Das vor allem aus dem Neuwagen-Kaufgeschäft (und vom Werkvertragsrecht) bekannte Nachbesserungsrecht soll auch an dieser Stelle erläutert werden:
Keine gesetzliche Grundlage
- Der Gesetzgeber sieht im Kaufrecht kein Anspruch des Autokäufers auf Nachbesserung (Reparatur) vor
- Damit hat weder der Autoverkäufer ein Recht, nachzubessern, noch der Autokäufer einen Nachbesserungsanspruch
Definition
- Nachbesserung = Reparatur des Mangels durch den Autoverkäufer selbst oder auf dessen Kosten
Parteiabrede der Nachbesserung
- Zulässigkeit
- anerkannt
- dispositive Natur von OR 205 ff.
- Die herrschende Lehre und Rechtsprechung lehnen eine analoge Anwendung von OR 368 Abs. 2 (Nachbesserung im Werkvertragsrecht) im Kaufrecht ab
- Ziele
- Verkäufer
- Abwendung der nachteiligen gesetzlichen Mängelrechte
- Nachbesserung als kostengünstigste Variante
- Reparatur in eigener Werkstatt
- der einmal gefundene Käufer sollte nicht so schnell preis gegeben werden / kein Aufwand für Suche Ersatzkäufer
- keine Kundenverärgerung
- kein Imageverlust
- Käufer
- Unkomplizierte und zügige Mängelbeseitigung
- Mängelbehebung ohne Rechtsmittel-Ergreifung
- Keine Rückabwicklungsrisiken
- Kaufpreisrückzahlungsfähigkeit des Autoverkäufers
- eingetauschtes Eigenfahrzeug
- etc.
- Verkäufer
- Inhalt
- Recht des Verkäufers, den Mangel nachzubessern zu dürfen und Recht des Käufers, Nachbesserung (Reparatur) zu verlangen
- Nachbesserungsabrede ist oft Bestandteil einer Garantieabrede
- Ausschluss der Wandelungs- oder Minderungsrechte?
- Nachbesserung nur Vorstufe und Wandelung oder Minderung bei erfolgloser Nachbesserung?
- Auslegungsbedürftigkeit?
- Form
- Formfrei, stillschweigend oder konkludent
- u.U. gar aufgrund des Prinzips von Treu und Glauben (siehe nachfolgend „Nachbesserung kraft Treu und Glauben“)
- Nachträgliche Begründung
- Durch schriftliche oder mündliche Übereinkunft (im Rahmen des Mängelstreits), aber auch durch Konkludenz (Autokäufer lässt den Autoverkäufer reparieren); vgl. auch Nachbesserung kraft Treu und Glauben (siehe nachfolgend)
- Unklarheit bei Misslingen der Nachbesserung
- Wandelungs- oder Minderungsrechte vorbehalten?
Nachbesserung kraft Treu und Glauben
- Treu und Glauben im Geschäftsverkehr
- Die Nachbesserung kann sich aus der Geschäftsmaxime von Treu und Glauben ergeben
- Parteiinteressen
- Nachbesserung als Symbiose von Verkäufer- und Käuferinteressen, indem ersterer Gewähr für eine einwandfreie Mängelbehebung bietet und letzterer nichts dagegen einzuwenden hat
- Freiwilligkeit, wobei sich der Käufer dies bei negativem vorausgegangenem Verkäuferverhalten gut überlegen sollte
Inhalt der Nachbesserung
- Mängelbehebung auf Kosten des Autoverkäufers
- = absolute Kostenübernahme, unabhängig von der Höhe der Mängelbehebungskosten (Material und Arbeit)
- Die werkvertragliche Einrede „übermässiger Kosten“ gemäss OR 368 Abs. 2 zur Verhinderung der Nachbesserung bleibt auch hier verwehrt
- Vorbehalt: anderslautende Nachbesserungsabrede im Autokaufvertrag
- Vorbereitungs- und Begleitaufwendungen für die Nachbesserung gehen zu Lasten des Autokäufers
- Bergungskosten
- Abschleppkosten
- Anlieferungskosten
Durchführung der Nachbesserung
- Grundsatz
- Die Nachbesserungsmittel bestimmt der nachbessernde Autoverkäufer
- Material
- Reparatur der defekten Teile
- Verwendung von Ersatzteilen (Neuteile)
- Im Einzelfall zu prüfen ist, ob defekte Teile durch ein sog. Austauschaggregat (neuwertig revidierter Altteil wie Anlasser, Alternator usw.) oder einen werksüberholten Teil ersetzt werden darf
- Arbeit
- Reparatur in Eigen-Werkstatt oder bei Drittem
- Material
- Ziel: Erfolgreiche Nachbesserung und keine Benachteiligung des Autokäufers
- Die Nachbesserungsmittel bestimmt der nachbessernde Autoverkäufer
- Ausnahme
