StPO 115 Abs. 1 / StGB 163 – 167 / OR 731b Abs. 1bis Ziffer 3
Das Bundesgericht (BGer) verneinte im Falle einer Gesellschaftsauflösung infolge Organisationmängeln nach OR 731b Abs. 1bis Ziffer 3, welche ohnehin mit einer Konkurseinstellung mangels Aktiven und damit ohne Verlustscheine endete, das Vorliegen der objektiven Strafbarkeitsbedingung der Konkurseröffnung:
- Objektive Strafbarkeitsbedingung
- Die im Verfahren behaupteten Konkursdelikte gemäss StGB 163 ff. setzen als objektive Strafbarkeitsbedingung voraus, dass
- ein Konkurs eröffnet oder
- ein Verlustschein ausgestellt wurde.
- Die im Verfahren behaupteten Konkursdelikte gemäss StGB 163 ff. setzen als objektive Strafbarkeitsbedingung voraus, dass
- Legalitätsprinzip
- Es gilt das Legalitätsprinzip:
- Ohne Strafbarkeitsnorm keine Strafe.
- Es gilt das Legalitätsprinzip:
- Nur das Liquidationsverfahren folgt den Konkursregeln
- Auch wenn die «Organisationsmängel-Liquidation» der Gesellschaft gemäss den Vorschriften über den Konkurs erfolgt, handelt es sich nicht um eine «Konkurseröffnung», selbst wenn die Gesellschaft überschuldet ist.
- Aufgrund der am 01.01.2021 in Kraft getretenen Bestimmung von OR 731b Abs. 4 müssen die zur Liquidation der Gesellschaft eingesetzten Liquidatoren dem Gericht eine Überschuldung anzeigen, worauf dieses den Konkurs eröffnet.
- Auch wenn die «Organisationsmängel-Liquidation» der Gesellschaft gemäss den Vorschriften über den Konkurs erfolgt, handelt es sich nicht um eine «Konkurseröffnung», selbst wenn die Gesellschaft überschuldet ist.
- Ohne Konkurseröffnung infolge Überschuldung und bei Konkurseinstellung mangels Aktiven keine Strafbarkeit
- Da
- die aufgelöste AG
- ohne Konkurseröffnung im eigentlichen, d.h. zwangsvollstreckungsrechtlichen Sinne liquidiert wurde,
- das Konkursverfahren mangels Aktiven eingestellt und keine Verlustscheine ausgestellt wurden,
- eine Strafbarkeit
- gemäss StGB 163 ff. (Konkursdelikte) mangels objektiver Strafbarkeitsbedingung von vornherein ausschied (siehe oben) und
- das strafrechtliche Legalitätsprinzip (ohne Gesetzesbestimmung keine Strafe) zu beachten war (ebenfalls siehe oben),
- die aufgelöste AG
- war die konkrete Beschwerde in Strafsachen vom Bundesgericht abzuweisen und das vorinstanzliche Urteil zu bestätigen.
- Da
BGer 6B_562/2021 vom 07.04.2022 = BGE 148 IV 170 ff.
