Einleitung
An dieser Stelle geht es um die Prüfung, ob der Anspruch auf Verwandtenunterstützung im konkreten Fall zu einer effektiven Leistungspflicht des Unterstützungspflicht führt, und wenn ja, in welchem Betrage (vgl. aber auch Umfang der Verwandtenunterstützung):
- Günstige Verhältnisse
- Bedarf des Unterstützungspflichtigen
- Einkommen des Unterstützungspflichtigen
- Gegenüberstellung von Bedarf und Einkommen
- Vermögensverzehr für Unterstützungsbeiträge
- Ergebnis-Varianten
- Prozessuales
Günstige Verhältnisse
- Grundsätze
- Leistungsfähigkeit
- Die Leistungsfähigkeit des Unterstützungspflichtigen bestimmt den Umfang der geschuldeten Unterstützung (ZGB 329 Abs. 1: «den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen»), ist aber gemäss ZGB 328 Abs. 1 («Wer in günstigen Verhältnissen lebt …») auch Anspruchsvoraussetzung (vgl. BGE 132 III 97 Erw. 3.2 S. 105)
- Wohlhabendsein des Unterstützungspflichtigen
- „Als wohlhabend ist dabei anzusehen, wer über die finanziellen Mittel verfügt, die es ihm erlauben, über die notwendigen Auslagen (wie Mietzins/Hypothekarzins, Wohnnebenkosten, Krankenkassenprämien, Steuern, notwendige Berufsauslagen, Vorsorge- und [eventuelle] Pflegefallkosten) und die Bildung eines angemessenen Sparkapitals hinaus auch diejenigen Ausgaben tätigen zu können, die weder notwendig noch nützlich zu sein brauchen, zur Führung eines gehobenen Lebensstils jedoch anfallen (wie Ausgaben in den Bereichen Reisen, Ferien, Kosmetik, Pflege, Mobilität, Gastronomie, Kultur etc; in diesem Sinne schon BGE 82 II 197 E. 2 S. 199).“ (BGer 5C.186/2006 vom 21.11.2007, Erw. 3.2.3)
- „Ob sich finanziell gutgestellte Personen auch tatsächlich einen aufwändigen Lebensstil gönnen oder ob sie sich mit einer bescheidenen Lebenshaltung begnügen, macht schliesslich für die Beurteilung der günstigen Verhältnisse keinen Unterschied (so auch Thomas Koller, a.a.O., N. 15c zu Art. 328/329 ZGB), …“ (BGer 5C.186/2006 vom 21.11.2007, Erw. 3.2.3)
- „Die bisherige (restriktive) Rechtsprechung zur Unterstützungspflicht der Geschwister kann … ohne Weiteres auf die Verwandten der geraden Linie zweiten Grades (Grosseltern – Enkel) übertragen werden.“ (BGer 5C.186/2006 vom 21.11.2007, Erw. 3.2.3).
- Leistungsfähigkeit
Bedarf des Unterstützungspflichtigen
- Ermittlung des Bedarfs des pflichtigen Verwandten und seiner Familie
- Mittel
- eine Art Existenzminimumberechnung (wie beim SchKG-Existenzminimum von SchKG 92, aber mit den konkreten Zahlen
- Der Grundbedarf des Unterstützungspflichtigen setzt sich zusammen aus:
- Grundbetrag (verheiratet)
- Mietzins/Hypothekarzinsen
- Wohnnebenkosten
- Unterhalt Liegenschaft
- Krankenkassenprämien
- Telefon / Radio / TV etc.
- Hausrat / Haftpflichtversicherung
- Lebensversicherung
- Säule 3a
- Eigene Unterstützungsleistungen
- Mobilität Kinder
- Steuern
- notwendige Berufsauslagen
- Vorsorge- und [eventuelle] Pflegefallkosten)
- Bildung eines angemessenen Sparkapitals
- Ausgaben, die weder notwendig noch nützlich zu sein brauchen, zur Führung eines gehobenen Lebensstils wie Kosten für
- Reisen
- Ferien
- Kosmetik
- Pflege
- Mobilität
- Gastronomie
- Kultur
- Mittel
- Ermittlung der gehobenen Lebensführung, die der pflichtige Verwandte weiterhin soll führen können
- Zuschlag
- + Zuschlag 50 % für eine gehobene Lebensführung
- Zuschlag
Einkommen des Unterstützungspflichtigen
- Bestimmung des Einkommen
- Erwerbseinkommen
- Arbeitnehmer
- Lohnausweis
- Selbständige Erwerbstätigkeit des Unterhaltspflichtigen
- Berücksichtigung des Durchschnittseinkommens mehrerer Jahre (i.d.R. von 3 Jahren)
- Arbeitnehmer
- Einkommen der Ehefrau
- Wertschriftenertrag
- weitere Einkommen
- Erwerbseinkommen
Gegenüberstellung von Bedarf und Einkommen
- Ergebnis der Gegenüberstellung von mtl. Einkommen und Bedarf
- Überschuss / Kein Überschuss,
- welcher es dem unterstützungspflichtigen Verwandten erlauben würde, Verwandtenunterstützungsbeiträge zu erbringen
