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Aktienrechtsrevision: Kommt die Loyalitätsaktie oder kommt sie nicht?

Datum:
29.11.2018
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Legal - Compliance
Stichworte:
Aktienrecht, Aktienrechtsrevision, Compliance, Corporate Governance (GC)
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Belohnung treuer Aktionäre

Einleitung

Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates (RK-SR) hat die Detailberatung zur Aktienrechtsrevision fortgesetzt. Anders als die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-NR) will sie auf die Einführung einer sog. „Loyalitätsaktie“ verzichten resp. die Sache durch den Bundesrat näher prüfen lassen.

RK-NR pro Loyalitätsaktien

Die RK-NR hatte am 04.05.2018 beschlossen, dass die Statuten für Aktien, deren Eigentümer seit mehr als zwei Jahren als Aktionär mit Stimmrecht im Aktienbuch eingetragen seien, verschiedene Vorteile vorsehen können:

  • höhere Dividendenausschüttung
  • höhere Rückzahlung von Kapitalreserven
  • Vorzugsrechte
  • vorteilhafterer Ausgabebetrag bei Ausgabe neuer Aktien
  • Einräumung von Optionsrechten.

Eine Minderheit will keine Loyalitätsaktien einführen.

RK-SR verlangt Prüfung der Auswirkungen

Weil die juristischen und wirtschaftlichen Folgen schwierig einschätzbar sind, möchte nun die RK-SR, dass der Bundesrat die Auswirkungen von „Loyalitätsaktien“ genauer betrachtet.

Aus dem RK-SR-Protokoll vom 07.11.2018

  • Loyalitätsaktien: Mit 10 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung hat die Kommission entschieden, im Rahmen der vorliegenden Aktienrechtsrevision auf die Einführung einer sogenannten «Loyalitätsaktie» zu verzichten. Der Nationalrat wollte die Möglichkeit schaffen, dass Aktiengesellschaften für Aktionäre, die während mehr als zwei Jahren mit Stimmrecht im Aktienbuch eingetragen sind, gewisse Vorteile vorsehen können. Ein Kommissionspostulat soll den Bundesrat damit beauftragen, die möglichen Auswirkungen solcher Aktien aufzuzeigen (18.4092 s Po. RK-SR. Auswirkungen von «Loyalitätsaktien»).


Quelle: Medienmitteilung (Bern) RK-S BEENDET BERATUNGEN ZUM AKTIENRECHT | parlament.ch

Die Idee

Die Verfechter der Loyalitätsaktie (Loyality Share) wollen der immer mehr in den Vordergrund rückenden Kurzfristigkeit in Kapital- und Aktienmarkt entgegenwirken und sicherstellen, dass die Organe der Aktiengesellschaft die gewählte Unternehmensstrategie auch umsetzen können.

Publikumsgesellschaften seien heute immer in kürzeren Abständen gehalten, Erfolge auszuweisen und eine nachhaltige Strategie zu verfolgen. Die „aktivistischen Aktionäre“ (auch: sog. „Heuschrecken“) seien nur am schnellen (Aktien-)Gewinn und nicht an der langfristigen Unternehmensentwicklung interessiert.

Den Loyalitätsaktien soll eine Art „Treueprogramm“ zu Grunde liegen:

  • Loyalitätsbonus
    • Prämie für längerfristiges Aktienhalten
  • Haltedauer
    • Zwei oder mehr Jahre
  • Loyalitätsprämie
    • 10 % – 20 % der regulären Dividende

Die Studien

Neuere Studien ergeben aber, dass die Kritik an den „aktivistischen Aktionären“ empirisch nicht haltbar sei. Im Gegenteil wird angenommen, dass die Interventionen der „aktivistischen Aktionäre“ langfristig einen Mehrwert für das Unternehmen generieren würden.

Die Gegner der „Loyalitätsaktie“ machen geltend, dass erst durch die sog. „Heuschrecken“ eine Marktdisziplinierung gegenüber Verwaltungsrat und Management eingetreten sei; die Tätigkeit der „Heuschrecken“ sei besser als ihr Image.

