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Arbeitsrecht

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Konkurrenzverbot: Was ist zulässig und was nicht

Datum:
26.08.2019
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht
Stichworte:
Arbeit, Arbeitsvertrag, Konventionalstrafe
Autor:
RA Urs Bürgi
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Enges Zulässigkeitskorsett und freie Berufe als Sonderfall

Einleitung

Die sog. „Treuepflicht des Arbeitnehmers“ gebietet es, dass der Arbeitnehmer während der Dauer des Arbeitsverhältnisses den Arbeitgeber nicht konkurrenzieren darf.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bedarf es für eine Konkurrenzierungs-Unterlassung  des ehemaligen Arbeitnehmers gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber grundsätzlich der schriftlichen Vereinbarung eines Konkurrenzverbots.

Zulässigkeit, Rechte und Pflichten sowie Verletzungsfolgen eines solchen arbeitsrechtlichen Konkurrenzverbotes sollen nachfolgend beleuchtet werden.

Voraussetzungen des Konkurrenzverbots

Gemäss OR 340 Abs. 1 kann sich der handlungsfähige Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber schriftlich verpflichten,

  • nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sich jeder konkurrenzierenden Tätigkeit zu enthalten,
    • insbesondere
      • weder auf eigene Rechnung ein Geschäft zu betreiben, das mit dem des Arbeitgebers in Wettbewerb steht,
      • noch in einem solchen Geschäft tätig zu sein oder sich daran zu beteiligen.

Laut OR 340 Abs. 2 ist das Konkurrenzverbot nur verbindlich, wenn

  • das Arbeitsverhältnis dem Arbeitnehmer Einblick gewährt
    • in den Kundenkreis oder
    • in Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse und
  • die Verwendung dieser Kenntnisse den Arbeitgeber erheblich schädigen könnte.

Beschränkungen des Konkurrenzverbots

OR 340a Abs. 1 verlangt für ein Konkurrenzverbot, dass es „angemessen“ zu begrenzen ist, nach:

  • Ort (räumliche Ausdehnung)
  • Zeit (zeitliche Beschränkung, i.d.R. max. 3 Jahre)
  • Gegenstand (verbotene Tätigkeit).

Diese örtliche, zeitliche und gegenständliche Beschränkung soll eine unbillige Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens des Arbeitnehmers ausschliessen.

Die „Dauer“ darf nur unter besonderen Umständen drei Jahre überschreiten.

Herabsetzung durch den Richter

Ein „unangemessenes“ Konkurrenzverbot ist nicht nichtig, sondern bloss – aber immerhin – herabsetzbar.

Der Richter kann daher ein übermässiges Konkurrenzverbot unter Würdigung aller Umstände und nach seinem Ermessen einschränken.

Dabei hat der Richter eine allfällige Gegenleistung des Arbeitgebers (zB höherer Lohn zur Konkurrenzverbotsabgeltung) angemessen zu berücksichtigen.

Freie Berufe: Eingeschränkte Zulässigkeit

Einleitung

Für die sog. „freien Berufe“ haben die Gerichte eine spezielle Rechtsprechung entwickelt, auf die an dieser Stelle kurz einzugehen ist. Leading Cases sind die Urteile BGer 4C.100/2006 vom 13.07.2007 und BGE 138 III 67 ff.

Starke persönliche Bindung des Kunden an den Arbeitgeber

Hat der Arbeitgeber im Verhältnis zu seinen Kunden eine starke persönliche Bindung, kommt es gar nicht zu einem „Kundenwechsel“.

Starke persönliche Bindung des Kunden an den Arbeitnehmer

Ist während des Mandates zwischen dem Kunden und dem Arbeitnehmer eine starke persönliche Bindung entstanden, wechselt dieser, so die Rechtsprechung, nicht wegen der besonderen Arbeitnehmer-Kenntnisse, sondern v.a. wegen der persönlichen Beziehung; diesfalls würde es am notwendigen Kausalzusammenhang für die Schadenersatzforderung fehlen.

