Einleitung
Der vom Betreibungsschuldner auf die Zustellung des Zahlungsbefehls hin erhobene Rechtsvorschlag kann vom Betreibungsgläubiger bei der provisorischen Rechtsöffnung beseitigt werden, falls er über einen provisorischen Rechtsöffnungstitel verfügt (SchKG 82 Abs. 1):
- Die provisorische Rechtsöffnung wird gewährt und der Rechtsvorschlag beseitigt,
- wenn der Betreibungsschuldner in diesem Verfahren nicht Einwendungen sofort glaubhaft macht (SchKG 82 Abs. 2).
- Die dafür zulässigen Beweismittel sind beschränkt.
Gläubiger
Der Gläubiger hat für das Vorhandensein seiner Forderung und des Rechtsöffnungstitels den vollen Beweis zu erbringen. Wurde ihm die Forderung abgetreten, hat er die Zessionskette lückenlos durch Urkunden zu beweisen. Ist die Forderung des Gläubigers gemäss Vertrag bedingt, hat er zu beweisen, dass die Bedingung eingetreten ist.
Schuldner
Der Schuldner hat seine Einwendungen lediglich glaubhaft zu machen. Glaubhaft-machen bedeutet, dass der Schuldner seine Einwendungen nicht zu beweisen hat, sondern dass es genügt, wenn für die Richtigkeit seiner Darstellung zumindest objektive Anhaltspunkte vorliegen. Damit genügt es i.d.R. nicht, wenn der Schuldner seine Einwände lediglich nachdrücklich behauptet. Erforderlich ist vielmehr, dass der Schuldner objektive Anhaltspunkte für die Wahrscheinlichkeit seiner Darstellung vorlegen kann. In der Regel handelt es sich auch hierbei um Urkunden.
Basler Rechtsöffnungspraxis
Nach der von einigen Gerichten angewandten Basler Rechtsöffnungspraxis genügt es, wenn der Schuldner bei zweiseitigen Verträgen (Kaufvertrag, Mietvertrag, Arbeitsvertrag, verzinsliche Darlehensverträge usw.) lediglich behauptet, der Gläubiger habe den Vertrag nicht oder nicht vollständig erfüllt. Diese Einrede des Schuldners wird allerdings nur dann zugelassen, wenn es sich nicht offensichtlich um eine blosse unbegründete bzw. haltlose Behauptung handelt. Ferner wird diese Einrede des Schuldners nur zugelassen, wenn der Gläubiger nicht sofort die Einwände des Schuldners mittels liquider Beweise widerlegen kann.
Beispiel:
Der Käufer wird vom Verkäufer betrieben und der Käufer erhebt Rechtsvorschlag. Im Rechtsöffnungsverfahren erhebt der Käufer den Einwand, der Verkäufer habe den Kaufvertrag nicht erfüllt, da er nicht geliefert habe. Der Verkäufer kann diese Behauptung des Käufers widerlegen, indem er einen vom Käufer unterzeichneten Lieferschein vorlegt.
Einwendungen-Glaubhaftmachung mittels Zeugenbescheinigung
In der Regel ist die Beweisführung mittels gerichtlicher Zeugeneinvernahme nicht vorgesehen:
- Der Betreibungsschuldner hat daher ein Interesse, schriftliche Bestätigungen von Dritten, welche sich zu wahrgenommenen Tatsachen äussern, einzubringen und auf diesem Weg Einwendungen sofort glaubhaft zu machen.
- Nach Ansicht SCHMID JEAN-DANIEL, a.a.O., S. 249, «… sprechen viele Gründe für – und praktisch keine gegen – die Zulässigkeit der Zeugenbescheinigung zur Glaubhaftmachung von Einwendungen (Art. 82 Abs. 2 SchKG)».
Literatur
- STOFFEL/CHABLOZ, Voies d’exécution, 3eéd. 2016, § 4 n. 85
- SJ 2016 I p. 481
- STAEHELIN DIETRICH, Vom gegenwärtigen Stand der Basler Rechtsöffnungspraxis, BJM 1958, 1 ff.
- STÜCHELI PETER, Die Rechtsöffnung, Diss. Zürich, Zürich 2000, 30 f.
- RÜETSCHI DAVID, Ausgewählte Entwicklungen zum provisorischen Rechtsöffnungstitel, in: Jolanta Kren Kostkiewicz/ Alexander R. Markus/Rodrigo Rodriguez (Hrsg.), Rechtsöffnung und Zivilprozess – national und international, Bern 2014, 45 ff., 46
- PETER HANSJÖRG, 125 Jahre SchKG – 125 Jahre Rechtsprechung zum SchKG, BlSchK 2017, 45 ff., 45
- FINK STEFAN, Private Zeugenbefragung im Zivilprozess, Diss. Zürich, Zürich/Basel/Genf 2015, und die dortigen Nachweise
- SCHMID JEAN-DANIEL, Die Zeugenbescheinigung im Verfahren der provisorischen Rechtsöffnung – Zur Zulässigkeit zur Glaubhaftmachung von Einwendungen (Art. 82 Abs. 2 SchKG), in: ZZZ,2020, S. 224 ff.
Judikatur
- Allgemein
- BGer 5A_203/2017 vom 11.09.2017 (in der Regel keine Edition von Urkunden)
- 145 III 160 ff. (Beweis durch kein anderes Beweismittel als durch die die Schuldenanerkennung enthaltende Urkunde selbst
- BGE 142 III 720 (Urkundenprozess)
- Zeugenbescheinigung zur Glaubhaftmachung von Einwendungen
- ablehnend im Hinblick auf SchKG 81 Abs. 1 SchKG
- OGer LU, 28.11.1962, in: Max XI, Nr. 149
- OGer ZH, 8.7.1988, E. 4, in: ZR 1988, Nr. 62
- OGer ZG, JZ 1993/83.144, 13.1.1994, E. 1b)/bb)
- OGer ZG, 27.5.2009, E. 2.3.1, in: GVP ZG 2009, 295 ff.
- OGer ZG, 19.11.1999, E. 3b)/aa), in: GVP ZG 1999, 129 ff.
- anders demgegenüber – wenn auch bloss implizit –
- OGer LU, SK 98 138/SK 98 139, 18.12.1998, E. 8.2.2, in: LGVE 1999 I, Nr. 41
- befürwortend im Hinblick auf SchKG 81 Abs. 2
- OGer ZH, RT140112-O/U, 13.3.2015, E.II./4b)
- Ferner:
- BGE 116 II 215 E. 3
- Im Hinblick auf die Frage, ob im Rahmen der provisorischen Rechtsöffnung Zeugen anzuhören sind
- AppGer BS, 30.5.1927, in: SJZ 1928/1929, 219 f.
- ablehnend im Hinblick auf SchKG 81 Abs. 1 SchKG