Urs Bürgi
Rechtsanwalt und Inhaber des zürch. Notar-, Grundbuch- und Konkursverwalter-Patentes
Marc Peyer
Rechtsanwalt / Fachanwalt SAV Erbrecht
Ausgangslage
Nebst der Begünstigungsmöglichkeit in der zweiten Säule im überobligatorischen Bereich (siehe hierzu: LAWNEWS – Begünstigung des Lebenspartners bei der 2. Säule – LAW.CH®) sind für nicht verheiratete Lebenspartner (Konkubinatspartner) vor allem Begünstigungen in der freiwilligen (und Arbeitsverhältnis unabhängigen) Säule 3a (gebundene Selbstvorsorge) und Säule 3b (freie Selbstvorsorge) interessant.
Agenda
- Ausgangslage
- Abgrenzung
- Anerkannte Formen der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a)
- Begünstigungsordnung bei der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a)
- Im Erlebensfall des Vorsorgenehmers
- Bei Ableben des Vorsorgenehmers vor Bezug des Vorsorgeguthabens
- An erster Stelle begünstigte Personen
- An zweiter Stelle begünstigte Personen
- Weitere begünstigte Personen
- Erbrechtliche Behandlung von Säule 3a-Guthaben
- Zu Lebzeiten ausbezahltes Guthaben
- Bei Ableben des Vorsorgenehmers vor Bezug des Vorsorgeguthabens
- Rechtsunsicherheit im geltendem Recht
- Schaffung von Rechtssicherheit im künftigen Recht (in Kraft ab 1.1.2023)
- Bestandteil der Pflichtteilsberechnungsmasse
- Lebensversicherungen der Säule 3b
- Bezeichnung des Konkubinatspartners als begünstigte Person
- Todesfallrisikoversicherung
- Gemischte Lebensversicherung
- Weitere Produkte
- Einzelfallbetrachtung
- Bsp. Rentenverträge mit Prämienrückgewähr im Todesfall
- Exkurs: Konkubinatsvertrag
- Exkurs: Erbrechtliche Begünstigung
- Exkurs: Erbrechtsrevision
- Weiterführende Informationen
Abgrenzung
Die Säulen 3a und 3b sind von der zweiten Säule abzugrenzen. In der zweiten Säule (berufliche Vorsorge) können sich Konkubinatspartner im überobligatorischen Bereich gemäss BVG 20a begünstigen, sofern und soweit eine solche Begünstigung von der Pensionskasse bzw. Freizügigkeitsstiftung reglementarisch vorgesehen ist (siehe hierzu: LAWNEWS – Begünstigung des Lebenspartners bei der 2. Säule – LAW.CH®).
Anerkannte Formen der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a)
Anerkannte Formen der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a) sind gemäss BVG 82 i.V.m. BVV3 1 Abs. 1
- die gebundene Vorsorge bei Versicherungseinrichtungen
- die gebundene Vorsorge bei Bankstiftungen
Begünstigungsordnung bei der gebundene Selbstvorsorge (Säule 3a)
Im Erlebensfall des Vorsorgenehmers
Im Erlebensfall ist der Vorsorgenehmer die begünstigte Person (BVV3 2 Abs. 1 lit. a).
Bei Ableben des Vorsorgenehmers vor Bezug des Vorsorgeguthabens
Bei Ableben des Vorsorgenehmers sind gemäss der Begünstigungsordnung von BVV3 2 Abs. 1 lit. b folgende Personen als Begünstigte zugelassen:
- der überlebende Ehegatte oder die überlebende eingetragene Partnerin oder der überlebende eingetragene Partner,
- die direkten Nachkommen sowie die natürlichen Personen, die von der verstorbenen Person in erheblichem Masse unterstützt worden sind, oder die Person, die mit dieser in den letzten fünf Jahren bis zu ihrem Tod ununterbrochen eine Lebensgemeinschaft geführt hat oder die für den Unterhalt eines oder mehrerer gemeinsamer Kinder aufkommen muss,
- die Eltern,
- die Geschwister,
- die übrigen Erben.
An erster Stelle begünstigte Personen
- überlebender Ehegatte bzw. überlebende eingetragene Partnerin/überlebender eingetragener Partner
An zweiter Stelle begünstigte Personen
- direkte Nachkommen
- Personen, die von der verstorbenen Person in erheblichem Masse unterstützt worden sind (Notwendige Unterstützung in zeitlicher Hinsicht: i.d.R. mind. 2 Jahre [BGE 140 V 57 E. 4.3])
- Person, die mit der verstorbenen Person in den letzten fünf Jahren bis zu ihrem Tod ununterbrochen eine Lebensgemeinschaft geführt hat
- Person, die für den Unterhalt eines oder mehrerer gemeinsamer Kinder aufkommen muss
Der Vorsorgenehmer kann dabei
- eine oder mehrere Personen dieser Personenkategorie bestimmen und/oder
- deren Ansprüche näher bezeichnen.