Weiterführende Informationen
3. Konkurs- und Betreibungsverbrechen oder -vergehen.
Betrügerischer Konkurs und Pfändungsbetrug
Art. 163 StGB
- Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen zum Scheine vermindert, namentlich
Vermögenswerte beiseiteschafft oder verheimlicht,
Schulden vortäuscht,
vorgetäuschte Forderungen anerkennt oder deren Geltendmachung veranlasst,
wird, wenn über ihn der Konkurs eröffnet oder gegen ihn ein Verlustschein ausgestellt worden ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
- Unter den gleichen Voraussetzungen wird der Dritte, der zum Schaden der Gläubiger eine solche Handlung vornimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Gläubigerschädigung durch Vermögensminderung
Art. 164 StGB
- Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er
Vermögenswerte beschädigt, zerstört, entwertet oder unbrauchbar macht,
Vermögenswerte unentgeltlich oder gegen eine Leistung mit offensichtlich geringerem Wert veräussert,
ohne sachlichen Grund anfallende Rechte ausschlägt oder auf Rechte unentgeltlich verzichtet,
wird, wenn über ihn der Konkurs eröffnet oder gegen ihn ein Verlustschein ausgestellt worden ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
- Unter den gleichen Voraussetzungen wird der Dritte, der zum Schaden der Gläubiger eine solche Handlung vornimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Misswirtschaft
Art. 165 StGB
- Der Schuldner, der in anderer Weise als nach Artikel 164, durch Misswirtschaft, namentlich durch ungenügende Kapitalausstattung, unverhältnismässigen Aufwand, gewagte Spekulationen, leichtsinniges Gewähren oder Benützen von Kredit, Verschleudern von Vermögenswerten oder arge Nachlässigkeit in der Berufsausübung oder Vermögensverwaltung,
seine Überschuldung herbeiführt oder verschlimmert, seine Zahlungsunfähigkeit herbeiführt oder im Bewusstsein seiner Zahlungsunfähigkeit seine Vermögenslage verschlimmert,
wird, wenn über ihn der Konkurs eröffnet oder gegen ihn ein Verlustschein ausgestellt worden ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
- Der auf Pfändung betriebene Schuldner wird nur auf Antrag eines Gläubigers verfolgt, der einen Verlustschein gegen ihn erlangt hat.
Der Antrag ist innert drei Monaten seit der Zustellung des Verlustscheines zu stellen.
Dem Gläubiger, der den Schuldner zu leichtsinnigem Schuldenmachen, unverhältnismässigem Aufwand oder zu gewagten Spekulationen verleitet oder ihn wucherisch ausgebeutet hat, steht kein Antragsrecht zu.
Unterlassung der Buchführung
Art. 166 StGB
Der Schuldner, der die ihm gesetzlich obliegende Pflicht zur ordnungsmässigen Führung und Aufbewahrung von Geschäftsbüchern oder zur Aufstellung einer Bilanz verletzt, so dass sein Vermögensstand nicht oder nicht vollständig ersichtlich ist, wird, wenn über ihn der Konkurs eröffnet oder in einer gemäss Artikel 43 des Bundesgesetzes vom 11. April 1889192 über Schuldbetreibung- und Konkurs (SchKG) erfolgten Pfändung gegen ihn ein Verlustschein ausgestellt worden ist, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Bevorzugung eines Gläubigers
Art. 167 StGB
Der Schuldner, der im Bewusstsein seiner Zahlungsunfähigkeit und in der Absicht, einzelne seiner Gläubiger zum Nachteil anderer zu bevorzugen, darauf abzielende Handlungen vornimmt, insbesondere nicht verfallene Schulden bezahlt, eine verfallene Schuld anders als durch übliche Zahlungsmittel tilgt, eine Schuld aus eigenen Mitteln sicherstellt, ohne dass er dazu verpflichtet war, wird, wenn über ihn der Konkurs eröffnet oder gegen ihn ein Verlustschein ausgestellt worden ist, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Bestechung bei Zwangsvollstreckung
Art. 168 StGB
1 Wer einem Gläubiger oder dessen Vertreter besondere Vorteile zuwendet oder zusichert, um dessen Stimme in der Gläubigerversammlung oder im Gläubigerausschuss zu erlangen oder um dessen Zustimmung zu einem gerichtlichen Nachlassvertrag oder dessen Ablehnung eines solchen Vertrages zu bewirken, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2 Wer dem Konkursverwalter, einem Mitglied der Konkursverwaltung, dem Sachwalter oder dem Liquidator besondere Vorteile zuwendet oder zusichert, um dessen Entscheidungen zu beeinflussen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
3 Wer sich solche Vorteile zuwenden oder zusichern lässt, wird mit der gleichen Strafe belegt.
Verfügung über mit Beschlag belegte Vermögenswerte
Art. 169 StGB
Wer eigenmächtig zum Schaden der Gläubiger über einen Vermögenswert verfügt, der
amtlich gepfändet oder mit Arrest belegt ist,
in einem Betreibungs‑, Konkurs- oder Retentionsverfahren amtlich aufgezeichnet ist oder
zu einem durch Liquidationsvergleich abgetretenen Vermögen gehört
oder einen solchen Vermögenswert beschädigt, zerstört, entwertet oder unbrauchbar macht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Erschleichung eines gerichtlichen Nachlassvertrages
Art. 170 StGB
Der Schuldner, der über seine Vermögenslage, namentlich durch falsche Buchführung oder Bilanz, seine Gläubiger, den Sachwalter oder die Nachlassbehörde irreführt, um dadurch eine Nachlassstundung oder die Genehmigung eines gerichtlichen Nachlassvertrages zu erwirken,
der Dritte, der eine solche Handlung zum Vorteile des Schuldners vornimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Gerichtlicher Nachlassvertrag
Art. 171 StGB
1 Die Artikel 163 Ziffer 1, 164 Ziffer 1, 165 Ziffer 1, 166 und 167 gelten auch, wenn ein gerichtlicher Nachlassvertrag angenommen und bestätigt worden ist.
