Das Prinzip der „Steuereinheit der Familie“ zieht sich durch bis zur gemeinsamen Haftung der Ehegatten für ausstehende Steuern:
Solidarische Haftung
Grundsatz
- Bei der dBSt (DBG 13 Abs. 1) haften Ehegatten, die in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe leben, solidarisch für die Gesamtsteuer
- Die grundsätzlich solidarische Haftung der Ehegatten ist – wie eingangs erwähnt – eine Folge des Prinzips der steuerlichen Einheit der Familie
- Lässt sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Ehegatten im Veranlagungsverfahren aufgrund der engen rechtlichen und wirtschaftlichen Verbindung der ehelichen Gemeinschaft nicht gesondert ermitteln, kann auch im Steuerbezugsverfahren die Haftung nicht ohne weiteres anteilmässig aufgeteilt werden
Ausnahme (Solidarhaft)
- Bundessteuern
- Ist ein Ehegatte zahlungsunfähig, haftet jeder nur für seinen Anteil an der „Gesamtsteuer“ (DBG 13 Abs. 1)
- Zahlungsunfähigkeit liegt in folgenden Fällen vor:
- Bestehen von Verlustscheinen
- Konkurs
- Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung
- dauerndes Unvermögen des Schuldners, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen (zB umfassende Überschuldung)
- Kantonssteuern
- Das StHG regelt die Haftung der Ehegatten für die Kantone nicht ausdrücklich
- Die Haftung der Ehegatten wird daher kantonal unterschiedlich gehandhabt
- Viele kantonale Steuergesetze sehen eine solidarische Haftung beider Ehegatten vor
Qualität und Quantitativ der Haftung
- Der Umfang der Haftung ist in den einzelnen Kantonen wie folgt ausgestaltet:
- Jeder der im selben Haushalt wohnenden Ehegatten haftet im Prinzip für die gesamte Steuerschuld solidarisch, und zwar mit dem ganzen Vermögen (unbegrenzte Haftung), unabhängig davon, ob er die Steuererklärung unterzeichnet hat oder nicht:
- AR
- AI
- VD
- Jeder der Ehegatten haftet solidarisch, aber in gewissen Fällen kann die Haftung begrenzt sein:
- Bei offensichtlicher Zahlungsunfähigkeit des einen Ehegatten haftet der andere nur für den Steueranteil, der auf sein eigenes Einkommen (wie dBSt) und Vermögen entfällt:
- BE
- BL
- GL
- GR
- NE
- TG
- VS
- ZH
- Bei offensichtlicher Zahlungsunfähigkeit eines Ehegatten haftet der andere nur für den Steueranteil solidarisch, der auf sein eigenes Einkommen / Vermögen sowie auf das Einkommen / Vermögen seiner Kinder entfällt:
- AG
- FR
- GE
- JU
- NW
- OW
- SG
- SH
- SO
- SZ
- UR
- ZG
- Der Ehegatte kann innert 30 Tagen nach Eröffnung der Veranlagungsverfügung schriftlich bei den Steuerbehörden beantragen, dass die solidarische Haftung nur für seinen Steueranteil gilt:
- TI
- Erbringt der Ehegatte den Nachweis, dass bestimmte Einkommens- und Vermögensteile dem andern Ehegatten zuzurechnen sind, haftet er höchstens für das Doppelte des auf sein Einkommen und Vermögen entfallenden Steueranteils. Weiter besteht keine Haftung für Strafsteuern:
- LU
- Bei offensichtlicher Zahlungsunfähigkeit des einen Ehegatten haftet der andere nur für den Steueranteil, der auf sein eigenes Einkommen (wie dBSt) und Vermögen entfällt:
- Beide Ehegatten haften nur bis zu dem Steuerbetrag, der auf ihr eigenes Einkommen und Vermögen entfällt:
- BS
- Jeder der im selben Haushalt wohnenden Ehegatten haftet im Prinzip für die gesamte Steuerschuld solidarisch, und zwar mit dem ganzen Vermögen (unbegrenzte Haftung), unabhängig davon, ob er die Steuererklärung unterzeichnet hat oder nicht:
Haftung unabhängig vom Güterstand
Grundsatz
- Der vom Ehepaar gewählte Güterstand (einschliesslich der Gütertrennung) hat keinen Einfluss auf den Umfang der Haftung der Ehegatten für die Steuerschulden
Ausnahmen
- Ein Ehegatte, welcher in Gütertrennung im gemeinsamen Haushalt lebt und keine Erwerbstätigkeit ausübt, sondern sich voll um dem Haushalt und den Kinder widmet, kann sich bei solidarischer und vollständiger Haftung plötzlich mit angehäuften, nicht bekannten Nachsteuern des anderen Ehegatten konfrontiert sehen
Exkurs: Kantonale Steuergesetze
Grundsatz
- Bei der dBSt (DBG 13 Abs. 2) sowie gemäss fast allen kantonalen Steuergesetzen entfällt bei rechtlich oder tatsächlich getrennter Ehe die Solidarhaftung für alle noch offenen Steuerschulden, d.h. auch für diejenigen aus der Zeit, als die Ehegatten noch gemeinsam veranlagt wurden
Ausnahme
- Die solidarische Haftung für die während der Ehe aufgelaufenen Steuern bleibt in nachgenanntem Kanton auch nach einer Trennung oder Scheidung bestehen
- AR
Haftung für Steuerhinterziehungsbussen?
- Die steuerpflichtige Person, die in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe lebt, kann aufgrund der höchstpersönlichen Natur der Strafe nur für die Hinterziehung ihrer eigenen Steuerfaktoren gebüsst werden (DBG 180 und StHG 57 Abs. 4).
Judikatur
- BGer 2C_142/2020 vom 15.06.2020 (ZH: Rückwirkende Aufhebung der Solidarhaftung der Ehegatten nur bei Zahlungsunfähigkeit, nicht aber bei Ehescheidung)
- BGer 2C_689/2019 vom 15.08.2019 (Steuerhinterziehungsbusse ist höchstpersönlicher Natur; keine Mithaftung des sonst solidarisch haftenden Ehegatten)
- BGer 5A_555/2018 vom 17.10.2018 (ohne einen Aufteilungsentscheid der Steuerbehörde gilt der Titel für die definitive Rechtsöffnung gegenüber beiden Eheleute, welche solidarisch haften)