Retrozessions-Berechtigte und –Betroffene lokalisieren die Debatte nach den „Retrozessionsentscheiden“ des Schweizerischen Bundesgerichts (vgl. Judikatur) viel zu pointiert als Thema der Finanz- und Bankbranche.
Aus Sicht des Juristen – und damit auch der Richter – geht es vielmehr um die auftragsrechtliche Rechenschaftslegung und Herausgabepflicht. – Diese besteht branchenunabhängig! Auch andere Branchen und Berufsgruppen, bei denen Retrozessionen üblich oder möglich sind, kann die „Retrozessions-Problematik der Finanz- und Bankenbranche“ treffen. Vom „Auftragsstatus“ her könnten in Frage kommen:
- Retro-Geber
- Finanzmediäre (an Private, für Zuführung von Anlagekunden)
- Fondsleitungen
- (ausländische) Effektenhändler (zB in Zusammenarbeit mit Introducing Broker)
- Hypotheken-Anbieter
- Kreditbank
- Leasing-Unternehmen
- Auktionshäuser
- Versicherer
- Medizinische und pharmazeutische Branche (HMG 33 bietet Spielraum)
- u.a.m.
- Retro-Empfänger
- Versicherungsmakler / (unabhängige) Versicherungsbroker
- Pensionskassenberater
- Hypotheken-Vermittler
- Kredit-Vermittler
- Einlieferer von Auktionsobjekten
- Treuhänder
- Rechtsanwälte (die zB im Kapitalanlagebereich tätig sind)
- Architekten (die zB mit Total- oder Generalunternehmern zusammenarbeiten)
- Ingenieure
- Berufsträger der medizinischen oder pharmazeutischen Praxis (HMG 33 bietet Spielraum)
- u.a.m
Es sind aber Situationen denkbar, wo im Dreiecksverhältnis eine als Retro-Geber genannte Branche oder Berufsgruppe – in anderer Konstellation – als Retro-Nehmer fungiert.
Aufgrund von OR 400 Abs. 1 ist also jeder Beauftragte verpflichtet, ihm zugeflossene Retrozessionen seinen Kunden offenzulegen und gegebenenfalls abzuliefern.
Art. 400 OR
3. Rechenschaftsablegung
1 Der Beauftragte ist schuldig, auf Verlangen jederzeit über seine Geschäftsführung Rechenschaft abzulegen und alles, was ihm infolge derselben aus irgendeinem Grunde zugekommen ist, zu erstatten.
2 Gelder mit deren Ablieferung er sich im Rückstande befindet, hat er zu verzinsen.
Art. 33 HMG (Versprechen und Annehmen geldwerter Vorteile)
1 Personen, die Arzneimittel verschreiben oder abgeben, und Organisationen, die solche Personen beschäftigen, dürfen für die Verschreibung oder die Abgabe eines Arzneimittels geldwerte Vorteile weder gewährt noch angeboten noch versprochen werden.
2 Personen, die Arzneimittel verschreiben oder abgeben, und Organisationen, die solche Personen beschäftigen, dürfen für die Verschreibung oder die Abgabe von Arzneimitteln geldwerte Vorteile weder fordern noch annehmen.
3 Zulässig sind jedoch:
a. geldwerte Vorteile von bescheidenem Wert, die für die medizinische oder pharmazeutische Praxis von Belang sind;
b. handelsübliche und betriebswirtschaftlich gerechtfertigte Rabatte, die sich direkt auf den Preis auswirken.
Vertriebsvergütungen sui generis
Nicht Auftragsrecht zuordenbar und trotzdem stossend sind finder’s fees an zB folgende Nehmer:
- Autohäuser (Leasing- und Versicherungs-Provisionen)
- Mobile-Shops (Provisionen aus Telekom-Abonnementen
- Apotheker
- Drogisten
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
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