Entsprechend postuliert die Rigeste von BGE 138 III 67 zur Gültigkeit des Konkurrenzverbotes:

„Erbringt der Arbeitnehmer dem Kunden eine Leistung, die vorwiegend von seinen persönlichen Fähigkeiten geprägt ist, so dass der Kunde diesen Fähigkeiten eine grössere Wichtigkeit beimisst als der Identität des Arbeitgebers, ist ein Konkurrenzverbot gestützt auf den Einblick in den Kundenkreis ungültig (E. 2.2).“

Kundenabwerbeverbot

Anstelle eines unzulässigen Konkurrenzverbotes kann der Arbeitgeber mit seinem neuen Mitarbeiter ein sog. „Kundenabwerbeverbot“ vereinbaren. Dieses ist denkbar als:

  • Verbot des aktiven Abwerbens
    • Der Mitarbeiter darf dem ehemaligen Arbeitgeber keine Kunden abwerben (= Kundenabwerbeverbot)
  • Verbot des passiven Abwerbens
    • Der Mitarbeiter verpflichtet sich nachvertraglich, keine Kunden seines früheren Arbeitgebers als Mandanten anzunehmen (= Verbot der Kundenannahme).

Beendigung durch Arbeitgeber-Kündigung

Das Konkurrenzverbot fällt dahin,

  • wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt,
    • ohne dass ihm der Arbeitnehmer dazu begründeten Anlass gegeben hat.

Beendigung durch Arbeitnehmer-Kündigung

Das Konkurrenzverbot fällt weiter dahin,

  • wenn der Arbeitnehmer aus einem begründeten, vom Arbeitgeber zu verantwortenden Anlass das Arbeitsverhältnis auflöst.

Wegfall des Konkurrenzverbots

Das Konkurrenzverbot kann auch dahinfallen,

  • wenn der Arbeitgeber nachweisbar kein erhebliches Interesse mehr hat, es aufrecht zu erhalten.

Übertretungsfolgen

Einleitung

Der Arbeitgeber erfährt meist von Kunden, Mitarbeitern und sonstigen Personen von der Anstellung des ehemaligen Mitarbeiters bei einem Konkurrenten oder seiner konkurrierenden Tätigkeit. Der Arbeitgeber wird in der Folge zuerst investigative Massnahmen auslösen. Erst nach solchen Recherchen wird er abschätzen können, ob ein Schädigungspotential vorhanden ist und eingeschritten werden muss.

Schädigungspotential

Der Gesetzgeber verlangt – wie vorn erwähnt – eine erhebliche Schädigungsmöglichkeit. Darunter wird ein ins Gewicht fallendes Schädigungspotential verstanden. Ein solches kann vorliegen bei:

  • Verlust bloss eines einzigen Kunden
    • Die Verwirklichung eines Schädigungspotentials kann sich bereits bei Verlust bloss eines Kunden einstellen
  • Tätigkeit des ehemaligen Mitarbeiters auch in Bereichen fehlender Konkurrenzierungsgefahr
    • Das Schädigungspotential verwirklicht sich auch, wenn der ehemalige Arbeitnehmer in einem Konkurrenzbetrieb arbeitet, sich aber dabei weder um die geschützte Kundschaft kümmert oder nicht in dem Bereich tätig ist, wo die Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse ausgenützt werden könnten.

