Die Gutachtenswürdigung wird von folgenden Prinzipien geprägt:
-
Es gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung.
- Würdigungskriterien sind:
- Vollständigkeit
- Nachvollziehbarkeit
- Schlüssigkeit
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Begründungspflicht
- 2 Operationen beeinflussen die Beweiswürdigung:
- Entscheidungsrelevanz und Beweiswert des Gutachtens
- Überzeugungsbildung des Gerichts, ob eine strittige Tatsache als bewiesen anzusehen ist, beeinflusst im Detail durch
- Beweismass
- Gelingen des Beweises für eine strittige Tatsachenbehauptung
- Würdigung des Gutachtens im Einzelnen
- Pflichtgemässes Ermessen
- Umfassende Befassung mit dem Gutachten
- Würdigung des Gutachtens auf seine Beweiskraft hin
- Technische Gutachten
- Im Rahmen der Kognition sollte sich das Gericht an die Beurteilung des Sachverständigen halten; oder anders ausgedrückt wird das Gericht nicht ohne zwingende Gründe vom Sachverständigengutachten abweichen [siehe Box].
- Ausnahmen:
- Gutachten ist offensichtlich widersprüchlich
- Gutachten stellt auf irrtümliche tatsächliche Feststellungen ab
- Pflichtgemässes Ermessen
- Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit rechtserheblicher Schlussfolgerungen des Sachverständigen
- Untersuchungsgrundsatz und Anspruch auf rechtliches Gehör gebieten eine inhaltliche Überprüfung des Sachverständigengutachtens
- Für Lehre und Rechtsprechung sind solche Zweifel des nicht fachkundigen Gerichts weder ein Grund für Ergänzung noch für die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens
- Gelingt es indessen dem Gericht aufgrund des Sachverständigengutachtens nicht seinen Entscheid schlüssig zu begründen, sollte doch an eine Ergänzung oder an eine Einholung eines Obergutachtens gedacht werden.
- Gelangen mehrere gerichtlich eingesetzte Sachverständige trotz gleicher Begründungsdichte und –qualität zu einem unterschiedlichen Ergebnis und kann sich das Gericht für die Urteilsbegründung weder für die eine noch für die andere Ansicht entschliessen, ist ein Obergutachten einzuholen.
Zulässige Beschränkung der Kognition
- Mangels Fachkunde kann sich das Gericht darauf beschränken, zu prüfen:
- Sachverständiger auf seine persönliche und fachliche Autorität
- Sachverständigengutachten auf formelle Mängel
- Richtigkeit und Vollständigkeit der tatbeständlichen Grundlagen
- Fachkundige Schlussfolgerungen in der Begründung
- auf Vollständigkeit
- auf Gehörigkeit
- auf Widerspruchsfreiheit
- RESULTAT: Beschränkte Kognition durch das Gericht stellt in Anbetracht des Fachkundemangels des Überprüfers kein Verstoss gegen BV 4 dar.
Literatur
- BÜHLER ALFRED, Die Beweiswürdigung von Gerichtsgutachten im Zivilprozess, in: Jusletter 14.05.2007
- BINDER ANDREAS / GUTZWILLER ROMAN S., Das Privatgutachten – eine Urkunde gemäss Art. 177 ZPO, in: ZZZ 2013, S. 171 ff.
- Karl Spühler, Behauptungslast und Beweiswürdigung bei hochtechnischen Zusammenhängen, in: Christoph Leuenberger (Hrsg.), Der Beweis im Zivilprozess, Bern 2000, S. 95
- Alfred Bühler, Gerichtsgutachter und -gutachten im Zivilprozess, in: Marianne Heer / Christian Schöbi (Hrsg.), Gericht und Expertise, Bern 2005, S. 63
Judikatur
- Vollständigkeit
- ZR 1986 Nr. 35 S. 75/76, Erw. II./2 (KassGer ZH)
- Nachvollziehbarkeit
- BGE 4P.91/1998 vom 18.12.1998
- ZR 1989 Nr. 5 S. 13 und 14 Erw. V. = SJZ 1990, Nr. 14, S. 70 f. (KassGer ZH)
- Schlüssigkeit
- BGE 118 Ia 147 Erw. 2a; SJZ 1994, Nr. 35, S. 273/274, Erw. II. 2.1.c (OGer ZH)
- ZR 1989 Nr. 5 S. 13 Erw. V. (KassGer ZH)
- BGE 130 I 346, Erw. 5.4.2
- BGE 129 I 57, Erw. 4
- BGE 128 I 86, Erw. 2, mit Hinweisen
- BGE 118 Ia 146, Erw. 1c
- BGE 130 I 345 f., Erw. 5.4.2
- BGE 129 I 57, Erw. 4
- BGE 128 I 86, Erw. 2