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Vertrag / Vertragsrecht

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Coronavirus (COVID-19) und Höhere Gewalt?

Datum:
20.03.2020
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Vertrag / Vertragsrecht
Stichworte:
Force majeure, Höhere Gewalt
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Force Majeure?

Einleitung

Der Bundesrat hat am 16.03.2020 im Interesse der Volksgesundheit seine Massnahmen bekanntlich ein zweites Mal verschärft und dabei den Notstand ausgerufen, das Militär mobilisiert sowie alle Veranstaltungen und Betriebe mit Publikumsverkehr schliessen lassen. Betroffen von dieser wirtschaftlich sehr einschneidenden Massnahme sind namentlich

  • Einkaufsläden und Märkte
  • Restaurationsbetriebe
  • Barbetriebe sowie Diskotheken, Nachtclubs und Erotikbetriebe
  • Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe, namentlich Museen, Bibliotheken, Kinos, Konzerthäuser, Theater, Casinos, Sportzentren, Fitnesszentren, Schwimmbäder, Wellnesszentren und Skigebiete, botanische und zoologische Gärten und Tierparks
  • Betriebe mit personenbezogenen Dienstleistungen mit Körperkontakt wie Coiffeure, Massagen, Tattoo-Studios und Kosmetik

Wir berichteten:

Für alle betroffenen Unternehmen bedeutet die Zwangsschliessung bis 19.04.2020 mit weiterlaufenden Verpflichtungen gegenüber Mitarbeitern, Lieferanten und Kunden ein bisher kaum gekannter Eingriff in die wirtschaftliche Existenzfähigkeit.

In diesen Unternehmen stellen sich dabei Fragen, wie auf nicht erfüllbare Pflichten aus Verträgen mit Dritten bzw. auf von Dritten nicht erfüllte Verträge oder Verträge die während der Notfrist voraussichtlich nicht erfüllt werden können, zu reagieren ist.

Anders formuliert wird sich der vorleistungspflichtige Schuldner fragen, wie sich das Coronavirus auf seine Vertragspflichten auswirkt, wenn eine rechtzeitige Lieferung bzw. Vertragserfüllung nicht mehr möglich ist, bzw., ob er an seine Verpflichtungen gebunden bleibt und unter Umständen schadenersatzpflichtig wird.

In Fällen von unabwendbaren Ereignissen wird von Höherer Gewalt oder von Force Majeure gesprochen.

Höhere Gewalt: Definition

Unter dem Terminus „höhere Gewalt“ (auch „Force Majeure“)  wird ein unvorhersehbares, unvermeidbares und nicht abwendbares Ereignis verstanden.

Das Ereignis ist weder vom menschlichen Verhalten abhängig, noch fällt es in den Einflussbereich der Vertragsparteien.

Die klassischen Beispiele für „höhere Gewalt“ sind:

  • Naturkatastrophen
  • Erdbeben
  • Vulkanausbrüche
  • Lawinen
  • Unwetter
  • Gewitter
  • Stürme
  • Kriege
  • Unruhen
  • Bürgerkriege
  • Revolutionen und Aufstände
  • Terrorismus
  • Sabotage
  • Streiks
  • Atomunfälle resp. Reaktorschäden
  • Epidemien

Quelle: https://law.ch/lawinfo/hoehere-gewalt-force-majeure/arten-hoeherer-gewalt

Höhere Gewalt: Abgrenzung anfängliche von nachträglicher Unmöglichkeit

Von der hier wesentlichen nachträglichen Unmöglichkeit ist die anfängliche Unmöglichkeit abzugrenzen:

  • Anfängliche Unmöglichkeit
    • Eine anfängliche Unmöglichkeit liegt vor, wenn eine der Parteien bereits vor Vertragsabschluss Kenntnis der (Erfüllungs-)Unmöglichkeit des Vertrags hat und den Vertrag dennoch schliesst
  • Nachträgliche Unmöglichkeit
    • Eine nachträgliche Unmöglichkeit ist gegeben, wenn die Erfüllungsunmöglichkeit erst nach Vertragsschluss eintritt.

Auf die anfängliche Unmöglichkeit kann an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden.

Höhere Gewalt: Befreiung von der Vertragserfüllungspflicht?

Bei Eintritt eines Falles „höherer Gewalt“ ist es möglich, dass die Vertragsparteien von ihrer vertraglichen Leistungs- bzw. Erfüllungspflicht befreit sind.

Dies ist abhängig von der individuell konkreten Sach- und Rechtslage, auf die nachfolgend einzugehen ist.