So ist es den Konkubinatspartnern möglich, den Lebenspartner als einzig begünstigte Person für die gesamte Leistung einzusetzen (sofern keine primär begünstigte Person existiert).
Weitere begünstigte Personen
- die Eltern
- die Geschwister
- die übrigen Erben
Der Vorsorgenehmer kann dabei
- die Reihenfolge der weiteren begünstigten Personen und/oder
- die Ansprüche dieser Personen näher bezeichnen.
Erbrechtliche Behandlung von Säule 3a-Guthaben
Zu Lebzeiten ausbezahltes Guthaben
Bereits zu Lebzeiten des Vorsorgenehmers an diesen ausbezahltes Säule 3a-Guthaben wird als Bestandteil des „normalen“ Vermögens im Todesfall zum Bestandteil des Nachlassvermögens (sofern und soweit noch vorhanden).
Bei Ableben des Vorsorgenehmers vor Bezug des Vorsorgeguthabens
Lebt der Vorsorgenehmer vor Bezug des Vorsorgeguthabens ab (und kommen damit die Begünstigten gemäss BVV3 2 Abs. 1 lit b zum Zug), so stellt sich die Frage, ob das gebundene Vermögen aus der Selbstvorsorge (Säule 3a) zum Nachlass gehört oder nicht.
Rechtsunsicherheit im geltenden Recht
- Die Frage, ob Ansprüche aus der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a) in den Nachlass fallen, ist im geltenden Recht umstritten
- Der Vorsorgezweck spricht gegen einen Einbezug in die Erbmasse (vgl. Botschaft zum neuen Erbrecht, BBl, 2018, 5853).
- Der freiwillige Charakter des Vermögensaufbaus im Sinne eines steuerlich begünstigen Sparens spricht für einen Einbezug in die Erbmasse (vgl. Botschaft zum neuen Erbrecht, BBl, 2018, 5853).
- Gemäss einem Teil der Lehre fallen Ansprüche aus der Selbstvorsorge gegenüber einer Versicherungseinrichtung nicht in die Erbmasse, da VVG 78 für den Begünstigten ein eigenes Recht auf den ihm zugewiesenen Versicherungsanspruch vorsieht. Hingegen sollen Ansprüche aus der Selbstvorsorge gegenüber einer Bankstiftung (Banksparen) – mangels entsprechender Regelung – in den Nachlass fallen.
- In der Praxis werden hingegen seit Jahren Ansprüche sowohl aus der gebundenen Selbstvorsorge bei Versicherungen als auch aus der gebundenen Selbstvorsorge bei Bankstiftungen direkt an die Begünstigten gemäss BVV3 2 ausgerichtet.
- Das Bundesgericht hielt in seinem Entscheid 9C_523/2013 vom 28.1.2014 – betroffen war eine Bankstiftung – fest, dass im Todesfall das ausgerichtete Kapital aus der gebunden Selbstvorsorge nicht zwingend und gesamthaft Bestandteil des Nachlasses der verstorbenen Person bilde und die begünstigte Person jedenfalls einen entsprechenden Anspruch selbständig geltend machen könne, gemäss BVV3 2 Abs. 1 lit. b i.V.m. BVG 82. Mit diesem Entscheid wurde somit keine Rechtssicherheit geschaffen, sondern die Unklarheit weiter verstärkt.
- Rechtsunsicherheit ist für alle Betroffenen (Vorsorgenehmer, Begünstigten und die Anbieter [Versicherungseinrichtungen / Bankstiftungen]) unbefriedigend (für letztere besteht ein Doppelzahlungsrisiko).
Schaffung von Rechtssicherheit im künftigen Recht (in Kraft ab 1.1.2023)
Im Rahmen des per 1. Januar 2023 in Kraft tretenden neuen Erbrechts (siehe hierzu
Erbrechtsrevision (PDF) | bnlawyers.ch), wird nunmehr Klarheit bzw. Rechtssicherheit geschaffen:
- Die Ansprüche aus gebundener Selbstvorsorge sowohl gegenüber einer Versicherungseinrichtung als auch gegenüber einer Bankstiftung
- fallen nicht in den Nachlass und
- die Begünstigten haben einen selbständigen Anspruch gegenüber der Versicherungseinrichtung bzw. Bankstiftung.
- Dies wird in einem neu geschaffenen 4 zu Art. 82 BVG verankert („Die aus einer anerkannten Vorsorgeform Begünstigten haben einen eigenen Anspruch auf die ihnen daraus zugewiesene Leistung. Die Versicherungseinrichtung oder die Bankstiftung zahlt diese den Begünstigten aus.“).
Bestandteil der Pflichtteilsberechnungsmasse
Auch wenn die Ansprüche aus der gebundenen Selbstvorsorge nicht zum Nachlass gehören, werden sie bei der Berechnung der Pflichtteilsberechnungsmasse hinzugerechnet. Dies wird im Rahmen der Erbrechtsrevision mit Inkrafttreten per 1.1.2023 explizit im Gesetz verankert und damit klargestellt (E-Art. 476 Abs. 1; siehe auch E-Art. 529).
