Anforderungen
Damit eine Urkunde als provisorischer Rechtsöffnungstitel gelten kann, müssen folgende Angaben darin enthalten sein:
- Klare Kennzeichnung des Gläubigers und des Schuldners
- Klare Bezifferung / Bestimmbarkeit des Forderungsbetrages
- Klare Bestimmung / Bestimmbarkeit der Fälligkeit der Forderung
- Klare Anerkennung der Forderung durch den Schuldner
- Klare Anerkennung einer Zahlungspflicht
- Unterschrift des Schuldners
Fehlt die Unterschrift des Schuldners, liegt kein Rechtsöffnungstitel vor und das Rechtsöffnungsbegehren würde abgewiesen.
Hinweis: Die Unterschrift auf einem Lieferschein stellt noch keine Schuldanerkennung dar, auch wenn darauf der Wert der gelieferten Ware vermerkt ist, da mit der Unterzeichnung des Lieferscheins lediglich der Erhalt der Ware bestätigt, nicht jedoch eine Zahlungspflicht anerkannt wird.
Abstrakte Schuldanerkennung
Eine abstrakte Schuldanerkennung, die den Grund für die Forderung des Gläubigers nicht angibt, genügt als Rechtsöffnungstitel, solange die Parteien, der Forderungsbetrag und die Fälligkeit daraus genügend klar hervorgehen und die Schuldanerkennung vom Schuldner auch unterschrieben wurde.
Einseitige Erklärung
Eine Schuldanerkennung braucht nicht vom Gläubiger unterzeichnet zu sein. Es genügt eine einseitige Erklärung des Schuldners, etwa wenn jemand eine Quittung ausstellt, in welcher er den Empfang eines Zinslosen Darlehens vom Gläubiger bestätigt und sich auch gleich verpflichtet, das Darlehen bis zu einem bestimmten Termin zurückzuzahlen.
Zweiseitige Verträge
Zweiseitige Verträge wie Mietverträge, Kaufverträge, Arbeitsverträge usw. können ohne Weiteres als provisorische Rechtsöffnungstitel dienen, wenn darin die Parteien, der Forderungsbetrag und die Fälligkeit genügend klar bestimmt bzw. bestimmbar sind und dieser Vertrag zumindest vom Schuldner unterzeichnet worden ist.
Literatur
- STAEHELIN DANIEL, BSK SchKG I, N 99 zu SchKG 82
- GILLIERON PIERRE-ROBERT, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Art. 1 – 88 SchKG, 1999, N 45 zu SchKG 82
- VOCK DOMINIK, in: Kurzkommentar SchKG, 2014, N 19 zu SchKG 82
- MÜLLER DOMINIQUE / VOCK DOMINIK, Behauptungs-, Bestreitungs- und Substantiierungslast im Rechtsöffnungsverfahren, ZZZ 38/2016, S. 130 ff.
- MUSTER ERIC, La reconnaissance de dette abstraite, Art. 17 OR und 82 ff. SchKG: Etude historique et de droit actuel, Diss. 2004, S. 214 mit FN 1127
- STÜCHELI PETER, Die Rechtsöffnung, Zürich 2000, S. 342, lit. b
- MEYER BERNHARD F., Die Rechtsöffnung auf Grund synallagmatischer Schuldverträge, 1979, S. 62, lit. B und S. 63
- PASCHOUD HENRI, La reconnaissance de dette dans la mainlevée provisoire et l’action en libératio de dette, 1917, S. 151
Judikatur
- Zweiseitiger Vertrag
- BGE 116 III 72
- BGer 5A_326/2011 vom 06.09.2011, Erw. 3.3 (Leihe)
- Kaufvertrag
- BGer 5 A_1017/2017 vom 12.09.2018 (provisorische Rechtsöffnung bei zweiseitigem Vertrag als Schuldanerkennung)
- BGer 5A_630/2010 vom 01.09.2011 = Pra 2012 Nr. 32
- BGer 5P.247/2004 vom 14.10.2004
- Kaufrechtsvertrag über Grundstück, der der Bewilligung gemäss dem Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG) bedarf
- BGer 5A_532/2019 vom 04.05.2020 (Rechtsöffnungstitel nur, wenn BewG-Bewilligung erteilt ist)
- Schuldbrief
- BGer 5A_734/2018 + 5A-736/2018, je vom 04.12.2018 (Schuldbrief ohne Schuldnername als Rechtsöffnungstitel erfordert eine “Ins-Recht-Legung” von Begründungsakt oder Sicherungsübereignungsvertrag)
- Pfandversicherte Forderung
- ZR 120 (2021) Nr. 45, S. 219 ff. (Zulässigkeit der Erteilung der provisorischen Rechtsöffnung bei pfandgesicherter Forderung nur die ((Kapital-)Forderung)
- Konkursverlustschein
- ZR 120 (2021), Nr. 18, S. 61 ff. (Keine provisorische Rechtsöffnung gestützt auf einen Konkursverlustschein, wenn die Berechtigung der Gesuchstellerin an der darin „verbrieften“ Forderung nicht lückenlos durch Urkunden nachgewiesen ist)
- Einwendungen des Betriebenen
- BGer 5 A_1017/2017 vom 12.09.2018 (provisorische Rechtsöffnung bei zweiseitigem Vertrag als Schuldanerkennung)
- BGE 142 III 720 = Pra 2018 Nr. 56
- BGer 5P.69/2004 vom 14.04.2004, Erw. 3 = Pra 2004 Nr. 134
- BGer 5P.314/2002 vom 21.01.2003 = Pra 2003 Nr. 161
- BGer P.739/1986 vom 13.10.1986, Erw. 3
- Rep 1987 S. 149 ff.