Höhere Gewalt: Nach Vertrag oder Gesetz?

Die Rechtsfolgen der nachträglichen dauerhaften oder temporären Unmöglichkeit sind davon abhängig, ob sie im Vertrag geregelt wurden oder nicht.

  • Vertrag
    • Regelung des Falles der „höheren Gewalt“ mittels sog. „Force Majeure-Klausel“
    • Massgebend ist der konkrete Vertragswortlaut
  • Gesetz
    • Absenz einer sog. „Force Majeure-Klausel“
    • Es gelten v.a. die Unmöglichkeitsregeln des Allgemeinen Teils des Schweizerischen Obligationenrechts (OR/AT).

Bei den weiteren Erläuterungen ist daher zu unterscheiden in:

  • Eintritt höherer Gewalt mit Force Majeure-Abrede
  • Eintritt höherer Gewalt ohne Force Majeure-Abrede

Eintritt höherer Gewalt mit Force Majeure-Abrede

Der „Grundsatz der Vertragsfreiheit“ erlaubt es den Vertragsparteien, in ihrem Vertrag die Rechtsfolgen für den Fall des Eintritts von höherer Gewalt zu regeln.

Eine solche Abrede wird mittels einer sog. «Force Majeure“-Klausel getroffen.

Massgebend ist stets der konkrete Wortlaut der Force Majeure-Klausel.

Tritt ein Force Majeure-Ereignis ein, wird die betroffene Vertragspartei temporär oder sogar dauerhaft von ihrer vertraglichen Leistungspflicht befreit, ohne dass deswegen die andere Vertragspartei Schadensersatz verlangen könnte.

Wird obrigkeitlich eine Quarantäne angeordnet oder müssen Mitarbeiter aufgrund behördlicher Anordnung zu Hause bleiben, spricht einiges dafür, dass ein Fall höherer Gewalt im Sinne einer solchen Force Majeure-Klausel vorliegt. – Massgebend ist immer der konkrete Einzelfall.

Auch Force Majeure-Klauseln können eine Anzeigepflicht beinhalten:

  • Der Lieferant hat den Besteller unverzüglich von (drohenden) Lieferausfällen infolge eines konkret zu benennenden Ereignisses höherer Gewalt zu informieren
  • Eine solche Anzeigepflicht darf bei Force Majeure-Klauseln nicht missachtet werden:
    • Erfolgt die Anzeige nicht oder verspätet, droht das Risiko, dass sich der Lieferant nicht mehr auf die höhere Gewalt berufen und sich nicht von seiner Lieferpflicht befreien kann
    • Missachtet er die Anzeigepflicht, bleibt er – je nach Klausel – im obligo.

Im Falle von Unklarheiten ist auf eine Vertragsauslegung zurückzugreifen.

Eintritt höherer Gewalt ohne Force Majeure-Abrede

Die Vertragsparteien können aber auch ohne Verabredung einer sog. „Force Majeure“-Klausel im Falle höherer Gewalt von ihren Erfüllungs- bzw. Leistungspflichten befreit sein.

Weiter ist die Unmöglichkeit zu differenzieren in:

  • Nachträglich dauernde Unmöglichkeit
  • Nachträglich vorübergehende Unmöglichkeit

Nachträglich dauernde Unmöglichkeit

Wird die Erbringung einer Leistung nachträglich dauernd unmöglich, gilt folgendes:

  • Definition der dauernden Unmöglichkeit
    • = Leistung ist für immer unmöglich
  • Wirkung
    • Grundsatz
      • Erlöschen der Leistungspflicht
        • meist wechselseitig
          • zB Entfallen der Kaufpreiszahlungspflicht, wenn die Ware nicht geliefert wurde
      • Pflicht der Gegenpartei, ihre Leistung dennoch zu erbringen?
        • Bei synallagmatischen Verträgen, d.h. bei vollkommen zweiseitigen Verträgen, bei denen die eine Partei ihre Leistung unter der Voraussetzung verspricht, dass die andere Partei ihrerseits eine Gegenleistung erbringt, wirkt die Befreiung wechselseitig
          • Pflicht zur Leistung und zur Gegenleistung gehen unter und es ist aus Nichterfüllung kein Schadenersatz geschuldet
          • Erbrachte (Teil-)Leistungen sind rückabzuwickeln, sofern und soweit – je nach Vertragstypus oder bei entsprechender Vertragsabrede – die Gefahrtragung bereits auf die andere Partei übergegangen ist (zB Gefahrenübergang auf den Erwerber mit Kaufvertragsabschluss bzw. Übertragung des Kaufsobjektes vor Zahlung)
        • Erbringt der vorleistungspflichtige Vertragspartner seine Leistung nicht, kann der andere Partner die Einrede der nicht erfüllten Leistung erheben und so seine Erfüllung verweigern
    • Ausnahme
      • Keine Dahinfallen der Leistungspflicht, wenn der Leistungsschuldner vor Eintritt der Unmöglichkeit in Verzug ist
      • Säumiger Leistungsschuldner haftet auch für nachträglich dauernde Unmöglichkeit, unter der Voraussetzung, dass die Partei den Verzug selber verschuldet respektive zu vertreten hat (zB Lieferfehlplanung, Leerverkauf o.ä.)
        • Erfordernis der Einzelfallprüfung
    • Spezialgesetze
      • Spezialgesetzliche Normen können dieser allgemeinen Regelung des OR vorgehen

