Zwingt vernachlässigtes Risk-Management zu mehr Reputations-Management?
Einleitung
Im Telekom-Netz von Swisscom ist es am Dienstag zur dritten flächendeckenden Störung seit Jahresbeginn gekommen. Das verärgert die Unternehmen, die in der „Nach-Corona-Zeit“ dringend auf die Kommunikation mit Ihren Kunden angewiesen sind.
Umstritten blieb gestern, ob auch – und wieder – die Notrufnummern 112, 117, 118 und 144 ausfielen.
Ausfälle 2020/1 und 2020/2
Die Ausfälle vom Januar und Februar hatten laut Swisscom keine gemeinsame Ursache:
- Hardware-Defekt
- Im einen Fall sei ein Hardware-Defekt im Zürcher Datacenter der Auslöser gewesen.
- Unsorgfalt bei der Netzerweiterung
- Im andern Fall hätte die Ursache in einem mehrfachen menschlichen Fehlverhalten bei Arbeiten zur Erweiterung der Netzkapazität gelegen.
Der These, dass sich der Swisscom-Sparkurs negativ auf die Netz-Stabilität auswirke, hat der Swisscom-CEO Urs Schaeppi gemäss Tagespressemedien deutlich widersprochen.
Ausfall 2020/3: Die Fragen
Es mag das Pech des Fleissigen sein. Aber auf Verständnis hoffen und sich entschuldigen, reicht im Wiederholungsfalle nicht, auch wenn es sich um ein wieder anderes Missgeschick handelt.
Fragen, die sich alle Beteiligten stellen:
- Risikomanagement in Betrieb, Unterhalt und Erneuerung des Netzes
- Betrieb als Ursache?
- Weshalb werden nicht risikominimierende Gebiets-Partionierungen oder Redundanzen geschaffen?
- Weshalb schauen die Corporate Risk-Manager den Technikern nicht auf die Finger?
- Unterhalt und Erneuerung oder Netzerweiterung als Ursache?
- Weshalb werden solche Arbeiten nicht am Wochenende oder nachts bzw. in belastungsarmen Zeiten des Netzes erledigt?
- Betrieb als Ursache?
- Kundenverhältnis
- 3 Stunden nicht telefonieren können, bedeutet in allen Branchen ein Geschäftsausfall, d.h. Mindereinnahmen, die trotz bezahlten Abo-Kosten entstehen
- Es ist nur eine Frage der Zeit, bis findige Unternehmer die Geltendmachung von Schadenersatz-Forderungen aus Telekomausfällen als Geschäftsmodell entdecken, so wie bei den Flugannullationen oder Flugverspätungen
- Geschäftsleitung und Verwaltungsrat (VR)
- Die Geschäftsleitung und der Verwaltungsrat (OR 716a) sind auch für einen funktionierenden operativen Betrieb und hinsichtlich der Compliance-Regelbrüche im Obligo
- Was werden nun GL und VR veranlassen, um das Business Continuity Management (BCM) zu gewährleisten?
- Bereits bei einem der ersten beiden Netzausfälle hat der CEO die Möglichkeit von personellen Konsequenzen angedeutet
- Wird es nun zu einem „Köpfe-Rollen“ kommen und wenn ja, auf welcher Hierarchiestufe?
- Krisenkommunikation
- Hat die Krisenkommunikation auch einen Update oder Upgrade nötig?
- Müsste nun nicht der CEO hin stehen und kommunizieren, statt eine adrette Pressesprecherin vorzuschicken, mit dem Auftrag, abgesehen von einer Entschuldigung so viel wie nichts mitzuteilen?
- Analysten und Börse
- Die Börsen-Analysten dürften sich selber für eine Ursachenerforschung auf die Pirsch machen
- Die Börse wird das betriebliche Unvermögen der Swisscom voraussichtlich in den Kursen abbilden: Wie entwickelt sich der Swisscom-Börsenkurs?
- Lizenzgeber BAKOM
- Swisscom ist bekanntlich sog. „systemrelevanter Telekom-Provider“
- Dem Vernehmen nach hat sich das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) eine «vertiefte Abklärung der Ursachen» angekündigt
- Die Untersuchung scheint noch nicht abgeschlossen zu sein
- Gibt es nun eine Untersuchungsausweitung oder eine neue, zusätzliche Untersuchung?
- Politik und Parlament
- Bereits nach dem zweiten Netz-Lockdown zeigten sich bestimmte Parlamentarier verärgert
- Die dritte Panne wird sicherlich Vorstösse im Parlament nach sich ziehen
- Anreiz für die Telekom-Konkurrenz aus dem Ausland
- Wird die Konkurrenz die fehlende Netzstabilität der Swisscom dazu nutzen, die Schweiz als „Jagdrevier“ für eine Marktausdehnung anzupeilen?
- Weitere Fragen denkbar
- Die weitere Betriebsentwicklung wird voraussichtlich weitere Fragen aufwerfen.
Es zeichnet sich ab, dass sich die Swisscom inskünftig mit einer Vielzahl von Stakeholdern und mit sich beschäftigen muss.
Besser und günstiger ist die Beibehaltung einer soliden, stabilen und respektablen Netzwerkleistung. Guter Service gibt ein gutes Image. – Funktioniert das Netz nicht, werden die Abonnementspreise zweitrangig. Teurere Abos und ein instabiles Netz: Das geht gar nicht.
Vorhandensein eines Krisenwarnsystems?
Verfügt die Swisscom über ein Krisenwarnsystem, wie es Konzerne sonst anzuwenden pflegen?
Es stellt sich die Frage, wo die Swisscom in der lehrbuchmässigen Kaskade einzuordnen ist?
- Vertrauenskrise?
- Krisensymptome
- Krisenphasen
Ob und inwieweit nun sogar ein Krisenmanagement angezeigt ist, kann (im heutigen Zeitpunkt) nicht beurteilt werden:
Handlungsbedarf – nicht erst bei Netzausfall
Will Swisscom unangefochtener und kompetenter Marktleader bleiben, muss die Geschäftsleitung dringend, grundsätzlich und nachhaltig eingreifen.
Es scheint am Vorsichtsprinzip und an einem professionellen Risiko-Management, nicht nur in der Technik, sondern auch bei der Führung zu kranken.
Es wäre schade, wenn der halbstaatliche Telekom-Riese auf der Krankenstation landen würde.
Quelle
LawMedia Redaktionsteam
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