- Einkommen ausreichend / nicht ausreichend,
- Unterstützungsbeiträge zu leisten
- Überschuss / Kein Überschuss,
Vermögensverzehr für Unterstützungsbeiträge
- Prüfung, ob der pflichtige Verwandte unter Berücksichtigung eines Vermögensverzehrs, welcher zum Einkommen hinzuzurechnen wäre, Unterstützungsbeiträge erbringen könnte
- Beachtung, dass auf das Vermögen des Pflichtigen nicht schon dann gegriffen werden kann, wenn dadurch sein Auskommen in naher Zukunft nicht gefährdet ist
- Berücksichtigung der wirtschaftlichen Sicherung des Pflichtigen im Alter
- Nicht berücksichtigt werden dürfen bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit die Anwartschaften bzw. Ansprüche aus der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a) vor Eintritt des Vorsorgefalls
- Abzug eines Freibetrages vom steuerbaren Vermögen
- CHF 250‘000 bei Alleinstehenden
- CHF 500`000 bei Verheirateten und
- CHF 40`000 pro Kind
- SKOS-Richtlinien, 5. Ausgabe, April 2005, F.4-2
- Ermittlung des Vermögensverzehrs vom verbleibenden Betrag mit einer Umwandlungsquote gemäss SKOS-Richtlinien, a.a.O., H.4-1 von:
- 1/40 bei einem Pflichtigen im Alter von 41- bis 50-Jährigen
- 1/30 bei einem Pflichtigen im Alter von 51- bis 60-Jährigen
- Prüfung und Bewertung von Vermögensverzehr-Bestandteilen im konkreten Fall wie
- Anwartschaft 3. Säule
- Nicht zu berücksichtigen,
- weil beim Pflichtigen der Vorsorgefall noch nicht eingetreten ist oder
- Zu berücksichtigen,
- weil beim Pflichtigen der Vorsorgefall eingetreten ist
- Liegenschaft (Bewertung) ./. Hypothek
- Keine Hypothekenerhöhung, weil die darauf entfallenden höheren Hypothekarzinsen einen höheren Bedarf des Pflichtigen auslösen würden?
- Kein Liegenschaftenverkauf, weil dadurch dem Pflichtigen die Existenzgrundlage entzogen würde und dies unmittelbare Auswirkungen auf sein Einkommen hätte?
- weitere Vermögenswerte
- Nicht zu berücksichtigen,
- Anwartschaft 3. Säule
- Beachtung, dass auf das Vermögen des Pflichtigen nicht schon dann gegriffen werden kann, wenn dadurch sein Auskommen in naher Zukunft nicht gefährdet ist
Ergebnis-Varianten
- Beim Unterstützungspflichtigen sind günstige Verhältnisse
- zu verneinen?
- zu bejahen?
- Der Unterstützungspflichtige ist
- weder mit seinem Einkommen, noch mit seinem Vermögen in der Lage, Verwandtenunterstützungsbeiträge zu erbringen
- in der Lage, Verwandtenunterstützungsbeiträge zu erbringen.
Prozessuales
In zivilprozessualer Hinsicht gilt die sog. „Dispositionsmaxime“, d.h. es gilt der vom Unterhaltspflichtigen geltend gemachte Betrag, auch wenn er niedriger ist, als der nach Praxis zulässige.
Weitere Detailinformationen:
Literatur
- Berücksichtigung der wirtschaftlichen Sicherung des Pflichtigem im Alter, weshalb vor Eintritt des Vorsorgefalles Anwartschaften und Ansprüche aus der gebundenen Vorsorge nicht berücksichtigt werden dürften
- KOLLER THOMAS, in: Basler Kommentar, ZGB I, Art. 1 – 456 ZGB, Art. 328/329, N 15d + N 16
Judikatur
- Ermittlung des Bedarfs des Verwandten und seiner Familie
- BGer 5C.186/2006 vom 21.11.2007, Erw. 3
- Zuschlag von 50 % zum Notbedarf des pflichtigen Verwandten für eine gehobene Lebensführung
- BGer 5C.299/2006 vom 22.06.2007, Erw. 3
- Selbständigerwerbende: Mehrjahres-Durchschnittseinkommen wegen Einkommensschwankungen (in der Regel der letzten 3 Jahre
- Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich (LC110036) vom 07.11.2011, Erw. 2.3.5
SKOS-Richtlinien
- Pauschale für die gehobene Lebensführung
- SKOS-Richtlinien, 5. Ausgabe, April 2005, H.4-2
- Gegenüberstellung von Einkommen und Bedarf
- SKOS-Richtlinien, 5. Ausgabe, April 2005, F.4
- Einkommenshinzurechnung durch Vermögensverzehr
- SKOS-Richtlinien, 5. Ausgabe, April 2005, F.4-2
- Freibetragsabzug beim Vermögen
- SKOS-Richtlinien, 5. Ausgabe, April 2005, F.4-2
- Umwandlungsquote beim Vermögensverzehr
- SKOS-Richtlinien, 5. Ausgabe, April 2005, H.4-1