Effektive Schädigung

Die Folgen einer Konkurrenzverbots-Übertretung werden vom Gesetzgeber im Arbeitsrecht wie folgt differenziert:

  • Schadenersatz
    • Verletzt der Arbeitnehmer das Konkurrenzverbot, so hat er den dem Arbeitgeber den daraus erwachsenden Schaden zu ersetzen
    • Die Schadenersatzpflicht setzt eine Schädigung des Arbeitgebers durch Verwendung der Kenntnisse des Kundenkreises oder der Geschäfts- bzw. Fabrikationsgeheimnisse voraus
    • OR 340b Abs. 1
  • Konventionalstrafe
    • Ist für den Fall der Konkurrenzverbot-Übertretung eine Konventionalstrafe geschuldet und nichts anderes verabredet, so kann sich der Arbeitnehmer durch deren Leistung vom Verbot befreien
    • Der fehlbare Arbeitnehmer bleibt jedoch für den weiteren Schaden ersatzpflichtig
    • OR 340b Abs. 2
  • Erfüllungsanspruch (Realexekution)
    • Ist es indessen besonders schriftlich verabredet, so kann der Arbeitgeber verlangen
      • nebst der Konventionalstrafe und
      • dem Ersatz des weiteren Schadens
      • die Beseitigung des vertragswidrigen Zustandes (sog. Realexekution),
        • sofern eine Rechtfertigung besteht hinsichtlich
          • der verletzten oder bedrohten Interessen des Arbeitgebers und
          • des Verhaltens des Arbeitnehmers
    • OR 340b Abs. 3

Missachtet der Arbeitnehmer das vereinbarte Konkurrenzverbot, kann der Arbeitgeber also im Rahmen der nachgenannten „Kaskade“ fordern:

  • Schadenersatz
  • Konventionalstrafe
  • Erfüllungsanspruch (Realexekution)

Ferner:

  • Ansprüche aus UWG

Schadenersatz

Die Verletzung des Konkurrenzverbots kann eine Schadenersatzforderung begründen. Den Arbeitgeber trifft dabei die Beweislast, nachzuweisen, dass er einen Schaden erlitten hat und ihm Gewinn entgangen ist.

Es ist unbestritten, dass auf den Arbeitgeber, der Ansprüche – ohne Vereinbarung einer Konventionalstrafe (Vertragsstrafe) – geltend machen will, Beweisschwierigkeiten zukommen.

Konventionalstrafe

Die (schriftliche) Vereinbarung einer Konventionalstrafe (als weitere Klausel zum Konkurrenzverbot), wegen der hievor erwähnten Beweisschwierigkeiten, stellt heute den Normalfall dar.

Bei der Konventionalstrafe wird unterschieden in:

  • Alternative Konventionalstrafe (ohne spezielle Abrede / Ausnahme)
    • Der frühere Arbeitnehmer kann sich durch Bezahlung der Strafsumme von der Enthaltungspflicht befreien (vgl. OR 340 Abs. 2)
    • Meistens übernimmt in einem solchen Fall der neue Arbeitgeber die Bezahlung der Strafsumme und befreit so den früheren Arbeitnehmer von diesem Risiko, was natürlich für den früheren Arbeitgeber nicht zielführend ist
  • Kumulative Konventionalstrafe (mit diesbezüglicher Abrede / üblich)
    • Trotz Bezahlung der Strafsumme muss der ehemalige Arbeitnehmer das Konkurrenzverbot beachten
    • Der frühere Arbeitgeber kann nebst der Zahlungsaufforderung dem Arbeitnehmer verbieten lassen, beim Konkurrenten – während der Bestandesdauer des Konkurrenzverbotes – zu arbeiten (sog. „Realexekution“)

Die Konventionalstrafe ist – ohne andere Abrede – nur einmal geschuldet.

Die Beweislast für die Konkurrenzverbotsverletzung trifft den Arbeitgeber.

Der Richter kann ein übermässiges Konventionalstrafen-Quantitativ nach seinem Ermessen herabsetzen (vgl. OR 163 Abs. 3).

Praxishinweise zur Konventionalstrafe:

Vgl. hiezu Verletzung des Konkurrenzverbotes

Erfüllungsanspruch (Realexekution)

Wie hievor erwähnt, nutzt die Kombination von Konkurrenzverbot und Konventionalstrafe nur etwas, wenn dem ehemaligen Arbeitnehmer die Konkurrenzierung auch verboten werden kann (kumulative Konventionalstrafe/Realexekution).

