Wird der Auto-Occasionshandel zu Lasten des Datenschutzes sicherer?
Einleitung
Alle Auto-Occasionskäufer kennen das Gefühl der Unsicherheit. Wer nicht vorher prüft, den quälen oft anlassbedingt später, nach dem Gebrauchtwagenkauf, die Fragen:
- Ist das Auto wirklich unfallfrei?
- Wurde das Fahrzeug bereits einmal rostbehandelt?
- Wurde das Auto wie angeboten und zugelassen genutzt?
- Stimmt die Inverkehrsetzungs-Angabe?
- Gibt der Kilometerstand im Tacho die effektive Laufleistung wieder?
- Hatte das Auto wirklich nur einen Vorbesitzer?
- etc.
Der Käufer muss sich wohl oder übel auf die Angaben des Verkäufers verlassen.
Auch wenn den Autoverkäufer unter bestimmten Voraussetzungen eine Aufklärungspflicht trifft, bleibt für den Autokäufer die Gefahr einer Täuschung.
Treten nach dem Kauf (versteckte) Mängel auf, kostet dies den Occasionskäufer trotz seiner Mängelrechte viel Geld und verursacht ihm grossen Ärger.
Checklisten versuchen zu helfen:
Aber ist die Datenlage des Autoverkäufers immer der Wahrheit entsprechend?
Auch fachmännische Eintauschtests können nicht alles sichtbar machen:
Eine neue Plattform namens „Cardossier“ soll dem Ärger beim Gebrauchtwagenkauf Abhilfe schaffen. – „Cardossier“ will aber noch mehr!
Was ist „Cardossier“
„Cardossier“ ist eine Internet-Plattform, die im Juni 2020 gestartet hat.
„Cardossier“ will digital abbilden, was ein Auto schon erlebt hat, und zwar vom ersten Kilometer (Neuwagen) bis zum „Autorecycling“ (früher: Autoverschrottung“).
Wer ist „Cardossier“
Plattform-Initiant „Cardossier“ ist ein Verein, der nicht gewinnorientiert sein soll.
Entwicklungspartner des Vereins ist die AdNovum Informatik AG.
Nebst privatwirtschaftlichen Unternehmen (grosse Autoimporteure, Versicherer, Branchenverbände, etc.) sei auch das Aargauer Strassenverkehrsamt, jenes von Fürstentum Liechtenstein (FL), das Bundesamt für Strassen (Astra) und Hochschulen mit von der Partie (sog. Public-Private-Partnership).
Ziel von „Cardossier“
Die Etablierung einer Informationsplattform für die lückenlose Darstellung des Fahrzeug-Lebenslaufs, d.h. der Fahrzeug-History.
Datensammlung
Dieser digitale Fahrzeug-Lebenslauf baut technisch auf der Blockchain-Technologie auf:
- Dezentrale Sammlung aller Fahrzeugdaten in einem einzelnen Register
- Fahrzeugdaten-Verwaltung
- Fahrzeugdaten-Aktualisierung.
Gleichwohl ist eine Veränderung des Datensatzes ohne dafür autorisiert zu sein, nicht möglich.
Derzeit sollen 11.8 Millionen einzelne Fahrzeuge gespeichert sein.
Die Daten würden vom Bundesamt für Strassen (Astra) stammen.
Eingetragen sei alles, das vier Räder habe und fahren könne:
- Personenwagen
- Lieferwagen
- Schwere Nutzfahrzeuge.
Später könnten Motorräder dazukommen.
Nutzungsmöglichkeiten nur für „Firmenkunden“
Firmenkunden
Aktuell stehe die Plattform „Cardossier“ und ihre Daten nur den „Firmenkunden“ zur Verfügung.
Diese könnten zum Beispiel überprüfen, ob ein bestimmtes Occasionsfahrzeug wirklich existiere.
Privatkunden?
Der Zugriff für Private, vermutlich dereinst mit einer App, zB zur Abfrage der Fahrzeuggeschichte eines bestimmten Wagens, würde aber erst in einigen Jahren möglich werden.
Transparenz vs. Datenschutz
Die Kehrseite der Transparenz ist der Datenschutz der Autohalter und Fahrzeugbesitzer.
Bei der Plattform-Realisation seien auch Datenschutzexperten involviert gewesen.
Gleichwohl mutet es etwas komisch an, dass das Bundesamt für Strassen (Astra), die von den kantonalen Strassenverkehrsämtern erhobenen Daten einem Dritten, auch wenn er ein Verein ist, zur Verfügung stellt. An diesem Eindruck ändert auch nichts, wenn der Vereinspräsident beim Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau tätig ist.
Viele weitere Fragen drängen sich auf:
- Besteht für die Datenherausgabe bei Bund und / oder den Kantonen eine gesetzliche Grundlage?
- Wer hat ggf. die Personen- und Fahrzeugdaten getrennt (Strassenverkehrsämter oder Astra, auf Kosten der Steuerzahler) oder erst der Entwickler (Datenschutzverletzung)
- Können die Fahrzeugdaten mit den Personendaten in Verbindung gebracht werden?
- Wie ist die Datenherausgabe mit den Partnern (Autoimporteure, Versicherer, Branchenverbände usw.) wie auch mit den sog. „Firmenkunden“ geregelt?
- usf.
Jedes Auto (Objekt) hat auch einen Eigentümer (Subjekt).
Mangels Einblick von Privatpersonen in das Portal lässt sich derzeit nicht beurteilen, ob und inwieweit den Datenschutzvorschriften zugunsten der Autohalter und Fahrzeugbesitzer Rechnung getragen wurde.
Wer wissen will, ob auch seine Personendaten nebst seines Autos gespeichert sind, kann mittels eines Datenschutzgesuches (sog. „DSG-Gesuch“) abzuklären versuchen, ob und wie seine Personendaten in der Datensammlung (mit-)erfasst sind.
Weitere Möglichkeiten
Eine der Strategien von „Cardossier“ ist die Ausgestaltung und Implementierung von Prozessen unter Einbezug weiterer Beteiligter für den
- digitalen Versicherungsnachweis.
Offenbar arbeitet „Cardossier“ auch an weiteren Konzepten zur Fahrzeugdaten-Erfassung:
- technische Ausstattungsmerkmale
- Reparatureinträge
- Serviceeinträge
- etc.
Ob das „Cardossier“-Projekt eine vollautomatische Autozulassung ermöglichen kann, wird sich weisen.
Mehr: Cardossier | cardossier.ch
Quelle
LawMedia Redaktionsteam