Lebensversicherungen der Säule 3b
Bezeichnung des Konkubinatspartners als begünstigte Person
Gemäss Art. 76 Abs. 1 VVG kann der Versicherungsnehmer (ohne Zustimmung des Versicherers) eine beliebige Person und damit auch seinen Konkubinatspartner als Lebensversicherungs-Begünstigten bezeichnen.
Todesfallrisikoversicherung
Bei einer reinen Todesfallrisikoversicherung des Erblassers (Todesfallversicherung, die einzig auf den Tod des Erblassers gestellt ist),
- geht der Versicherungsanspruch am Nachlass vollständig vorbei
- der Versicherungsanspruch ist nicht Teil des Nachlasses (Erbmasse),
- der Versicherungsanspruch ist nicht Teil der Pflichtteilsberechnungsmasse
- erhält die begünstigte Person einen direkten Anspruch gegenüber dem Versicherer (VVG 78), womit das Kapital direkt an die begünstigte Person ausbezahlt wird.
- ist der Begünstigte zugleich Erbe des Versicherungsnehmers und schlägt er die Erbschaft aus, hat dies keinen Einfluss auf seinen Anspruch gegenüber dem Versicherer (da Nachlass unabhängig)
Gemischte Lebensversicherung
Handelt es sich jedoch um keine reine Todesfallrisikoversicherung, sondern um eine sog. gemischte Lebensversicherung mit Sparanteilskomponente und einem entsprechenden Rückkaufswert (VVG 90), so wird
- der Rückkaufswert der Versicherung im Zeitpunkt des Todes zur Pflichtteilsberechnungsmasse hinzugerechnet (ZGB 476 Abs. 1)
- und der Rückkaufswert der Versicherung unterliegt (im Falle einer Pflichtteilsverletzung) der erbrechtlichen Herabsetzung (ZGB 529).
Weitere Versicherungs- bzw. Vorsorge-Produkte oder -lösungen
Das Angebot der Versicherer ist vielfältig.
- Es ist jeweils eine Einzelfallbetrachtung erforderlich
- In der Praxis gibt es bspw. auch Rentenverträge mit Prämienrückgewähr im Todesfall
- die Prämienrückgewähr ist wie ein Rückkaufswert zu behandeln und in die Pflichtteilsberechnungsmasse miteinzubeziehen (ZGB 476) und ist im Fall einer Pflichtteilsverletzung herabsetzbar (ZGB 529).
Exkurs: Konkubinatsvertrag
Mangels eines kodifizierten Konkubinatsrechts im schweizerischen Zivilrecht, empfiehlt es sich für Konkubinatspartner, gegenseitige Rechte und Pflichten in einer Konkubinatsvereinbarung zu regeln. Nebst der Festlegung von Rechten und Pflichten während der Dauer der Partnerschaft (z.B. Bestreitung bzw. Finanzierung des gemeinsamen Lebensunterhaltes bzw. des Familienunterhaltes bei Konkubinatspaaren mit [gemeinsamen und/oder nicht gemeinsamen] Kindern), stehen vor allem Rechte und Pflichten im Falle einer (lebzeitigen) Trennung des Konkubinatspaares (Auflösung des gemeinsamen Haushaltes, Zuteilungen von Vermögenswerten, Auflösung von gemeinschaftlichen Konten [compte joint], allfällige nachpartnerschaftliche Leistungen, etc.) im Vordergrund.
Exkurs: Erbrechtliche Begünstigung
Da der Konkubinatspartner nicht zum Kreis der gesetzlichen Erben zählt (und zwar auch im künftigen Recht, welches am 1.1.2023 in Kraft tritt; siehe hierzu unten), bedarf es für eine erbrechtliche Begünstigung eines Konkubinatspartners (sei es als Erben oder als Vermächtnisnehmer) stets einer entsprechenden Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag).
Exkurs: Erbrechtsrevision
Am 01.01.2023 treten die Änderungen des Erbrechts in Kraft.
Für Lebenspartner bringen die neuen Pflichtteilsregeln und Änderungen erweiterte Dispositionsmöglichkeiten zugunsten des überlebenden Lebenspartners:
- Erbrechtsrevision (PDF) | bnlawyers.ch
s.e.&o. – Keine Gewähr für die Richtigkeit.
Weiterführende Informationen
- Säulen-Ordnung (Säulen 1 – 3)
- Begünstigungsordnung
- AHV (Säule 1) (Grafik)
- Lebenspartner-Begünstigung (Säule 2)
- Allgemein
- Testamentarische Begünstigung
- Lebenspartner-Begünstigung bei Freizügigkeitseinrichtungen (Säule 3a)
- Lebenspartner-Begünstigung mittels Lebensversicherungen
- Erbrecht
- Erbrecht
- Testamente
- Update im Erbrecht
- Erbrechtsrevision (PDF) | bnlawyers.ch
Quelle
LawMedia Redaktionsteam