Nachträglich vorübergehende Unmöglichkeit

Von der nachträglichen dauernden Unmöglichkeit zu unterscheiden, ist die nachträglich vorübergehende Unmöglichkeit:

  • Definition der vorübergehenden Unmöglichkeit
    • = Leistung ist im Moment nicht, aber zu einem späteren Zeitpunkt doch möglich
  • Entscheidender Sachverhalt
    • Abklärung, ob eine dauernde oder bloss temporär Unmöglichkeit vorliegt
      • Erfordernis der Abklärung im individuell konkreten Einzelfall
    • Spätere Nutzlosigkeit der Leistung
      • Bei der Sachverhaltsabklärung ergibt sich auch, ob die Leistung nach Entfallen der temporären Unmöglichkeit für die Gegenpartei noch von Nutzen ist
    • Coronavirus-bedingte Unmöglichkeit
  • Entscheidende Abrede von Erfüllung und Vorgehen bei Nichterfüllung
    • Fixtermin-Geschäft
      • Bei sog. Fixtermingeschäften, d.h. bei Rechtsgeschäften, aufgrund derer die Leistung am vereinbarten Tag erbracht werden soll (zB Hochzeit), ist von einer dauerhaften Unmöglichkeit auszugehen (spätere Nutzlosigkeit)
    • Verfalltagsgeschäft
      • Bei Ausbleiben einer vorleistungspflichtigen Lieferung befindet sich der Lieferant nach einer Nachfristansetzung ohne weiteres in Verzug
    • Mahngeschäft
      • Bei den sog. Mahngeschäften ist nebst der Nachfristansetzung noch eine Mahnung notwendig
  • Massnahmen und Wirkungen
    • Leistungspflicht?
      • Die nachträgliche vorübergehende Unmöglichkeit entbindet den Schuldner nicht von seiner Leistungspflicht
      • Er bleibt an den Vertrag gebunden
    • Nachfristansetzung an die säumige Partei
      • Der Leistungsgläubiger hat bei Verfalltaggeschäften oder Mahngeschäften das Recht, der säumigen Gegenpartei eine Nachfrist zur Erfüllung anzusetzen:
        • Erfordernis der Angemessenheit der Nachfrist
        • Coronavirus-Situation
          • Schwierige Angemessenheitsfindung für die Nachfrist in der aktuellen Notlage
            • zB Berücksichtigung des (derzeitigen) Massnahmenendes (Notstandsdauer bis 19.04.2020)
          • Lösungsmöglichkeit
            • zB einvernehmliche Nachfristansetzung, sofern und soweit dies überhaupt möglich ist
          • Inverzugsetzung bei Mahngeschäft
            • Erfüllt die säumige Partei ihre Verpflichtung trotz angesetzter Nachfrist nicht, so steht der Leistungsgläubiger-Partei ein „Wahlrecht“ zu
            • Die Auswahl der drei Varianten hängt von der Vorteilhaftigkeit des unerfüllten Geschäftes bzw. davon ab, ob sich zwischenzeitlich die Produktpreise reduzierten bzw., ob der Leistungsgläubiger noch einen Produktbedarf hat (vielleicht hat er sich zwischenzeitlich günstiger eindecken können oder müssen) oder, ob die Rückabwicklung gewünscht wird, damit er seine bereits erbrachte Vorleistung wiedererlangt etc.:
  1. Festhalten an der Vertragserfüllung und Forderung des Verzugsschadens-Ersatzes
    • Nachfristansetzung und Abmahnung der ausstehenden Leistung
    • Spätere Einforderung des Verzugsschadens
  1. Verzicht auf Vertragserfüllung und Forderung von Schadenersatz wegen Nichterfüllung
  • Erfordernis der unverzüglichen Verzichtsmitteilung an die säumige Partei
  • Separate Einforderung des Schadenersatzes aus Nichterfüllung
  1. Verzicht auf Erfüllung und Vertragsrücktritt
  • Erfordernis der unverzüglichen Erfüllungsverzichts-Vertragsrücktrittsmitteilung an die säumige Partei