Die Vereinbarung dieses „Ausnahmefalls“ gehört aber zum notwendigen bzw. zielführenden Repertoire der Konkurrenzierungsabwehr-Strategie.

  • Voraussetzungen
    • Unmissverständlicher schriftlicher Vorbehalt des Rechtes auf Realexekution
    • Gefährdung erheblicher wirtschaftlicher Interessen des Arbeitgebers
    • Krass treuwidriges Verhalten des ehemaligen Mitarbeiters
    • Beweislast des Arbeitgebers
  • Vorkehren für rasche Realerfüllung
    • Vorsorgliche Massnahmen
      • zB durch superprovisorische Verfügung des Gerichts
  • Antrag auf Androhung der Ungehorsamsstrafe gemäss StGB 292
      • zB Androhung nach StGB 292 in der superprovisorischen Verfügung des Gerichts
  • Hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch Arbeitgeber.

Aus einer längeren Duldung der konkurrenzierenden Tätigkeit kann ein konkludenter Verzicht auf das Konkurrenzverbot geschlossen werden.

Der Arbeitgeber sollte zur Vermeidung einer solchen Verzichtsannahme sofort veranlassen:

  1. Unterlassungsaufforderung
  2. Realexekutions-Klage.

Ansprüche aus UWG

Verwendet der frühere Arbeitnehmer wettbewerbsrelevante Betriebsdaten zur Konkurrenzierung seines Ex-Arbeitgebers, stellt dies unlauteren Wettbewerb dar.

Für den betroffenen Ex-Arbeitgeber besteht die Möglichkeit, zivil- und strafrechtliche Abwehrmassnahmen zu veranlassen (UWG 9 und 23).

Hinsichtlich der Sanktionen ist zu unterscheiden zwischen „direkter Konkurrenzierung“ und „indirekter Konkurrenzierung“:

  • direkte Konkurrenzierung
    • Keine Sanktionen des Wettbewerbsrechts, nur solche aus dem arbeitsrechtlichem Konkurrenzverbot (OR 361 und 362)
  • indirekte Konkurrenzierung
    • Zulässigkeit von zivil- und strafrechtlichen Sanktionen gegenüber dem Konkurrenten, der hiezu den konkurrenzverbots-belasteten früheren Arbeitnehmer einsetzt.

Fazit

Der Arbeitgeber, der viel in die Einführung, Aus- und Weiterbildung sowie in die Karriere eines Mitarbeiters investiert, hat ein vitales Interesse, dass ihm dieser nicht noch seine Assets wie Kundendaten bzw. Betriebs- und Fabrikationsgeheimnisse mitnimmt und sich zu seinem Nachteil dadurch die Anstellung bei einem Konkurrenten versüssen lässt. Dass der ködernde Konkurrent oft mehr an den Konkurrenten-Informationen als am Arbeitnehmer selbst interessiert ist, weist sich meistens erst später.

Vice versa soll Arbeitnehmern, die keinen Einblick in die Kundenkartei oder in Betriebs- und Fabrikationsgeheimnisse hatten, das berufliche Fortkommen nicht unnötig erschwert werden. Der Gesetzgeber hat hier Grenzen – wie hievor dargestellt – abgesteckt und dem Richter die notwendigen Leitlinien vorgegeben.

Jedenfalls ist kein Fall vergleichbar, weder beim Zustandekommen des Konkurrenzverbots und einer Konventionalstrafenabrede, bei der Arbeitsvertragsbeendigung, bei der Verletzung des Konkurrenzverbots, noch bei der Geltendmachung der Übertretungsfolgen (Schadenersatz, Konventionalstrafe, Realexekution und Verfolgung der UWG-Ansprüche. – Es gilt das Prinzip der Einzelfallbeurteilung aufgrund der individuell konkreten Verhältnisse.

Quelle

RA Urs Bürgi

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