Verrechnungsvoraussetzungen
Der Arbeitgeber kann seine Schadenersatzforderung unter den Voraussetzungen von OR 120 mit seiner Lohnschuld
- bei fahrlässiger oder grobfahrlässiger Verursachung
- im Umfange der Pfändbarkeit gemäss OR 323b Abs. 2 iVm SchKG 93, also unter Beachtung seines Existenzminimums, verrechnen;
- bei absichtlicher Verursachung
- unbeschränkt verrechnen.
Verrechnung oder Vorbehalt in nächster Lohnabrechnung
Kennt der Arbeitgeber alle 5 Voraussetzungen (Vertragsverletzung, Sorgfaltspflichtverletzung, Arbeitnehmerverschulden, Schaden [vor allem das Quantitativ] und den Adäquaten Kausalzusammenhang) bei der nächsten Lohnzahlung, so muss er bei der nächsten Lohnzahlung
- die Verrechnung geltend machen
- zumindest einen Vorbehalt in der Lohnabrechnung
Durch vorbehaltslose Lohnzahlung darf der Arbeitnehmer darauf schliessen, der Arbeitgeber verzichte auf einen Lohnabzug und betrachte den Schadenvorfall als erledigt.
Vorbehalt
erfordert keine Bezifferung, keine unbezifferte oder betraglich geschätzte Verrechnungserklärung oder Klage.
Lohnerhöhung trotz Schadenskenntnis
Die Gerichtspraxis (ZR 1963 Nr. 89) schliesst bei einer vorbehaltslosen Lohnerhöhung in Kenntnis des Schadens auf einen Schadenersatzverzicht des Arbeitgebers.
Verrechnung und Beendigung Arbeitsverhältnis
Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses und
- vorangegangenem Verrechnungsverbot nach OR 323b Abs. 2 iVm SchKG 93
- hat der Arbeitgeber spätestens bei Beendigung den Schadenersatz zu fordern, ansonsten auf Verzicht geschlossen würde (vgl. BGE 110 II 344 ff.);
- Ausstellung des Arbeitszeugnis
- mit dem Schlussvermerk „Der Arbeitnehmer tritt auf eigenen Wunsch aus dem Arbeitsverhältnis aus, frei von jeglicher Verpflichtung“ wird angenommen, der Arbeitgeber habe auf seine Schadenersatzansprüche verzichtet (vgl. JAR 1994, S .249 ff.; JAR 1984, S. 112).
Arbeitszeugnis und nachträgliche Schadenersatzansprüche
Selbstverständlich kann der Arbeitgeber einen solchen Verzicht wegen Irrtums anfechten, wenn er erst nachträglich von (weiteren) schädigenden Handlungen des Arbeitnehmers erfährt.
Gesetzesartikel zur Verrechnung
Art. 120
F. Verrechnung
I. Voraussetzung
1. Im Allgemeinen
1 Wenn zwei Personen einander Geldsummen oder andere Leistungen, die ihrem Gegenstande nach gleichartig sind, schulden, so kann jede ihre Schuld, insofern beide Forderungen fällig sind, mit ihrer Forderung verrechnen.
2 Der Schuldner kann die Verrechnung geltend machen, auch wenn seine Gegenforderung bestritten wird.
3 Eine verjährte Forderung kann zur Verrechnung gebracht werden, wenn sie zurzeit, wo sie mit der andern Forderung verrechnet werden konnte, noch nicht verjährt war.
Art. 323b
3. Lohnsicherung
1 Der Geldlohn ist dem Arbeitnehmer in gesetzlicher Währung innert der Arbeitszeit auszurichten, sofern nichts anderes verabredet oder üblich ist; dem Arbeitnehmer ist eine schriftliche Abrechnung zu übergeben.
2 Der Arbeitgeber darf Gegenforderungen mit der Lohnforderung nur soweit verrechnen, als diese pfändbar ist, jedoch dürfen Ersatzforderungen für absichtlich zugefügten Schaden unbeschränkt verrechnet werden.
3 Abreden über die Verwendung des Lohnes im Interesse des Arbeitgebers sind nichtig.
Art. 93
5. Beschränkt pfändbares Einkommen
1 Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
2 Solches Einkommen kann längstens für die Dauer eines Jahres gepfändet werden; die Frist beginnt mit dem Pfändungsvollzug. Nehmen mehrere Gläubiger an der Pfändung teil, so läuft die Frist von der ersten Pfändung an, die auf Begehren eines Gläubigers der betreffenden Gruppe (Art. 110 und 111) vollzogen worden ist.
3 Erhält das Amt während der Dauer einer solchen Pfändung Kenntnis davon, dass sich die für die Bestimmung des pfändbaren Betrages massgebenden Verhältnisse geändert haben, so passt es die Pfändung den neuen Verhältnissen an.