Ausgangslage
Verschiedene Grundeigentümer üben die hemdsärmelige Praxis, einen Avis unter den Scheibenwischer des falsch geparkten Wagens zu klemmen, mit zB folgendem Wortlaut, der Gegenstand einer umfangreichen bundesgerichtlichen Beurteilung wurde (siehe Box):
«Sie werden ersucht, mit beiliegendem Einzahlungsschein eine Umtriebsentschädigung von Fr. 30.– zu entrichten. Mit der Bezahlung dieser Gebühr innert 10 Tagen entheben Sie uns der Pflicht, wegen Uebertretung des richterlichen Verbots zu verzeigen.»
Hinweis
Der guten Ordnung halber ist festzuhalten, dass der Text nicht nachahmungsfähig ist (u.a. wegen Verwendung des Gebührenbegriffs und weil der Falschparkierer nicht darüber aufgeklärt wird, ob nach der „Gebühren“-Zahlung auf die Strafanzeigenerhebung verzichtet wird).
„Offerte Umtriebsentschädigung gegen Strafanzeigenverzicht“
Diese Grundeigentümer-Praxis entspricht jener bei Schwarzfahrern und Ladendieben. Ein solches Vorgehen ist grundsätzlich zulässig (vgl. BGE 6S.77/2003, siehe Box).
Umtriebsquantitativ
Das Bundesgericht erachtete in BGE 6S.77/2003 eine Umtriebsentschädigung in Höhe von CHF 30.— als angemessen und erklärte, dass der Grundeigentümer Anspruch auf den Geldbetrag habe, den er mit dem angebrachten Avis von den Falschparkierern forderte.
Ob das Umtriebsentschädigungs-Quantitativ heute noch aktuell bzw. kostendeckend ist, muss im konkreten Einzelfall beurteilt werden.
Jedenfalls sollte der Grundeigentümer für den Ersatz seiner Umtriebe tendenziell weniger verlangen als er effektiven Aufwand hatte. Damit kann er sich von den strafrechtlich relevanten Vorwürfen der Nötigung infolge fehlenden sachlichen Zusammenhangs zwischen der Strafanzeige und der geltend gemachten Forderung und der Erpressung infolge Bereicherungsabsicht wegen zu hoher Umtriebsentschädigung exkulpieren. Vgl. hiezu
Weiterführende Information
Judikatur
- BGE 6S.77/2003 vom 6. Januar 2004
- BGE 6S.77/2003 vom 6. Januar 2004 | polyreg.ch
- LVGE 1999 I Nr. 50
Literatur, u.a. auch zur Höhe der Umtriebsentschädigung
- TSCHANNEN EMMANUEL GEORG, Vorbeugender Rechtsgüterschutz durch Privatrecht- Eine Bestandesaufnahme überkompensatorischer Rechtsfolgen im Vertragsrecht der Schweiz, Bern 2009, S. 27 ff., insbesondere S. 30
- Der Autor geht von einer als „Umtriebsentschädigung“ bezeichneten „Parkbusse“ in Höhe von zwischen CHF 30 und 60 aus
- WINIGER TIZIANO, Dieser Parkplatz gehört mir!, in: HEV 12/2013
- Der Autor nimmt aufgrund von BGE 6S.77/2003 vom 06.01.2004 an, dass „CHF 30.— bis CHF 40.— vertretbar seien, meint aber weiter, dass CHF 100.— dann sehr wahrscheinlich zu viel wären