Das Pro und Contra

Bei näherer Betrachtung lassen sich – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – folgende Vor- und Nachteile ausmachen:

  • Pro
    • Die auf eine mehrjährige Haltedauer eingestellten Aktionäre tragen die auf Jahre ausgerichtete Strategie des Managements mit
    • „Loyalitätsaktionäre“ dürften sich wegen der Aussicht auf eine „Loyalitätsprämie“ vermehrt ins Aktienregister eintragen lassen
    • Aktienregistereinträge der „loyalen Aktionäre“ sollen Management und Verwaltungsrat vermehrt den direkten Kontakt zu diesen ermöglichen
    • Förderung des nachhaltigen Gedeihens der Aktiengesellschaft, wie sie durch Familiengesellschaften praktiziert würde
  • Contra
    • Einschränkung des jederzeitigen Verkaufsrechts des Aktionärs
    • Aktionär wird „käuflich“: Er erhält eine höhere Dividende, damit er dem Management treu zur Seite steht
    • Professionelle ausländische Investoren, die ein Short-termism verfolgen, würden nicht mehr in solche Unternehmen investieren (Abnahme der Standortattraktivität der Schweiz)
    • Verstoss gegen das Prinzip der Gleichbehandlung der Aktionäre
    • Reduktion der Depotstimmenanteile bzw. der Macht der Stimmrechtsvertreter, was (mittelbar) das Tummelfeld für die „Heuschrecken“ verbessere (stimmenmässig und finanziell, da diese auch schnell einmal zwei Jahre lang Aktionäre sein würden)
    • Honorierung unkritischer Aktionäre.

Unsere Meinung

Unternehmenserfolg verlangt aktive Aktionäre

Man wird sich grundsätzlich fragen müssen, ob bei einem gewinnstrebigen und für sein Überleben zum Erfolg „verdammten“ Unternehmen unkritische und loyale Aktionäre das richtige Rezept sind.

Börsenkotierung oft als Unruhegrund

Vielleicht müssten von Verwaltungsrat und Management nicht nur die Vorteile (Reichweite von Brand und bessere Refinanzierungs-Möglichkeiten, Vergütungssysteme (Mitarbeiteraktien und Mitarbeiteroptionen usw.), sondern auch die Nachteile eines Börsengangs (Quartalsabschlüsse, Transparenz, Meldepflichten, drängende und quälende Analystenfragen, Geschäftsmodell-Einsehbarkeit für die Konkurrenz usw.) besser berücksichtigt werden. Meistens beginnt der besondere Druck auf VR und Management mit der Börsenkotierung.

„Börsenfähigkeit“ als Scheidepunkt

Unternehmen, die ihre Strategie in Ruhe umsetzen wollen, sollten Börsen meiden. Es liegt an VR und Management, zu prüfen, ob das Unternehmen „börsenfähig“ ist.

Interessenkonflikt von Unternehmen und VR/Management

Beim Thema der „Börsenfähigkeit“ besteht aber ein latenter Interessenkonflikt:

  • Börsenkotierung für das Unternehmen ein Nachteil
    • Transparenzvermeidung zur (ungestörten) Umsetzung der Unternehmensstrategie
    • Hidden Champion-Aufstellung des Unternehmens
  • Börsenkotierung für das Management ein Vorteil
    • Verbesserung der Managementposition durch Ausweitung von Umsatz und Mitarbeiterbestand
    • In der Regel höherer Lohn / Partizipation des Managements am mutmasslichen Aktienerfolg bzw. zur Messung der erfolgsabhängigen Entlöhnung

Wer die Vorteile der Börsenkotierung nutzen will, muss zwangsläufig auch die Nachteile akzeptieren. Ein solcher Nachteil ist die Publizität des Unternehmens-Erfolgs oder -Misserfolgs. VR und Management müssen sich dem stellen. Retuschen am Instrument der Aktienart sind Symptom-, nicht Ursachenbekämpfung.

Nicht für alles und jedes immer wieder neue Instrumente und Gesetzesbestimmungen

Rechtsverlässlichkeit und Rechtssicherheit sind tragende Säulen für das unternehmerische Fortkommen. Weitere symptombekämpfende Normen erhöhen die Komplexität des immer noch für Rechtslaien verständlich sein sollenden Rechts und reduzieren die Standortattraktivität für international agierende Investoren. Zudem sind die Reflexwirkungen einer neuen Aktienart auf andere Aktieninstrumente noch nicht geklärt; womöglich muss dann an weiteren, bestehenden Aktieninstrumenten geschraubt werden (die unsäglich sich häufenden Gesetzesänderungen würden ihren Fortgang nehmen).

Das Verdikt der RK-SR ist daher verantwortungsbewusst und weitsichtig.

Der nächste Schritt

Es gilt nun abzuwarten, welche Schlüsse der Bundesrat aus einer abgetieften Abklärung zieht und den Kommissionen unterbreitet.

Quelle

LawMedia-Redaktionsteam

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