- Beachtung der Vorschriften des Autoproduzenten sind zu beachten
- Grund: Vermeidung des Dahinfallens der Hersteller-Garantieansprüche
- Verwendung nur von Original-Ersatzteilen
- Einsatz nur von Fachpersonal
- Anderes muss sich der Autokäufer nicht gefallen lassen
- Nicht fachkundige Nachbesserung muss nicht akzeptiert werden (kein oberflächlicher oder provisorischer Pfusch)
- Beachtung der Vorschriften des Autoproduzenten sind zu beachten
Nachbesserungsfrist
- Grundlage
- Fehlende gesetzliche Grundlage
- Analoge Anwendung von OR 75
- Sofortiger Arbeitsbeginn und zügige Erledigung
- Praxis
- Faktoren
- Marke, Modell, Fahrzeugalter und Marktpräsenz im betreffenden Land
- Umstände des konkreten Einzelfalls
- Verbreitete Marke mit Inlandersatzteillager
- Kurze Nachbesserungsfrist
- Je nach Defekt von einem Tag bis 2 – 3 Wochen
- Faktoren
- Nachfristansetzung
- Nachfristansetzung nach den Regeln des Schuldnerverzugs (OR 102)
- Keine Nachfristansetzung
- Eine Nachfristansetzung kann unterbleiben bei
- Nachbesserungsweigerung des Autoverkäufers
- Nachbesserungsunfähigkeit des Autoverkäufers
- Eine Nachfristansetzung kann unterbleiben bei
Misslingen der Nachbesserung
- Misslingen infolge objektiver Unmöglichkeit
- Nicht behebbare Mängel
- Nicht ohne Wertverlust behebbare Mängel
- Anwendungsfälle
- Gravierende Konstruktionsfehler
- Erhebliche Fabrikationsfehler
- Nachbesserungs-Weigerung des Verkäufers
- Ablehnung der Nachbesserung durch den Autoverkäufer
- Abhängigmachen der Nachbesserung von unzulässigen Bedingungen
- nicht vereinbarte Voraussetzungen
- nicht verabredete Autokäufer-Mitwirkungshandlungen
- nicht vorgesehene Kostenbeteiligung des Autokäufers
- Nachbesserungs-Unfähigkeit des Verkäufers
- Unfähigkeit wird angenommen, wenn der Autoverkäufer den Mangel nicht innert zumutbarer Frist beheben kann
- Massgeblichkeit der Umstände des konkreten Einzelfalls
- Schwere des Mangels
- Abwägung von Verkäufer- und Käuferinteressen
- Anzahl der Nachbesserungsversuche
- Anzahl der zumutbaren Nachbesserungsversuche
- je nach den Einzelumständen
- Autokäufer sollte dem Autoverkäufer schon zwei bis drei Nachbesserungsversuche ermöglichen
- Mehr Nachbesserungsversuche sind dann nicht zumutbar, wenn der Verkäufer das Vertrauen des Käufers eingebüsst hat
- Ein Vertrauensverlust erscheint als begründet bei
- Nachbesserungs-Vortäuschung
- Bagatellisierung des Mangels
- Pfuscharbeit als Nachbesserungsleistung
- Rechtsfolgen der misslungenen Nachbesserung
- Grundsatz
- Wiederaufleben der gesetzlichen Gewährleistungsansprüche
- Lehre und Rechtsprechung sehen befürworten Möglichkeiten
- 1. Anwendung der Schuldnerverzugsregeln (OR 107 Abs. 2)
- entweder Vertragsrücktritt
- oder Wiederaufleben des Wandelungs- oder Minderungsrecht oder
- 2. Schadenersatz aus Nichterfüllung des Autokaufvertrages oder
- 3. Erfüllungsklage oder Beharren auf einer Nachbesserung
- 1. Anwendung der Schuldnerverzugsregeln (OR 107 Abs. 2)
- Praxis
- Komplizierte Umsetzung
- Alternative
- Ersatzvornahme und Kostenfolge zu Lasten des Autoverkäufers; hiefür bedarf es weder der Erfüllungsklage noch der Realvollstreckung nach OR 98 Abs. 2 (vgl. BGE 116 II 314)
- Grundsatz
Weiterführende Informationen
Literatur
- MAISSEN LUIS, Sachgewährleistungsprobleme beim Kauf von Auto-Occasionen, Diss. Zürich 1999, S. 102 ff.
- GIGER, a.a.O., N 42 und 43 zu Art. 205 OR
Judikatur
- Zur Nachbesserung allgemein
- BGE 95 II 125 f.
- BGE 91 II 344 ff., insbesondere 348
- SemJud 102 (1980) 410 ff.
- BGE 93 II 226
- BGE 111 II 173 f. = Pra 65 (1986) Nr. 90
- ZR 79 (1980) 279
- BGE 116 II 312 (unzumutbares Flickwerk und Behelfslösung)
- BGE 48 II 224
- BGE 96 II 353
- Zu den Rechtsfolgen der misslungenen Nachbesserung
- SemJud 100 (1978) 141
- BGE 91 II 351
- BGE 105 II 34