LAWNEWS

Datenschutzrecht

QR Code

DSG-Auskunftsgesuch für die vorprozessuale Beweismittelbeschaffung?

Datum:
25.09.2017
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Datenschutzrecht
Stichworte:
Auskunftsrecht
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Auskunft an Bankkunden betreffend bankinterne Personendaten

Ausgangslage

In den vergangenen Jahren haben die Schadenersatzprozesse unzufriedener Bankkunden zugenommen. Die beauftragten Banken verfügen meistens über einen Informationsvorsprung gegenüber ihren Kunden. Diesen versuchen sie verständlicherweise zu wahren und dem Bankkunden so wenig Angriffspunkte wie möglich zur Verfügung zu stellen.

Die Bankkunden kommen daher oft nicht umhin, ihr Auskunftsrechte geltend zu machen. Es sind dies:

Auftragsrechtliches Auskunftsrecht

Dem Bankkunden steht primär das auftragsrechtliche Auskunftsrecht von OR 400 zur Verfügung. Im Rahmen der Abrechnungs- und Ablieferungspflicht gestaltet jedoch die beauftragte Bank den Informationsumfang.

Der Bankkunde hat zur Geltendmachung seiner Rechte meist weitergehende Informationsbedürfnisse. Auf diese kann er meist nur durch eine Generalauskunftsaufforderung gemäss DSG 8 greifen (vgl. nachfolgend die Ausführungen zum „Datenschutzgesuch“), obwohl das DSG nach seiner Zwecksetzung v.a. dem Persönlichkeitsschutz dient.

Zivilprozessuale Mitwirkungspflichten

Im Zivilprozess trifft die Gegenpartei, d.h. hier die beklagte Bank eine zivilprozessuale Mitwirkungspflicht im Beweisverfahren. Im Beweisverfahren stehen die Urkunden-Edition und die Zeugenaussage im Zentrum der Informationsbeschaffung.

Die Informationen aus dem Beweisverfahren stehen erst nach dem Behauptungsverfahren zur Verfügung („Postnumerando-Information“). Sie helfen dem Kläger zum Beweis, aber nur, sofern und soweit eine entsprechende Behauptung und Substantiierung im Prozess erfolgte. Unbekannte Abläufe, Verhaltensweisen und Verhaltensursachen sind bei der Entdeckung nur noch verwertbar, falls die eingeschränkten zivilprozessualen Voraussetzungen bzw. ggf. strafrechtliche Möglichkeiten gegeben sind. Auch unter dem prozessualen Blickwinkel besteht das Bankkundenbedürfnis, vor der Klageeinleitung möglichst viele Informationen erhältlich zu machen. Das Datenschutzgesuch wäre hiefür geeignet. Nach Anhängigmachung des Zivilprozesses ist ein Auskunftsbegehren indessen nicht mehr zulässig (vgl. DSG 2 Abs. 2 lit. c). Vgl. hiezu auch die Ausführungen zum „Datenschutzgesuch“.

Datenschutzgesuch

Das Auskunftsrecht aufgrund des Datenschutzgesetzes (DSG) gewährt jeder Person grundsätzlich ohne Interessennachweis umfassende Einsicht in die über sie in einer Datensammlung vorhandenen Personendaten.

Seit dem bundesgerichtlichen Leitentscheid BGer 4A_688/2011 vom 17.04.2012 (publiziert am 05.06.2012) ist erwiesen, dass die Banken gestützt auf das Datenschutzgesetz («DSG») grundsätzlich verpflichtet sind, ihren Kunden Auskunft über sämtliche sie betreffenden bankinternen Personendaten zu erteilen, unabhängig davon, ob es sich prozessrelevante Daten handelt.

