Die Betriebsgefahr ist bei Autounfällen ein häufig gebrauchter Begriff der Versicherer, wenn sie Verschuldensanteile auf gegnerische Positionen schieben wollen. Der genaue Einsatzbereich ist aber oft nicht oder zu wenig bekannt. Wesentlich ist vor allem, dass die Betriebsgefahr nur bei Personen-, nicht aber bei Sachschäden eine Rolle spielt:
Personenschaden
- Gesetzliche Grundlage
- SVG 61 Abs. 1 (siehe Box)
- Relevanz der Betriebsgefahr
- Voraussetzungen
- Unfall
- Beteiligung mehrerer Motorfahrzeuge
- Körperliche Schädigung eines Halters
- Schadensverteilung
- auf die Halter aller beteiligten Motorfahrzeuge nach Massgabe des von ihnen zu vertretenden Verschuldens,
- „sofern nicht besondere Umstände, namentlich die Betriebsgefahren, eine andere Verteilung rechtfertigen“
- Solidarhaft mehrerer ersatzpflichtiger Halter gegenüber dem geschädigten Halter (vgl. SVG 61 Abs. 3)
- auf die Halter aller beteiligten Motorfahrzeuge nach Massgabe des von ihnen zu vertretenden Verschuldens,
Sachschaden
- Gesetzliche Grundlage
- SVG 61 Abs. 2 (siehe Box)
- Keine Relevanz der Betriebsgefahr
- Voraussetzungen
- Unfall
- Beteiligung mehrerer Motorfahrzeuge
- Sachschaden eines Halters
- Schadensverteilung
- Haftung eines anderen Halters, wenn der Geschädigte die Voraussetzungen folgendes beweist
- Verschulden oder vorübergehendender Verlust der Urteilsfähigkeit des beklagten Halters
- Verschulden einer Person, für die der andere Halter verantwortlich ist
- Fehlerhafte Beschaffenheit des Fahrzeugs des anderen Halters
- Solidarhaft mehrerer ersatzpflichtiger Halter gegenüber dem geschädigten Halter (vgl. SVG 61 Abs. 3)
- Haftung eines anderen Halters, wenn der Geschädigte die Voraussetzungen folgendes beweist
Art. 61 SVG
Schadenersatz zwischen Motorfahrzeughaltern
1 Wird bei einem Unfall, an dem mehrere Motorfahrzeuge beteiligt sind, ein Halter körperlich geschädigt, so wird der Schaden den Haltern aller beteiligten Motorfahrzeuge nach Massgabe des von ihnen zu vertretenden Verschuldens auferlegt, wenn nicht besondere Umstände, namentlich die Betriebsgefahren, eine andere Verteilung rechtfertigen.
2 Für Sachschaden eines Halters haftet ein anderer Halter nur, wenn der Geschädigte beweist, dass der Schaden verursacht wurde durch Verschulden oder vorübergehenden Verlust der Urteilsfähigkeit des beklagten Halters oder einer Person, für die er verantwortlich ist, oder durch fehlerhafte Beschaffenheit seines Fahrzeuges.
3 Mehrere ersatzpflichtige Halter haften dem geschädigten Halter solidarisch.
Weiterführende Informationen
Judikatur zur Betriebsgefahr
- BGE 91 II 218
- BGE 94 II 173
- BGE 97 II 362
- BGE 99 II 93
- BGE 101 II 346
- BGE 105 II 209
- BGE 123 III 274
Literatur zur Betriebsgefahr
- SCHAFFHAUSER RENÉ / ZELLWEGER JAKOB, Grundriss des Schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Bd. II, Bern 1988
- BAUR JÜRG, Kollision der Gefährdungshaftung gemäss SVG mit anderen Haftungen, Zürich 1979
- EMMENEGGER SUSAN / GEISSELER ROBERT, Ausgewählte Fragen der SVG-Haftung, in: Strassenverkehrs-Tagung 2004, Universität Freiburg, S. 32 und Anhang S. 50 ff.
- FLEISCHMANN WALTER, Die Werkeigentümerhaftung für mangelhafte Strassen und mangelhaften Strassenunterhalt, in: Collezione Assista – 30 anni/ans/Jahre Assista TCS SA, Genève 1998, S. 140 – 153
- NEF JÜRG, Betrieb des Motorfahrzeugs und Verkehrsunfall, in: Festschrift des Nationalen Versicherungsbüros Schweiz und des Nationalen Garantiefonds Schweiz, Basel 2000, S. 349 – 385
- STEIN PETER, Wer zahlt die Anwaltskosten im Haftpflichtfall?, in: ZSR 1987 S. 635 – 667
- TERCIER PIERRE, Haftpflicht des Halters, in: Tagungsband Strassen-Verkehrsrechtstagung Fribourg 1981
- TERCIER PIERRE / GAUCH PETER, Die Mehrheit von Ersatzpflichtigen, in: Tagungsband Strassen-Verkehrsrechtstagung Fribourg 1986
- VAVERKA JINDRICH, Einige Überlegungen betr. Die Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherung im das Rechtsverhältnis zwischen dem Halter und dem Lenker eines Motorfahrzeugs, in: SVZ 1990, S. 196 – 202 und S. 298 – 308
- WEBER STEPHAN, Ungereimtheiten und offene Fragen beim Ersatz von Anwaltskosten, in: SVZ 1993 S. 2 – 19