Möglichkeiten in der Praxis

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit bzw. ohne Berücksichtigung individueller Gegebenheiten kann auf folgendes geachtet werden:

  • Faktor Zeit
    • Mit eindeutig möglichen Entscheiden sollten nicht zugewartet werden, weil sich Massnahmen und Beschränkungen überschlagen; mit jeder neuen Massnahme bzw. Einschränkung wird ein Handeln für den Erklärungspflichtigen nur schwieriger; zu berücksichtigen ist sodann, dass Gestaltungserklärungen bedingungsfeindlich sind
  • Prüfung der Verträge
    • Einmaliges Austauschverhältnis
      • Zeichnet sich ab, dass vertragliche Verpflichtungen aufgrund der Auswirkungen des Coronavirus nicht erfüllt oder nicht rechtzeitig – sogenannte Spätleistung – erfüllt werden können, sollte folgendes veranlasst werden:
        • Konsultation des Vertrages
        • Prüfung von Leistungsstörungs-, Nichterfüllungs-, Verspätungs- und andere Klauseln, wie sich die Parteien zu verhalten haben
        • Auslegung einer allfälligen Force Majeure-Klausel
        • Anzeige- oder Mitteilungspflichten?
    • Dauerschuldverhältnisse
      • Anwendungsfälle:
      • Bei Vorliegen eines Dauerschuldverhältnisses gilt der Grundsatz, dass diese, sofern die auszutauschenden Leistungen nicht direkt betroffen sind, einzuhalten sind („pacta sunt servanda“). Um allfällige Abweichungen von diesem Grundsatz zu eruieren, sind folgende Fragen zu klären:
        • Existieren zwingende, gesetzliche Bestimmungen, welche die Risikoverteilung für diesen Vertragstyp regeln?
        • Wurden bereits vertragliche Vereinbarungen für den Fall des Vorliegens von Force-Majeure getroffen?
        • Sind Vertragsanpassungsklauseln für den Fall der wesentlichen Änderung der Verhältnisse vorhanden?
        • Enthält der Vertrag EXIT-Klauseln?
        • Gibt es gesetzliche EXIT-Klauseln?
  • Force Majeure-Klausel
    • Prüfung der vereinbarten Regeln
      • Gilt ein Automatismus (automatischen Dahinfallen des Vertrages)?
      • Sind Erklärungen notwendig?
  • Leistungsstörungsbestimmungen gemäss Vertrag (ohne Force Majeure-Klausel)
    • Prüfung der vereinbarten Regeln
      • Welche Erklärungen sind wann an wen zu richten
  • Leistungsstörungsregeln nach Gesetz
    • Rechtswahl?
      • Prüfen, ob die Vertragsparteien das anwendbare Recht vereinbart haben (sog. Rechtswahl)
        • Wahl welchen Rechts?
          • Recht am Sitz des Lieferanten?
          • Recht am Sitz des Bestellers?
          • Gewähltes Recht eines Drittstaates?
        • Beinhaltet der Vertrag ein internationales Handelsgeschäft, stellt sich die Frage, ob ggf. Wiener Kaufsrecht (WKR) / CISG gewählt wurde.
    • Keine Rechtswahlabrede
      • Sofern und soweit nichts vereinbart wurde, gelten für die in der Schweiz geschlossenen Verträge Schweizerisches Recht
  • Analyse und Risikoabwägung
    • Analyse des wirtschaftlichen Risikos
    • Abwägung des Bestehens von rechtlichen Risiken und eines zielführenden Vorgehens
  • Entscheid und Umsetzung
    • Entscheidungsprozess aus den wirtschaftlichen und rechtlichen Analysen
    • Umsetzung (Kontaktnahme mit Gegenpartei, Informationen, Erklärungen usw.)
    • Vollzugskontrolle und Nachbearbeitung
  • Information und einvernehmliche Lösung anstreben
    • Kontakt mit der Gegenpartei suchen
      • Es empfiehlt sich, frühzeitig Kontakt mit dem anderen Vertragspartner aufzunehmen und mit ihm eine einvernehmliche Lösung suchen
    • Information des Lieferanten an den Besteller
      • Baldmöglichste Information über die Spät- oder Nichtleistung an den Besteller, zur Minderung allfälliger Schadenersatzpflichten
    • Information des Bestellers an Lieferanten
      • Baldmöglichste Erklärung jeder Wahlrechtsart (siehe oben)
      • Beachtung insbesondere der Gültigkeitserfordernisse unverzüglicher Erklärung bei Verzicht auf Vertragserfüllung und Forderung von Schadenersatz aus Nichterfüllung (Ziffer 2 oben) oder Verzicht auf Vertragserfüllung und Vertragsrücktritt (Ziffer 3 oben)
  • Präventionsmassnahmen für den Fall eines Gerichtsprozesses
    • Zustellnachweise
      • Empfangsbedürftige Erklärungen wie Verzichts- oder Rücktritterklärungen müssen vor Gericht von demjenigen nachgewiesen werden, der daraus etwas ableitet (ZGB 8)
      • Wichtige Erklärungen daher per Einschreiben zustellen
    • Dokumentierung
      • Für den Fall einer allfälligen gerichtlichen Auseinandersetzung ist eine lückenlose Dokumentierung unabdingbar
      • Aufbewahrung und Katalogisierung aller Dokumente, wie
        • Telefonnotizen / Handnotizen aus Sitzungen
        • (Einschreibe-)Briefe und e-mails
        • Fotos bzw. Filme allf. Sachverhalte (zB Aufnahme der abgelieferten Ware bei Verweigerung einer Empfangsbestätigung usw.)
        • amtliche Verfügungen
        • Gerichtsurteile.

