPO).

Die Schlichtungsbehörde nimmt zum Zweck der Aussöhnung eine erste rechtliche Einschätzung der Lage vor und macht den Parteien ihre Positionen deutlich. In komplexen Fällen oder bei umfangreichem Sachverhalt sind solche Einschätzungen nicht unproblematisch.

Dient es der Beilegung des Streites, kann die Schlichtungsbehörde in einem Vergleich auch ausserhalb des Verfahrens liegende Streitfragen mit einbeziehen (Art. 201 ZPO). Die Parteien können deshalb an der Verhandlung auch ausserhalb des Verfahrens liegende Streitfragen erörtern.

Die Verhandlung ist grundsätzlich nicht öffentlich (Art. 203 Abs. 3 ZPO). In Miet- und Pachtstreitigkeiten und Streitigkeiten nach dem Gleichstellungsgesetz kann die Schlichtungsbehörde die Öffentlichkeit zulassen, wenn ein öffentliches Interesse besteht.

Vertretung an der Schlichtungsverhandlung

Die Parteien müssen grundsätzlich persönlich zur Schlichtungsverhandlung erscheinen. Sie können sich durch einen Rechtsbeistand begleiten lassen.

Nicht persönlich erscheinen müssen die Parteien mit ausserkantonalem oder ausländischem Wohnsitz, bei Verhinderung infolge Krankheit, Alter oder anderen wichtigen Gründen und als Arbeitgeber, Vermieter oder Versicherer, wenn ein Angestellter bzw. die Liegenschaftenverwaltung delegiert und ermächtigt wird, einen Vergleich abzuschliessen (Art. 205 ZPO).

Vertraulichkeit des Schlichtungsverfahrens

Die Ausführungen der Parteien gelten als vertraulich und können grundsätzlich später im Erkenntnisverfahren nicht verwendet werden (Art. 205 ZPO). Dies ermöglicht den Parteien, die Streitsache offen und umfassend darzustellen und wird dem Umstand gerecht, dass die (oft rechtsunkundigen) Parteien sich vor der Schlichtungsbehörde nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen.
Macht die Schlichtungsbehörde jedoch einen Urteilsvorschlag oder fällt sie ein Urteil, können die Aussagen im späteren Erkenntnisverfahren verwendet werden (Art. 205 Abs. 2 ZPO).

Abschluss des Schlichtungsverfahrens

Das Schlichtungsverfahren kann auf folgende Arten erledigt werden:

  • Der Kläger zieht die Klage vorbehaltslos zurück
  • Der Kläger zieht die Klage unter Vorbehalt der Wiedereinbringung zurück
  • Der Beklagte anerkennt die Klage vollumfänglich
  • Die Parteien schliessen einen Vergleich ab

Ein Vergleich, eine Klageanerkennung oder ein vorbehaltsloser Klagerückzug haben die Wirkung eines rechtskräftigen Entscheides (res iudicata). Die Streitsache ist damit erledigt und keine der Parteien kann darauf zurückkommen (Art. 208 Abs. 2 ZPO).

Zieht der Kläger die Klage – etwa weil er lediglich die Verjährung unterbrechen wollte oder aus anderen Gründen – vorbehaltslos zurück, kann er in der gleichen Angelegenheit kein neues Schlichtungsgesuch stellen.

Wenn unklar ist, ob die Klage allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt erneut gestellt werden soll, muss der Kläger den Rückzug ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Wiedereinbringung erklären, ansonsten er seinen Rechtsanspruch verliert.

  • Eine Einigung zwischen den Parteien kommt nicht zustande
  • Urteil bei Streitwert bis CHF 2’000.00 auf Antrag des Klägers
  • Urteilsvorschlag bei Streitwert bis CHF 5’000.00 in bestimmten Fällen

Kommt keine Einigung zustande, stellt die Schlichtungsbehörde die Klagebewilligung aus (Art. 209 ZPO).

Bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis zu CHF 2’000.00 kann die Schlichtungsbehörde ein Urteil fällen, wenn ein entsprechender Antrag des Klägers vorliegt. Ohne Antrag des Klägers wird die Klagebewilligung ausgestellt (Art. 212 ZPO).

Die Schlichtungsbehörde kann den Parteien einen Urteilsvorschlag unterbreiten in

  • vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis zu CHF 5’000.00
  • Streitigkeiten nach dem Gleichstellungsgesetz
  • Streitigkeiten aus Miete u. Pacht von Wohn- u. Geschäftsräumen sowie landwirtschaftliche Pacht sofern
    • die Hinterlegung von Miet-/Pachtzins
    • der Schutz vor missbräuchlichen Miet-/Pachtzinsen
    • der Kündigungsschutz oder
    • die Erstreckung des Miet-/Pachtverhältnisses betroffen ist.

