Nachfolgend wird darauf eingegangen, wie dem Käufer die tatsächliche Gewalt über die gekaufte bewegliche Sache verschafft werden kann:
Begriff
- Übergabe = Verschaffung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die gekaufte Sache (Gewahrsam)
Grundlagen
- OR 184 Abs. 1
- ZGB 922 ff.
Rechtsnatur
- Übergabe gemäss OR 184 Abs. 1 ist dispositiver Natur
- Besitzübertragung kann deshalb auch ohne Übergabe stattfinden
- Übergabe ist nicht identisch mit Besitzverschaffung
- ZGB 922 Abs. 1 und Abs. 2
Besitzübertragung unter Anwesenden
- eigentliche traditio
- Besitz durch die Übergabe der Sache selbst
- ZGB 922 Abs. 1
- Besitz durch die Übergabe der Sache selbst
- uneigentliche traditio
- Besitz durch die Übergabe der Mittel, die dem Käufer die Gewalt über die Sache verschaffen
- ZGB 922 Abs. 1
- Besitz durch die Übergabe der Mittel, die dem Käufer die Gewalt über die Sache verschaffen
- longa manu traditio
- Die Übergabe ist vollzogen, sobald sich der Empfänger mit Willen des Verkäufers in der Lage befindet, die Gewalt über die Sache auszuüben
- ZGB 922 Abs. 2
- Die Übergabe ist vollzogen, sobald sich der Empfänger mit Willen des Verkäufers in der Lage befindet, die Gewalt über die Sache auszuüben
Besitzübertragung ohne Übergabe
- Gesetzlich geregelte Fälle
- Besitzanweisung
- Ohne Übergabe kann der Besitz einer Sache erworben werden, wenn ein Dritter im Besitz der Sache verbleibt (Vgl. BGE 132 III 155 4)
- ZGB 924 Abs. 1
- Ohne Übergabe kann der Besitz einer Sache erworben werden, wenn ein Dritter im Besitz der Sache verbleibt (Vgl. BGE 132 III 155 4)
- Besitzeskonstitut
- Ohne Übergabe kann der Besitz einer Sache erworben werden, wenn der Veräusserer selbst auf Grund eines besonderen Rechtsverhältnisses im Besitz der Sache verbleibt
- ZGB 924 Abs. 1
- Ohne Übergabe kann der Besitz einer Sache erworben werden, wenn der Veräusserer selbst auf Grund eines besonderen Rechtsverhältnisses im Besitz der Sache verbleibt
- Besitzanweisung
- Im Gesetz nicht geregelte Fälle
- Besitzwandlung; brevi manu traditio
- Käufer hat Sache beim Kaufabschluss bereits in seinem (unselbständigen) Besitz
- Besitzwandlung; brevi manu traditio
- Anwendungsfälle
- eigentliche traditio
- Gekaufter Blumenstrauss wird gleich im Blumengeschäft übergeben
- uneigentliche traditio
- Schlüsselübergab zum gekauften Motorrad
- longa manu traditio
- Gekauftes Holz kann beim Bauern jederzeit abgeholt werden
- Besitzanweisung
- Der gekaufte Tisch ist bei einem Dritten im Keller eingelagert. Dieser wird angewiesen, den verkauften Tisch dem neuen Käufer herauszugeben
- Besitzeskonstitut
- Das gekaufte Bild bleibt noch bis zum Ende der Ausstellung in der Galerie
- Besitzwandlung
- Nach der Wintersaison kauft der Skifahrer die bislang gemieteten Skier
- eigentliche traditio
Besitzübertragung mit Warenpapier / Wertpapier
- Übergabe der Sache kann mittels der Übertragung von Warenpapier, resp. Wertpapieren vollzogen werden
- Wertpapier stellt Anspruch auf Besitz nicht Eigentum der Ware dar
- zB Lagerschein
- zB Konnossemente
- Wertpapier stellt Anspruch auf Besitz nicht Eigentum der Ware dar
Gesetzestexte
OR 184 A. Rechte und Pflichten im Allgemeinen
A. Rechte und Pflichten im Allgemeinen
1 Durch den Kaufvertrag verpflichten sich der Verkäufer, dem Käufer den Kaufgegenstand zu übergeben und ihm das Eigentum daran zu verschaffen, und der Käufer, dem Verkäufer den Kaufpreis zu bezahlen.
2 Sofern nicht Vereinbarung oder Übung entgegenstehen, sind Verkäufer und Käufer verpflichtet, ihre Leistungen gleichzeitig – Zug um Zug – zu erfüllen.
3 Der Preis ist genügend bestimmt, wenn er nach den Umständen bestimmbar ist.
ZGB 922 B. Übertragung / I. Unter Anwesenden
B. Übertragung
I. Unter Anwesenden
1 Der Besitz wird übertragen durch die Übergabe der Sache selbst oder der Mittel, die dem Empfänger die Gewalt über die Sache verschaffen.
2 Die Übergabe ist vollzogen, sobald sich der Empfänger mit Willen des bisherigen Besitzers in der Lage befindet, die Gewalt über die Sache auszuüben.
Art. 924 B. Übertragung / III. Ohne Übergabe
III. Ohne Übergabe
1 Ohne Übergabe kann der Besitz einer Sache erworben werden, wenn ein Dritter oder der Veräusserer selbst auf Grund eines besonderen Rechtsverhältnisses im Besitz der Sache verbleibt.
2 Gegenüber dem Dritten ist dieser Besitzesübergang erst dann wirksam, wenn ihm der Veräusserer davon Anzeige gemacht hat.
3 Der Dritte kann dem Erwerber die Herausgabe aus den gleichen Gründen verweigern, aus denen er sie dem Veräusserer hätte verweigern können.
Literatur
- Koller Alfred, BSK-OR I, 5. Aufl., Basel 2011, N 55 ff. zu Art. 184
- Müller-Chen Markus / Huguenin Claire, Vertragsverhältnisse Teil 1: Innominatkontrakte, Kauf, Tausch, Schenkung, Miete, Leihe; Art. 184-318 OR, Zürich, 2016, S. 136 f.
Judikatur
- Zur Besitzanweisung
- BGE 132 III 155 E. 4