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Autorecht

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Privilegierung bei Fussgängerstreifen

Rechtsgebiet:
Autorecht
Stichworte:
Autofahren, Autorecht, Fahrbahn, Fussgänger, Fussgängerstreifen, Pflichten, Überqueren
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG
  • Grundsatz
    • SVG 33 Abs. 2 räumt dem Fussgänger ein:
      • Das nicht absolute und nicht unbeschränkte Vortrittsrecht.
  • Fahrzeuglenker-Obliegenheiten + -Pflichten
    • Der Fahrzeuglenker muss
      • jedem Fussgänger den Vortritt gewähren:
        • der sich bereits auf dem Streifen befindet (vgl. VRV Art. 6 Abs 1);
        • der davor wartet und ersichtlich die Fahrbahn überqueren will (vgl. VRV Art. 6 Abs 1);
      • vor dem Streifen halten (können), auch bei Verkehrsstockungen;
      • den Fussgängerstreifen freihalten (vgl. VRV 12 Abs. 3).
  • Fussgänger-Obliegenheiten + -Pflichten
    • Der Fussgänger darf
      • den Fussgängerstreifen nicht mehr betreten, wenn ein Fahrzeug bereits so nahe ist, dass es nicht mehr rechtzeitig anhalten kann (VRV 47 Abs. 2 Satz 2);
      • den Fussgängerstreifen nicht unvermittelt, ohne Kontrollblick und ohne jede Rücksicht betreten.
  • Abgrenzung von Lenker- und Fussgänger-Pflichten
    • Die gegenseitigen Pflichten von Fahrzeugführer und Fussgänger sind sorgfältig abzugrenzen.
  • Vorphase beim Fahrzeuglenker
    • Wenn der Fahrzeugführer auf einen Fussgängerstreifen zufährt, hat er eine besondere Vorsicht walten lassen (sog. «Vorphase»), insbesondere bezüglich:
      • ganze Fahrbahn;
      • Nebenräume
        • Trottoirs
        • Parkplätze
        • auch linke Strassenseite;
      • Zufahren nur nach Vergewisserung der freien Fahrt.
    • Andernfalls muss der Fahrzeuglenker
      • seine Geschwindigkeit drosseln,
      • Bremsbereitschaft erstellen und
      • nötigenfalls anhalten können.
    • Bremsbereitschaft bedeutet
      • Achtsamkeit (zur Reduktion der Reaktionszeit);
      • Nicht unbedingt ein Fusswechseln vom Gas- zum Bremspedal;
      • Ohne jede Verzögerung voll bremsen können beim Auftreten von Gefahren.
    • Sichtbehinderungen auf den Strassen exkulpieren nicht.
  • Besondere Vorsicht des Fahrzeuglenkers
    • Besondere Vorsicht ist geboten, wenn
      • sich im Bereich des Streifens bereits Fussgänger aufhalten, wie
        • Kinder (SVG 26 Abs. 2);
        • Ältere Menschen;
        • Eilige Personen vor dem Fussgängerstreifen;
        • beim «Bushalt» vis à vis.
      • Angemessene Temporeduktionen sind angezeigt bei:
        • Dunkelheit;
        • unübersichtliche Verhältnisse;
      • da Fussgänger unverhofft oder spät erkennbar sein könnten.
  • Reaktionszeit beim Fahrzeuglenker
    • Die dem Fahrzeugführer zugestandene «Reaktionszeit» orientiert sich an den konkreten Umständen:
      • Keine Fahrlässigkeit, wenn dem Lenker bei angemessener Geschwindigkeit nur noch weniger als eine halbe Sekunde zur Reaktion verbleibt (vgl. BGE 90 IV 20)
      • Der Fussgänger darf sein Vortrittsrecht beanspruchen,
        • wenn sich ein Fahrzeug noch in angemessener Entfernung vom Streifen befindet;
        • unabhängig von der tatsächlichen Geschwindigkeit, mit welcher sich das Fahrzeug dem Streifen nähert (vgl. BGE 91 IV 78)
      • Dem mit unangemessener bzw. übersetzter Geschwindigkeit daher fahrenden Fahrzeugführer darf auch dann ein Verschulden angelastet werden, wenn ein Fussgänger überraschend den Fussgängerstreifen betritt (vgl. BGE 121 IV 286).
        • Keine Exkulpation des Fahrzeuglenkers wegen
          • Blendwirkung (vgl. BGer 6B_16/2008; BGer 1C_594/2008; BGer 6B_525/2009)
          • Sichtbehinderungen bzw. durch die A-Säule seines Fahrzeugs (vgl. BGer 6B_788/2009 vom 27.11.2009)
        • Der Fahrzeugführer muss auch mit unsicheren Fussgängern rechnen.
  • Vortrittsverzicht des Fussgängers
    • Der «Verzicht» des Fussgängers auf den Vortritt muss
      • eindeutig durch Handzeichen kundgetan werden (vgl. BGer 40/2001 vom 26.06.2001).
    • Ein allfälliges Missverständnis geht
      • zu Lasten des Vortrittsbelasteten (vgl. BGE 89 II 49)
    • Der Fussgänger auf dem Fussgängerstreifen
      • ist nicht verpflichtet, in der Fahrbahnmitte einen Halt einzulegen;
      • hat den Vortritt auf dem ganzen Fussgängerstreifen (vgl. BGer 70/2006 vom 28.12.2006)
    • Kein Fussgängerverzicht:
      • Zögern beim Betreten des Fussgängerstreifens (vgl. BGer 40/2001 vom 26.06.2001);
      • Stehenbleiben auf dem Fussgängerstreifen (vgl. BGE 92 IV 20, Erw. 3).
  • Kein Halten auf Fussgängerstreifen
    • Um Missverständnisse zu vermeiden und den Überblick zu ermöglichen, bestimmt VRV 18 Abs. 2 lit. e, dass verboten sind:
      • Ein freiwilliges Halten auf Fussgängerstreifen;
      • ein Anhalten näher als 10 m vor dem Fussgängerstreifen;
      • ein Überholen, wenn vor dem Streifen ein Fahrzeug anhält, um Fussgängern das Überqueren der Strasse zu ermöglichen (Art. 35 Abs. 3) (vgl. BGer 80/2006 vom 24.01.2007); gilt auch für Radfahrer.
      • zu nahes Auffahren auf den Vordermann (es ist genügend Abstand für eine (Not-)Bremsung zu halten; vgl. BGE 125 IV 195).
  • Verkehrsinsel
    • Grundsatz
      • Ist der Fussgängerstreifen in der Mitte durch eine «Verkehrsinsel» unterteilt,
        • gilt jeder Teil des Übergangs als selbständiger Streifen (vgl. VRV 47 Abs. 3).
      • Fussgänger
        • Kein Zwang zu Sicherheitshalt auf Mittelinsel.
        • Pflicht zu Kontrollblick, spätestens auf Mittelinsel und Beobachtung, ob das herannahende Fahrzeug bereits so nahe ist, dass es nicht mehr rechtzeitig halten könnte.
      • Fahrzeuglenker
        • Fahrzeugführer darf nach dem Vertrauensgrundsatz (vgl. VRV 26 Abs. 1) davon ausgehen, dass der Fussgänger seiner Beobachtungs- und allfälligen Wartepflicht nachkommt.
          • Fehlen dazu Anzeichen muss der Lenker alle Vorkehren treffen, um eine Kollision zu vermeiden.

Literatur

  • Roth Andreas, BSK SVG, Basel 2014, N 7 ff. Art. 33 SVG
  • Weissenberger, SVG, Art. 33 N 7 + N 11

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