Fazit

Kann eine Vertragspartei aufgrund des Coronavirus nicht ihren Vertragsverpflichtungen nachkommen, ergibt sich für den Entscheid zum weiteren Vorgehen folgende kaskadierte Grundlage:

  • Vertrag
    • mit Force Majeure-Klausel
      • Anwendung, ggf. Auslegung
    • ohne Force Majeure-Klausel
      • Leistungsstörungsklauseln
        • Anwendung, ggf. Auslegung, ev. Lückenfüllung durch Richter, aufgrund Parteiwillen und Gesetz
      • Weder Force Majeure-Klausel noch sonstige Leistungsstörungsklausel
  • Gesetz
    • Anwendung der Unmöglichkeitsregeln
      • Nachträglich dauernde Unmöglichkeit
        • Dahinfallen der vertraglichen Pflichten
        • vorgängig erbrachte Leistungen sind rückabzuwickeln
      • Nachträglich vorübergehende Unmöglichkeit
        • Leistungsgläubiger hat dem Leistungsschuldner eine Nachfrist anzusetzen
        • Bei unbenutztem Fristablauf kann der Leistungsgläubiger
    • Wahlrecht nach OR 97 ff.
      1. Festhalten an der Vertragserfüllung und Forderung des Verzugsschadens-Ersatzes
      2. Verzicht auf Vertragserfüllung und Forderung von Schadenersatz wegen Nichterfüllung
      3. Verzicht auf Erfüllung und Vertragsrücktritt

Trotz aller vorhandenen rechtstechnischen Möglichkeiten dürfte das effizienteste Vorgehen eine einvernehmliche Lösung sein, zumal es im Moment nicht um eine fraudulöse Nichterfüllung geht, sondern um eine durch behördliche Massnahmen gestörte Vertragsabwicklung.

Die Parteien kennen sich vielleicht schon lange, können auf eine längere Zusammenarbeit zurückblicken, die sie nicht beenden wollen, und haben das gleiche Schicksal, aber mit unterschiedlichen Stellungen:

  • Lieferant kann Produkt nicht liefern
  • Besteller kann nicht an seine Kunden (wieder-)verkaufen, weil zB sein Ladengeschäft behördlich angeordnet geschlossen ist
  • Der Dauerschuldverhältnis-Vertragspartner sieht ein, dass ein eigenes, freiwilliges Nachgeben infolge besonderer Umstände dem wirtschaftlichen Untergang des Vertragspartners vorzuziehen ist.

Möglicherweise hilft bereits eine Liefertermin-Verschiebung. Weitere Lösungsmöglichkeiten sind denkbar. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

Fühlen Sie sich in der Materie nicht sicher und der Problemstellung nicht mächtig, holen Sie Rat von einem Fachmann ein oder lassen Sie sich gegenüber dem Vertragspartner vertreten.

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