Die Frage, ob eine Fahrzeugabschleppung zulässig ist, erfordert eine differenzierte Betrachtungsweise:
Rechtsgrundlagen
- ZGB 641 Abs. 2
- ZGB 928
Grundsätzlicher Beseitigung der Störung
- = grundsätzliche Berechtigung, das Fahrzeug abschleppen zu lassen
- aber: Vorbehalt der Unverhältnismässigkeit
- Oft ist das Abschleppen des Fahrzeugs ab dem Privatgrund nicht verhältnismässig
- Massgeblichkeit der individuellen Verhältnisse und der richterlichen Beurteilung!
Unverhältnismässigkeit einer Fahrzeugabschleppung
Gründe
- Möglichkeit zur Fahrzeughalter-Recherche
- Kurzes Stehenlassen des Fahrzeugs
Folgen für den Grundeigentümer
- Tragung der Abschleppkosten
- ev. Schadenersatzforderung des Parksünders
Verhältnismässigkeit einer Fahrzeugabschleppung
Voraussetzungen
- Längeres Stehenlassen des Fahrzeugs
- Keine Möglichkeit, den Fahrzeughalter in Erfahrung zu bringen
- Falschparkerfahrzeug verstellt Wegfahrtsweg des Grundeigentümers
Fahrzeugabschleppung als Selbsthilfe
- Rechtsgrundlage
- ZGB 641 Abs. 2
- ZGB 928
- ev. OR 52
- Unzulässigkeit der Anweisung an den Abschleppdienst, das Fahrzeug nur gegen Bezahlung der Abschleppkosten und der Fahrzeugaufbewahrungskosten herauszugeben
- Grund
- Selbsthilfe kann nur der Besitzesverschaffung und nicht der Sicherstellung des Schadenersatzanspruches (Abschleppkosten)
- Eine Zurückbehaltung des Fahrzeugs bis die bestrittenen Selbsthilfekosten gedeckt sind, stellt seinerseits eine verbotene Eigenmacht dar
- Grund
- Kostenersatz
- Haftungsgrundlagen
- ZGB 928 Abs. 2
- ev. OR 41 (unerlaubte Handlung)
- Der Grundeigentümer muss die Abschleppkosten vorschiessen und deren Ersatz vom Falschparkierer notfalls auf dem Prozessweg einverlangen
- Durchsetzung der Abschlepp- und Aufbewahrungskosten gegenüber dem Parksünder
- auf dem Prozessweg (ordentlicher Prozess)
- auf dem Betreibungsweg
- Haftungsgrundlagen
Meistens ist ein „Abschleppstreit“ eine emotionsgeladene Angelegenheit, die bei strittiger Auseinandersetzung unberechenbare Weiterungen zeitigt. – „Recht haben“ ist leider nicht immer gleichbedeutend mit „Recht bekommen“.
Art. 641 ZGB
1 Wer Eigentümer einer Sache ist, kann in den Schranken der Rechtsordnung über sie nach seinem Belieben verfügen.
2 Er hat das Recht, sie von jedem, der sie ihm vorenthält, herauszuverlangen und jede ungerechtfertigte Einwirkung abzuwehren.
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Art. 928 ZGB
1 Wird der Besitz durch verbotene Eigenmacht gestört, so kann der Besitzer gegen den Störenden Klage erheben, auch wenn dieser ein Recht zu haben behauptet.
2 Die Klage geht auf Beseitigung der Störung, Unterlassung fernerer Störung und Schadenersatz.
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Art. 52 OR
1 Wer in berechtigter Notwehr einen Angriff abwehrt, hat den Schaden, den er dabei dem Angreifer in seiner Person oder in seinem Vermögen zufügt, nicht zu ersetzen.
2 Wer in fremdes Vermögen eingreift, um drohenden Schaden oder Gefahr von sich oder einem andern abzuwenden, hat nach Ermessen des Richters Schadenersatz zu leisten.
3 Wer zum Zwecke der Sicherung eines berechtigten Anspruches sich selbst Schutz verschafft, ist dann nicht ersatzpflichtig, wenn nach den gegebenen Umständen amtliche Hilfe nicht rechtzeitig erlangt und nur durch Selbsthilfe eine Vereitelung des Anspruches oder eine wesentliche Erschwerung seiner Geltendmachung verhindert werden konnte.
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Art. 41 OR
1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
2 Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt.
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Weiterführende Informationen
Judikatur
- BGE 6S.77/2003, Erw. 4.2, vom 6. Januar 2004
- BGE 6S.77/2003 | polyreg.ch