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Autorecht

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Anhaltestrecke

Rechtsgebiet:
Autorecht
Stichworte:
Anhaltestrecke, Autorecht, Bremsweg, Geschwindigkeit, Reaktionsweg
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Allgemeines

  • Die «Anhaltestrecke» setzt sich zusammen
    • aus dem Reaktionsweg und
    • aus dem Bremsweg.

Zum Reaktionsweg

  • Der Reaktionsweg hängt ab
    • von der Distanz, welche das Fahrzeug von jenem Moment an zurücklegt,
      • in dem der Lenker die Gefahrensituation erkennt,
        • bis er darauf reagiert und die erforderlichen Gegenmassnahmen unternimmt, zB
          • Bremsen;
          • Beschleunigen;
          • Ausweichen.
  • Der Rektionsweg ist abhängig von:
    • der Geschwindigkeit und
    • der momentanen Aufmerksamkeitsgrad des Lenkers.

Zum Bremsweg

  • Grundsätzliches
    • Der eigentliche Bremsweg beginnt mit dem Ende der Bremsschwelldauer.
    • Auch das Bremssystem braucht eine gewisse technische Reaktionszeit:
      • Die sog. Ansprech- und Bremsschwelldauer dürfte
        • etwa 0.18 Sekunden betragen und ist abhängig vom Zustand der Bremsanlage.
      • Der Bremsweg als solcher kann nicht generell quantifiziert werden, sondern ist abhängig von
        • der Geschwindigkeit und von der konkreten Situation mit dem entsprechenden Verzögerungswert.
        • Dieser berechnet sich nach der Formel:

Bremsweg-Formel

  • s = v2/2b
  • s: Bremsweg in Metern (m)
  • v: Geschwindigkeit in Metern pro Sekunde (m/s = km/h dividiert durch 3,6)
  • b: Mittlere Verzögerung in Metern pro Sekunde im Quadrat (m/s2)

Quelle: Roth Andreas, BSK SVG, Basel 2014, N 54 zu Art. 32 SVG

  • Verlängerung oder Verkürzung des Bremswegs
    • Der Bremsweg verlängert oder verkürzt sich – anders als der Reaktionsweg – nicht linear, sondern abhängig von der Geschwindigkeit.
    • Der Verzögerungswert ist abhängig von
      • der Leistungsfähigkeit der Bremsanlage;
      • der Stossdämpfer;
      • der Beschaffenheit der Pneus;
      • der Beschaffenheit der Strasse.
    • Der Fortschritt der Technik lässt immer wieder bessere Verzögerungswerte zu.
      • In der Regel liegen sie – abhängig vom jeweiligen Fahrzeug – weit über den gesetzlichen Anforderungen gemäss Anhang 7 zur VTS,
        • für Personenwagen gem. Ziff. 22: 5.8m/s2);
        • für andere Fahrzeug sind sie unterschiedlich.
    • Strassenzustand + Steigung oder Gefälle der Strasse
      • Wesentlich für den Bremsweg sind:
        • Strassen-Beschaffenheit;
        • Fahrbahn-Steigung;
    • Fahrbahn-Gefälle.Dähler / Peter / Schaffhauser, a.a.O., AJP 8 / 1999, 951, nehmen folgende Werte an:
Quelle: Roth Andreas, BSK SVG, Basel 2014, N 56 zu Art. 32 SVG
Fahrbahn trocken Personenwagen 6.5 – 8.5m/s2
Lieferwagen 5.5 – 7.5m/s2
Lastwagen 4.5 – 6.5m/s2
Anhängerzug 4.0 – 5.5m/s2
Motorräder 5.0 – 8.0m/s2
– beide Bremsen 2.5 – 4.0m/s2
– Hinterradbremse
Fahrbahn nass Personenwagen 6.0 – 7.5m/s2
Lieferwagen 5.0 – 6.5m/s2
Lastwagen 4.0 – 6.0m/s2
Anhängerzug 4.0 – 5.0m/s2
Motorräder 4.5 – 6.5m/s2
– beide Bremsen 2.0 – 3.0m/s2
– Hinterradbremse
  • ABS
    • Das Antiblockiersystem (ABS) verhindert bei einer Vollbremsung das Blockieren der Fahrzeugräder.
    • Dies führt zwar in aller Regel nicht zu einer Verkürzung des Bremsweges, aber zur Lenkbarkeit der Räder.
  • ESP
    • Das elektronische Stabilisierungssystem (ESP) erhöht in physikalischen Grenzbereichen die Kontrolle des Fahrzeuges mittels gezielten Abbremsens einzelner Räder.
    • ESP
      • verhindert sodann bei übermässiger Beschleunigung das Durchdrehen der Antriebsräder;
      • vermindert die Schleudergefahr vermindert;
      • optimiert die Spurtreue des Fahrzeugs.
      • wird optimiert.
    • Gleichwohl sind auch dem ESP-System die Grenzen der Physik gesetzt.
    • Wenn die Haftungsgrenze überschritten wird, hilft das ESP so wenig wie das ABS.
  • Auswirkungen von Steigung und Gefälle
    • Pro 1% Steigung oder Gefälle müssen die obgenannten Verzögerungswerte um 0,1m/s2 gesenkt resp. erhöht werden.

Individuell konkreter Einzelfall

  • In komplexen  Einzelfällen wird meistens die Erstellung eines technischen Gutachtens notwendig werden.

Literatur

  • o   Roth Andreas, BSK SVG, N 50 ff. zu Art. 32 SVG
  • o   Dähler / Peter / Schaffhauser, Ausreichender Abstand beim Hintereinanderfahren, in: AJP 8/1999, 951 ff.
  • o   Löhle H., Fahrzeugtechnik 1983, 139
  • o   Schaffhauser R., I2, 157, mit weiteren Hinweisen
  • o   Löhle H., Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Reaktionsdauer, Fahrzeugtechnik 1983, 139
  • o   Schaffhauser R. , I2, N 598 f.
  • o   Schaffhauser R. / Peter E., Strassenverkehr: Wie das Bundesgericht Anhaltewege berechnet. Anmerkungen zum Urteil 6B_533/2012 vom 25.1.2013, in: Jusletter vom 10.06.2013

Judikatur

  • BGer 6B_533/2012 vom 12.01.2013

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