StPO 115 Abs. 1 + StPO 122 Abs. 1, StPO 126 Abs. 1 lit. b + Abs. 2 lit. d
Sachverhalt und History
Das Genfer Kantonsgericht (KG GE) hatte den Beschuldigten (Beschwerdeführer) von den Vorwürfen der Veruntreuung und des Betrugs freigesprochen, die Zivilansprüche samt Zinsforderungen der Beschwerdegegner aber gutgeheissen.
Die vom KG GE zugesprochenen Zivilansprüche stützten sich auf:
- unerlaubte Handlung (OR 41) und
- Solidarschuldnerschaft des Beschwerdeführers in Verbindung mit einem Darlehensvertrag (Vertrag).
Der Beschuldigte führte Beschwerde in Strafsachen gegen diesen Entscheid beim Bundesgericht (BGer).
Erwägungen
Das BGer erwog zur Adhäsionsklage im Strafverfahren im Wesentlichen:
- Zivilansprüche, welche auf einem Vertrag beruhen, können nicht Gegenstand adhäsionsweise erhobener Zivilklagen im Strafverfahren bilden.
- Das Strafverfahren dürfe kein «blosses Vehikel» zur Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche sein.
- Zudem könne nur als Privatstrafkläger auftreten, wer in seinen Rechten durch eine Straftat direkt betroffen sei.
Das BGer stellte abschliessend fest, das kantonale Gericht habe Bundesrecht verletzt, indem es
- den Zivilklagen der Beschwerdegegner gestützt auf OR 41 – ungeachtet des Freispruchs des Beschwerdeführers – aus rechtlichen Gründen (Nichterfüllung der objektiven Tatbestandsmerkmale) stattgegeben habe, anstatt diese abzuweisen;
- den Beschwerdeführer zur Zahlung der vertraglich geschuldeten Darlehenszinsen – zu Unrecht – verurteilte, anstatt diese Ansprüche auf den Zivilweg zu verweisen.
Entscheid
- Gutheissung der Beschwerde in Strafsachen.
- Aufhebung des angefochtenen Urteils.
- Rückweisung an die Vorinstanz zur Neubeurteilung.
- Zuweisung der hälftigen Kosten und Entschädigung für das Verfahren vor Bundesgericht zu Lasten der Beschwerdegegner, unter solidarischer Haftbarkeit.
BGer 6B_1310/2021 vom 15.08.2022 = BGE 148 IV 432 ff.
Judikatur
- BGer 4A_417/2021 vom 01.09.2022 = BGE 148 III 401 ff. (keine Verjährungsunterbrechung des vertraglich begründeten Anspruchs durch Adhäsionsklage)
Weiterführende Informationen
3. Kapitel: Geschädigte Person, Opfer und Privatklägerschaft
1. Abschnitt: Geschädigte Person
Art. 115 StPO
1 Als geschädigte Person gilt die Person, die durch die Straftat in ihren Rechten unmittelbar verletzt worden ist.
2 Die zur Stellung eines Strafantrags berechtigte Person gilt in jedem Fall als geschädigte Person.
4. Abschnitt: Zivilklage
Art. 122 StPO Allgemeine Bestimmungen
1 Die geschädigte Person kann zivilrechtliche Ansprüche aus der Straftat als Privatklägerschaft adhäsionsweise im Strafverfahren geltend machen.
2 Das gleiche Recht steht auch den Angehörigen des Opfers zu, soweit sie gegenüber der beschuldigten Person eigene Zivilansprüche geltend machen.
3 Die Zivilklage wird mit der Erklärung nach Artikel 119 Absatz 2 Buchstabe b rechtshängig.
4 Zieht die Privatklägerschaft ihre Zivilklage vor Abschluss der erstinstanzlichen Hauptverhandlung zurück, so kann sie sie auf dem Zivilweg erneut geltend machen.
Art. 126 Entscheid
1 Das Gericht entscheidet über die anhängig gemachte Zivilklage, wenn es die beschuldigte Person:
- schuldig spricht;
- freispricht und der Sachverhalt spruchreif ist.
2 Die Zivilklage wird auf den Zivilweg verwiesen, wenn:
- das Strafverfahren eingestellt oder im Strafbefehlsverfahren erledigt wird;
- die Privatklägerschaft ihre Klage nicht hinreichend begründet oder beziffert hat;
- die Privatklägerschaft die Sicherheit für die Ansprüche der beschuldigten Person nicht leistet;
- die beschuldigte Person freigesprochen wird, der Sachverhalt aber nicht spruchreif ist.
3 Wäre die vollständige Beurteilung des Zivilanspruchs unverhältnismässig aufwendig, so kann das Gericht die Zivilklage nur dem Grundsatz nach entscheiden und sie im Übrigen auf den Zivilweg verweisen. Ansprüche von geringer Höhe beurteilt das Gericht nach Möglichkeit selbst.
4 In Fällen, in denen Opfer beteiligt sind, kann das Gericht vorerst nur den Schuld- und Strafpunkt beurteilen; anschliessend beurteilt die Verfahrensleitung als Einzelgericht nach einer weiteren Parteiverhandlung die Zivilklage, ungeachtet des Streitwerts.
Quelle
LawMedia Redaktionsteam