Der Urteilsvorschlag gilt als angenommen, wenn er nicht innert 20 Tagen abgelehnt wird. Wird er abgelehnt, ist die Klagebewilligung auszustellen. Wird er nicht abgelehnt, hat er die Wirkung eines rechtskräftigen Entscheides (Art. 211 ZPO).

  • Der Kläger bleibt der Verhandlung unentschuldigt fern
  • Der Beklagte bleibt der Verhandlung unentschuldigt fern
  • Beide Parteien bleiben der Verhandlung unentschuldigt fern

Bleibt der Kläger der Schlichtungsverhandlung unentschuldigt fern, gilt das Schlichtungsgesuch als zurückgezogen und das Verfahren wird als gegenstandslos abgeschrieben (Art. 206 Abs. 1 ZPO).

Bleibt der Beklagte der Schlichtungsverhandlung unentschuldigt fern, verfährt die Schlichtungsbehörde, wie wenn keine Einigung zustande gekommen wäre. Die Schlichtungsbehörde kann (Art. 206 Abs. 2 ZPO):

  1. die Klagebewilligung ausstellen (Art. 209 ZPO)
  2. einen Urteilsvorschlag machen (Art. 210 ZPO)
  3. ein Urteil fällen auf Antrag des Klägers (Art. 212 ZPO)

Bleiben beide Parteien der Schlichtungsverhandlung unentschuldigt fern, wird das Verfahren als Gegenstandslos abgeschrieben (Art. 206 Abs. 3 ZPO).

Die Klagebewilligung

Die Klagebewilligung wird bei Nichteinigung (Art. 209 Abs. 1 lit. b ZPO) und bei Ablehnung eines Urteilsvorschlages (Art. 211 Abs. 2 lit. b ZPO) in der Regel dem Kläger ausgestellt.

Der Kläger kann die Klagebewilligung während drei Monaten beim Gericht einreichen (Art. 209 Abs. 3 ZPO). Danach verfällt sie. Der Kläger erleidet dadurch grundsätzlich keinen Rechtsverlust, da grundsätzlich keine Fortführungslast besteht.

Bei der Anfechtung von Miet- / Pachtzinserhöhungen wird die Klagebewilligung dem Vermieter / Verpächter ausgestellt (Art. 209 Abs. 1 lit. a ZPO). Wird die Klagebewilligung nicht innert der Frist von 30 Tagen (Art. 209 Abs. 4 ZPO) beim (Miet)Gericht eingereicht, verfällt sie und der Mietzins bleibt unverändert auf dem Niveau vor der Erhöhung.

Hinweis:
Für den Vermieter besteht deshalb in diesen Fällen eine Fortführungslast, will er seine Mietzinserhöhung durchbringen.

Hat die Schlichtungsbehörde in Mietsachen den Parteien einen Urteilsvorschlag unterbreitet in Streitigkeiten aus Miete u. Pacht von Wohn- u. Geschäftsräumen sowie landwirtschaftliche Pacht betreffend

  • die Hinterlegung von Miet-/Pachtzins
  • der Schutz vor missbräuchlichen Miet-/Pachtzinsen
  • der Kündigungsschutz oder
  • die Erstreckung des Miet-/Pachtverhältnisses

wird die Klagebewilligung bei Ablehnung des Urteilsvorschlages der ablehnenden Partei ausgestellt (Art. 211 Abs. 2 lit. a ZPO). Wird der Urteilsvorschlag in diesen Fällen nicht innert der Frist von 30 Tagen (Art. 209 Abs. 4 ZPO) beim (Miet)Gericht eingereicht, gilt der Urteilsvorschlag gleichwohl als anerkannt und hat die Wirkung eines rechtskräftigen Entscheides (Art. 211 Abs. 3 ZPO).

Hinweis:
Für die im abgelehnten Urteilsvorschlag der Schlichtungsbehörde Unterliegende Partei in Mietstreitigkeiten betr. Hinterlegung, missbräuchlichen Mietzinsen, Kündigungsschutz oder Erstreckung hat die Klagebewilligung eine Fortführungslast der ablehnenden Partei zur Folge, will sie den Urteilsvorschlag nicht akzeptieren.

In Abs. 4 werden besondere gesetzliche und gerichtliche Klagefristen vorbehalten. Als Beispiel ist die Arrestprosequierungsklage mit einer Frist von 10 Tagen zu nennen.

Die Gültigkeitsdauer der Klagebewilligung berechnet sich ab Eröffnung. Wird den Parteien in der Schlichtungsverhandlung mündlich eröffnet, dass die Klagebewilligung ausgestellt werde, läuft die Frist ab dann. Wird die Klagebewilligung schriftlich zugestellt, läuft die Frist ab der Zustellung an die Parteien.

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