Das Bundesgericht legt das Auskunftsrecht nach DSG weit aus:

  • Recht des Bankkunden, mit dem DSG-Gesuch finanzielle Interessen im Hinblick auf einen allfälligen Schadenersatzprozess zu verfolgen
    • Zulässigkeit der Beweisausforschung?
      • Gefahr einer verpönten Beweisausforschung durch das Auskunftsbegehren hindere die Anwendbarkeit des DSG nicht
    • Ausnahme eines rechtsmissbräuchlichen Auskunftsbegehrens?
      • Anforderungen an das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs
        • Hohe Anforderungen
      • Rechtsmissbrauch: ja
        • Einziger Zweck: Ausforschung des späteren Prozessgegners, um Beweise zu beschaffen, an die eine Partei sonst nicht gelangen könnte
      • Rechtsmissbrauch: Nein
        • Datenüberprüfung allgemein und auch im Hinblick auf einen allfälligen Schadenersatzprozess
  • Attraktivität des Auskunftsrechts nach DSG
    • Im Vergleich zu anderen rechtlichen Instrumenten der Informationsbeschaffung weist das DSG-Auskunftsbegehren zwei Vorteile auf
      • 1) kein besonderer Interessennachweis
        • Keine Spezifikationspflicht
        • Keine Pflicht, die herauszugebenden Informationen im Einzelnen zu benennen
      • 2) Weitgehender datenschutzrechtlicher Personendaten-Begriff
        • alle Angaben, die sich auf eine bestimmte Person beziehen und ihr zugeordnet werden können
        • Im Zusammenhang mit der Auftragsausführung angefertigten Daten
          • Verträge
          • Kontoauszüge
          • Anlageprofil
          • schriftliche Weisungen des Kunden
          • etc.)
        • Bankinterne Personendaten wie
          • kundenbezogene Vertragsentwürfe
          • Besprechungsnotizen bzw. Logeinträge im IT-System
          • interne Sitzungsprotokolle
          • Aktenvermerke über das weitere Vorgehen oder noch abzuklärende Fragen
          • interne Stellungnahmen
          • Untersuchungsberichte
          • etc.
        • Nicht unter den DSG-Anwendungsbereich fallen und es kann die Auskunft bei Vorliegen eines Einschränkungsgrundes von DSG 9 verweigert werden
          • interne Notizen von Bankmitarbeitern zum persönlichen Gebrauch
          • personenbezogene bankinterne Daten (allgemeine Weisungen etc.)
          • Alternative: Herausgabe kraft eines zivilprozessualen Editionsbegehrens
          • PS: Die Abwehr allfälliger Zivilansprüche ist gemäss Bundesgericht kein Einschränkungsgrund
    • Mehr Auskunftsbegehren bei den Banken
      • Der erwähnte Bundesgerichtsentscheid hat zu einer Zunahme datenschutzrechtlicher Auskunftsbegehren bei den Banken geführt
    • Wahrheitsgemässe, vollständige Auskunft unter Strafandrohung
      • Der Auskunftspflichtige nach DSG (Bank, aber auch andere Vertragspartner) sind unter Strafandrohung (Busse) gesetzlich verpflichtet, Auskunftsbegehren wahrheitsgemäss und vollständig zu beantworten
    • Begründungspflicht bei Auskunftsverweigerung
      • Die Auskunftsverweigerung ist zu begründen
  • Verweigerung des Auskunftsrechts
    • Rechtsbehelf bei Auskunftsverweigerung
      • Im Streitfall steht dem Auskunftsberechtigten zur Durchsetzung seines Auskunftsrechts der Rechtsweg offen
      • Voraussetzungen
        • Auskunftsbegehrenserledigung vor Anhängigmachung einer allfälligen Haftungs- bzw. Schadenersatzklage
        • Kein hängiger Zivilprozess
        • Kein Verweigerungsrecht nach DSG 9 (Einschränkungsgrund)
    • Rechtsschutz des Auskunftspflichtigen / Abwehr des DSG-Gesuches
      • Rechtsnatur des Auskunftsgesuches
        • Instrument des Persönlichkeitsschutzes des Auskunftsberechtigten
      • Voraussetzungen
        • Bereits erfolgte (vollständige) Auskunft
        • Unzuständigkeit in der Auskunftssache
        • Einschränkungsgrund nach DSG 9
      • Kein Exkulpationsgrund
        • Unzulässigkeit einer negativen Feststellungsklage des Auskunftspflichtigen (Feststellung des Nichtbestandes von Schadenersatzforderungen des Kunden)
        • Kein Entgegenhalten des Nichtbestands finanzieller Ansprüche des Auskunftsberechtigten gegen den Auskunftsverpflichteten (zB Bank)
      • Abwehrlast des Auskunftsverpflichteten (zB Bank)
        • Auskunftspflichtiger (zB Bank) trägt die Behauptungs- und Beweislast des
          • Einschränkungsgrundes
          • Rechtsmissbrauchs
            • hohe Anforderungen
            • Geltendmachung, der Kunde verfolge einzig finanzielle Interessen ist nicht ausreichend
      • Mögliche Abwehrgründe des Auskunftsverpflichteten (zB Bank)
        • Überwiegende eigene Interessen
          • Geltendmachung eigener überwiegender Interessen an einer Auskunftsverweigerung
        • Ungestörte eigene Meinungsbildung
          • Berufung auf die ungestörte Meinungsbildung als Ausfluss des eigenen Persönlichkeitsrechts
            • Korrespondenzen zwischen der Auskunftspflichtigen (zB Bank) und ihrem Rechtsanwalt (Attorney-Client Priviledge), enthaltend auch einen zivil- und strafprozessualen gesetzlichen Schutz.