- Gläubigernachweis
- BGer 5A_437/2020 vom 17.11.2020 (Komplexe Gläubigerfrage nicht rechsöffnungfähig)
- BGer 5 A_1017/2017 vom 12.09.2018 (provisorische Rechtsöffnung bei zweiseitigem Vertrag als Schuldanerkennung)
- BGer 5A_1008/2014, Erw. 3.4.3 = BlSchK 2016 S. 91
- BGer 5A_326/2011 vom 06.09.2011, Erw. 3.3
- BGE 136 III 627, Erw. 3.4
- BGE 133 III 645, Erw. 5.3
- BGE 132 III 140, Erw. 4.1.1
- BGer 5A_450/2012 vom 23.01.2013, Erw. 3.2 = SJ 2013 I S. 345
- Konventionalstrafe
- BGer 5A_867/2018 vom 04.03.2019 (Konventionalstrafe-Durchsetzung / Beweis, dass die versprochene Leistung nicht erbracht wurde)
- Notwendigkeit eines Schuldanerkennungswillens
- BGer BGer 5A_282/2020 vom 15.04.2021
- Vollstreckbarkeits-Nachweis
- BGer 5D_23/2018 vom 21.08.2018 (Bestätigung der den Kostenentscheid erlassenden Behörde genügt; eine Rechtskraftbescheinigung ist nicht Erforderlich)
- BGer 5A_389/2018 vom 22.08.2018
- ZR 117 (2018) Nr. 32, S. 125 ff.
Weiterführende Informationen
Zusammengesetzter Rechtsöffnungstitel
Ein zusammengesetzter Rechtsöffnungstitel liegt vor, wenn eine Urkunde nicht alle erforderlichen Daten enthält, sondern auf eine andere Urkunde verweist. Eines der häufigsten Beispiele ist der Verweis auf allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) im Vertragstext des Hauptvertrages, der von den Parteien unterzeichnet wird. Ein weiteres Beispiel ist die vom Schuldner unterzeichnete Bestellung aufgrund einer ihm bekannten Preisliste.
Literatur
- HIGI PETER, Zürcher Kommentar, Die Miete, Art. 269-270e OR, 4. Auflage 1998, Nr. 84 zu Art. 270 OR (Mietzinsherabsetzung als Gestaltungsurteil kein Titel für eine definitive Rechtsöffnung, sondern nur als Teildokument für eine provisorische Rechtsöffnung)
Judikatur
- BGer 5A_123/2021 vom 23.07.2021 (Mietzinsherabsetzung (Gestaltungsurteil): nur provisorische Rechtsöffnung mittels Nachweises durch mehrere Dokumente möglich)
Wechsel und Check
Wechsel und Check berechtigen einerseits zur Wechselbetreibung nach SchKG177 ff., wenn der Schuldner der Konkursbetreibung unterliegt. Sie können jedoch auch als schlichte Schuldanerkennungen im gewöhnlichen Rechtsöffnungsverfahren als provisorische Rechtsöffnungstitel dienen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Schuldner nicht der Konkursbetreibung unterliegt.
Forderungen öffentlich-rechtlicher Körperschaften
Eine öffentlich-rechtliche Körperschaft darf die provisorische Rechtsöffnung nur verlangen, wenn sie selber keinen Entscheid fällen kann.
Grundsatz
In seiner neueren Praxis (BGer 5A_473/2016) vertritt das Bundesgericht nicht Meinung, dass für öffentlich-rechtliche Forderungen grundsätzlich die provisorische Rechtsöffnung nicht möglich sei, sondern für eine rechtskräftig verfügte Forderung nur der Weg der definitiven Rechtsöffnung offen stehe.
Ausnahme
Eine Ausnahme vom Grundsatz besteht da, wo die Verwaltung nicht hoheitlich handeln kann, sondern ihre Ansprüche klageweise beim Verwaltungsgericht geltend machen muss; es ist davon auszugehenden, dass diesfalls dem Schuldner vor Verwaltungsgericht eine Aberkennungsklage offen stünde, weshalb vorgängig die Erteilung der provisorischen Rechtsöffnung zulässig wäre (vgl. BGer 5A_473/2016, Erw. 3.1).
Literatur
Keine provisorische Rechtsöffnung für öffentlich-rechtliche Forderungen
- BSK-HUBER, N 42a zu SchKG 149
- BSK-STAEHELIN, N 162 zu SchKG 82
- WALTHER FRIDOLIN, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht des Jahres 2016, in: ZBJV 154 (2018), II. Rechtsöffnungsverfahren, Bemerkungen zu BGer 5A_473/2016, S. 305 ff. (v.a. zu den Schwierigkeiten für die Verwaltung im Falle von Pfändungsverlustscheinen (als Schuldanerkennung im Sinne von SchKG 82))
Judikatur
Allgemein
- BGer 5A_695/2017 vom 18.07.2018 (Fälligkeit der Forderung)
- BlSchK 80 (2016) Nr. 10, S. 72 f.
- ZR 117 (2018) Nr. 34, S. 131 ff. (Keine provisorische Rechtsöffnung bei Beitrittserklärung)
- ZR 117 (2018) Nr. 35, S. 133 ff. (Einwendungen gegen aussergerichtliche Parteivereinbarung)
Keine provisorische Rechtsöffnung für öffentlich-rechtliche Forderungen
- BGE 5A_473/2016 vom 15.11.2016