2 Hat der Schuldner oder der Dritte im Sinne von Artikel 163 Ziffer 2 und 164 Ziffer 2 eine besondere wirtschaftliche Anstrengung unternommen und dadurch das Zustandekommen des gerichtlichen Nachlassvertrages erleichtert, so kann die zuständige Behörde bei ihm von der Strafverfolgung, der Überweisung an das Gericht oder der Bestrafung absehen.
Widerruf des Konkurses
Art. 171bis StGB
1 Wird der Konkurs widerrufen (Art. 195 SchKG193), so kann die zuständige Behörde von der Strafverfolgung, der Überweisung an das Gericht oder der Bestrafung absehen.
2 Wurde ein gerichtlicher Nachlassvertrag abgeschlossen, so ist Absatz 1 nur anwendbar, wenn der Schuldner oder der Dritte im Sinne von Artikel 163 Ziffer 2 und 164 Ziffer 2 eine besondere wirtschaftliche Anstrengung unternommen und dadurch dessen Zustandekommen erleichtert hat.
Art. 731b OR
1 Ein Aktionär oder ein Gläubiger kann dem Gericht bei folgenden Mängeln in der Organisation der Gesellschaft beantragen, die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen:
- Der Gesellschaft fehlt eines der vorgeschriebenen Organe.
- Ein vorgeschriebenes Organ der Gesellschaft ist nicht richtig zusammengesetzt.
- Die Gesellschaft führt das Aktienbuch oder das Verzeichnis über die ihr gemeldeten wirtschaftlich berechtigten Personen nicht vorschriftsgemäss.
- Die Gesellschaft hat Inhaberaktien ausgegeben, ohne dass sie Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert hat oder die Inhaberaktien als Bucheffekten ausgestaltet sind.
- Die Gesellschaft hat an ihrem Sitz kein Rechtsdomizil mehr.516
1bis Das Gericht kann insbesondere:
- der Gesellschaft unter Androhung ihrer Auflösung eine Frist ansetzen, binnen deren der rechtmässige Zustand wiederherzustellen ist;
- das fehlende Organ oder einen Sachwalter ernennen;
- die Gesellschaft auflösen und ihre Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs anordnen.517
2 Ernennt das Gericht das fehlende Organ oder einen Sachwalter, so bestimmt es die Dauer, für die die Ernennung gültig ist. Es verpflichtet die Gesellschaft, die Kosten zu tragen und den ernannten Personen einen Vorschuss zu leisten.
3 Liegt ein wichtiger Grund vor, so kann die Gesellschaft vom Gericht die Abberufung von Personen verlangen, die dieses eingesetzt hat.
4 Die zur Liquidation der Gesellschaft nach den Vorschriften über den Konkurs eingesetzten Liquidatoren haben, sobald sie eine Überschuldung feststellen, das Gericht zu benachrichtigen; es eröffnet den Konkurs.518
516 Fassung gemäss Ziff. II des BG vom 21. Juni 2019 zur Umsetzung von Empfehlungen des Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke, in Kraft seit 1. Jan. 2021, Ziff. 4 in Kraft seit 1. Mai 2021 (AS 2019 3161, 2020 957; BBl 2019 279).
517 Eingefügt durch Ziff. I 1 des BG vom 21. Juni 2019 zur Umsetzung von Empfehlungen des Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke, in Kraft seit 1. Nov. 2019 (AS 2019 3161; BBl 2019 279).
518 Eingefügt durch Ziff. I 2 des BG vom 17. März 2017 (Handelsregisterrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 957; BBl 2015 3617).
Quelle
LawMedia Redaktionsteam