Kein Auskunftsrecht bei prozessualer Rechtshängigkeit

Das DSG-Auskunftsrecht ist für die Informationsbeschaffung in hängigen Zivilprozessen nicht (mehr) anwendbar:

  • Zeitpunkt der Rechtshängigkeit
    • Im allgemeinen resp. in Kantonen, die ein Handelsgericht nicht kennen
      • Die Rechtshängigkeit im Sinne von DSG 2 Abs. 2 lit. c tritt grundsätzlich bereits mit dem Eingang des Sühnbegehrens beim Friedensrichter ein (vgl. ZPO 62)
    • Handelsgerichtsstreitigkeiten (B2B) in den 4 Kantonen AG, BE, SG und ZH
      • Rechtshängigkeit mit der Erhebung der Direktklage (vgl. ZPO 6)
  • Folge
    • Keine DSG-Auskunft nach Prozesseinleitung
      • DSG ist nach Prozesseinleitung unter den Prozessbeteiligten nicht mehr anwendbar
        • Keine DSG-Auskunftsbegehren mehr an die Gegenpartei
        • Keine Beantwortungspflicht der Gegenpartei
    • DSG-Auskunft „ausserhalb des Prozesses“?
      • Dem Grundsatz nach gibt es auch kein DSG-Auskunftsbegehren «ausserhalb des Prozesses»

Fazit

Das DSG-Auskunftsrecht ist ein spannendes Instrument, um an alle Informationen zu den eigenen Personendaten bei der Gegenpartei zu gelangen. Es hilft dem Auskunftsberechtigten die nützliche Beschaffung von Daten über die Abläufe, die Entscheidungsmechanismen, die Dokumentierung (Logs u.ä.) und über die Professionalität oder Nichtprofessionalität der Mandatsführung, alles wesentliche Aspekte einer besseren Entscheidungsgrundlage pro oder contra Prozesseinleitung.

Der Informationsvorsprung des Auskunftsverpflichteten (zB Bank) reduziert sich und der Auskunftsberechtigte, kann besser entscheiden, was er tun oder lassen soll. – Das DSG-Auskunftsrecht schafft mehr Rechtssicherheit und weniger Prozesse auf Basis unbekannter Hintergründe. Im Entferntesten kann es auch den Rechtsfrieden begünstigen.

Quelle

LawMedia-Redaktionsteam

Vorbehalt / Disclaimer

Diese allgemeine Information erfolgt ohne jede Gewähr und ersetzt eine Individualberatung im konkreten Einzelfall nicht. Jede Handlung, die der Leser bzw. Nutzer aufgrund der vorstehenden allgemeinen Information vornimmt, geschieht von ihm ausschliesslich in eigenem Namen, auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko.

Urheber- und Verlagsrechte

Alle in dieser Web-Information veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Das gilt auch für die veröffentlichten Gerichtsentscheide und Leitsätze, soweit sie von den Autoren oder den Redaktoren erarbeitet oder redigiert worden sind. Der Rechtschutz gilt auch gegenüber Datenbanken und ähnlichen Einrichtungen. Kein Teil dieser Web-Information darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – sämtliche technische und digitale Verfahren – reproduziert werden.