Der Kaufvertrag gehört zu einem der bedeutendsten Vertragstypen überhaupt. Tagtäglich werden Millionen von Kaufverträge weltweit abgeschlossen, denen im Kern stets der Austausch von Ware gegen Geld zu Grunde liegt.
Entsprechend seiner rechtlichen und wirtschaftlichen Bedeutung wird der Kauf als erstes gesetzlich geregeltes Vertragsverhältnis – nach dem allgemeinen Teil des Obligationenrechts – in OR 184 – 236 behandelt. Es folgt ihm dicht darauf der Tauschvertrag (OR 237 und 238), bei dem nicht der Austausch von Waren gegen Geld, sondern der Austausch von Ware gegen Ware die Grundlage des Synallagma bildet. Dass der Tauschvertrag im Gesetz gleich nach dem Kaufvertrag folgt, obwohl er vergleichbar mit dem Kauf kaum von Bedeutung ist, macht durchaus Sinn, finden doch auf den Tauschvertrag gemäss OR 238 die Vorschriften über den Kauf entsprechend Anwendung.
Vergleicht man die besonderen Regeln zum Kaufvertrag mit den allgemeinen Regeln zum Vertragsrecht gemäss OR 1 – 183, sind insbesondere die Regeln zur Gefahrtragung (OR 185 f.), zur Spätleistung (OR 190 bzw. 214) sowie die kaufrechtlichen Gewährleistungsregeln gemäss OR 197 ff. in den Vordergrund zu stellen.
Gefahrtragung
Kommt es nach Vertragsschluss zu einer unverschuldeten Unmöglichkeit der vertraglich vereinbarten Leistung, so gilt nach den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts (OR 119) die Leistung des Schuldners als erloschen. Gleichzeitig wird der Gläubiger von seiner Leistungspflicht befreit. Bereits erbrachte Leistungen können zurückgefordert werden.
Gemäss OR 119 Abs. 3 gelten die soeben erwähnten Regeln nicht, wenn die Gefahr des zufälligen Untergangs einer Sache nach einer Gesetzesvorschrift bereits vor der Erfüllung auf den Gläubiger übergeht. Eine solche Gesetzesvorschrift stellt OR 185 dar, die für den Kaufvertrag spezielle Gefahrtragungsregeln aufstellt.
Gemäss OR 185 trägt der Käufer grundsätzlich bereits ab Vertragsschluss das Risiko für den zufälligen Untergang der Sache. Das bedeutet, dass der Käufer allenfalls den Kaufpreis bezahlen muss und aufgrund des zufälligen Untergangs der Kaufsache, gar nichts vom Verkäufer erhält. Der Käufer trägt somit grundsätzlich ab Vertragsschluss die sogenannte Preisgefahr. Der Verkäufer wird hingegen von seiner Leistung befreit und muss keine Nachlieferung vornehmen.
Spätleistung
Im kaufmännischen Verkehr werden die allgemeinen Bestimmungen zur Spätleistung, d.h. Schuldnerverzug (OR 102 – 109) und Gläubigerverzug (OR 91 – 95), durch die lex specialis 190 f. (Verzug des Verkäufers) bzw. lex specialis OR 214 f. (Verzug des Käufers) ersetzt. Im Gegensatz zu den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts liegt den Spezialregeln die Vermutung des Gesetzgebers zugrunde, dass der Verkäufer im Verzugsfall des Käufers vom Vertrag zurücktreten will. OR 214 ermöglicht dem Verkäufer deshalb ohne Ansetzung einer Frist, vom Vertrag zurück zu treten. Und im umgekehrten Fall, also wenn der Verkäufer in Verzug ist, dass der Käufer auf die Leistung des Verkäufers verzichtet und Schadenersatz für den allenfalls teureren Deckungskauf verlangt.
Kaufrechtlichen Gewährleistungsregeln
Eine weitere Besonderheit des Kaufvertrags liegt in den sogenannten kaufrechtlichen Gewährleistungsregeln, insbesondere in der Sachgewährleistung. Während die Schlechterfüllung im allgemeinen Vertragsrecht eine schuldhafte Verletzung vertraglicher Pflichten verlangt und als Rechtsfolge grundsätzlich Schadenersatz in Aussicht stellt, handelt es sich bei der Sachgewährleistung um eine verschuldensunabhängige Kausalhaftung, die dem Käufer im Fall von körperlichen oder rechtlichen Mängeln oder im Fall fehlender zugesicherter Eigenschaften diverse Möglichkeiten zum weiteren Vorgehen bieten.
So kann der Käufer unter Umständen eine Nachlieferung, die Minderung des Kaufpreises oder die Wandelung, d.h. Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangen und im Fall eines durch die fehlerhafte Ware verursachten Schadens, Schadenersatz fordern. Darüber hinaus wird von Lehre und Rechtsprechung auch anerkannt, dass der Verkäufer kumulativ nach OR 97, also den allgemeinen Regeln bei Schlechtleistung vorgehen kann.
Alles in allem zeigt sich, dass die besonderen Regeln des Kaufvertrages dem Käufer vielfältigere und flexiblere Möglichkeiten bieten, um Leistungsstörungen zu begegnen.