Einstimmigkeitsgrundsatz
Die Interessewahrung der Erben in der Erbengemeinschaft bedarf grundsätzlich der Einstimmigkeit.
Alle Verfügungen und Verwaltungshandlungen über jeden Erbschaftsgegenstand sind vollen allen Erben gemeinsam vorzunehmen.
Art. 653 Abs. 2 ZGB
Besteht keine andere Vorschrift, so bedarf es zur Ausübung des Eigentums und insbesondere zur Verfügung über die Sache des einstimmigen Beschlusses aller Gesamteigentümer.
Judikatur
- BGer 5A_643/2017 vom 03.05.2018 (Vertretung der Erbengemeinschaft in dringlichen Fällen)
- BGE 91 III 13
- BGE 79 II 115
- BGE 70 II 268
Weiterführende Informationen
Handeln eines Erben für die Erbengemeinschaft auf seine eigene Gefahr?
- Ein solches Vorgehen ist dem Erbrecht fremd
- Die aktiven Erben in solchen Fällen sind auf die Beantragung eines Erbenvertreters verwiesen.
Gegenstände der Einstimmigkeit
Vom Einstimmigkeitsprinzip betroffen ist so ziemlich der ganze Handlungsbedarf einer Erbengemeinschaft:
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Verfügungsbefugnisse
- Einziehung von Forderungen der Erbengemeinschaft
- Begründung, Änderung oder Aufhebung obligatorischer oder dinglicher Ansprüche der Erbengemeinschaft
- Belastung von Erbschaftssachen
- Verkauf von Nachlassgegenständen
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Verwaltungsbefugnisse
- Erhaltung und Mehrung von Erbschaftssachen
- Kapitalanlage
- Abwicklung von hängigen Rechtsgeschäften des Erblassers
- Einzug von Zinsen und Guthaben
- Liegenschaftenvermietung und –verwaltung
- Liegenschaftenunterhalt
- Schuldbetreibung gegen Schuldner des Nachlasses
- Prozessführung.
Ansprüche aus Todesfallversicherungen des Erblassers
Judikatur
Vereinbarung Mehrheitsprinzip
Die Erben können einstimmig vereinbaren, dass für bestimmte Verfügungen und Verwaltungshandlungen das Mehrheitsprinzip gelte:
- nach Köpfen
- nach Quoten.
Die Aufhebung des Mehrheitsprinzips richtet sich nach den Kündigungsvoraussetzungen, denen sich die Erben in ihrer Vereinbarung unterworfen haben.
Achtung
Bei einer Mehrheitsprinzip-Vereinbarung ist darauf zu achten, dass der Akt nicht als eine erbteilungs-wirksame Umwandlung in eine andere Gemeinschaftsform wie einfache Gesellschaft oder Kollektivgesellschaft qualifiziert wird.
Vollmachtserteilung / Vollmachtswiderruf
Der Einstimmigkeitsgrundsatz verlangt auch Einstimmigkeit bei
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Vollmachterteilung
- zG eines Erben
- zG eines Dritten
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Vollmachtswiderruf
- Vollmacht des Erblassers
- zG eines Erben
- zG eines Dritten
- Vollmacht der Erben
- zG eines Erben
- zG eines Dritten
- Vollmacht des Erblassers
Judikatur:
Vollmachtswiderruf durch alle übrigen Erben beim „Vollmachtserben“
Gemäss Rechtsprechung darf jeder Erbe eine Vollmacht widerrufen, soweit sie seine eigene Vertretung betrifft.
Widerrufen alle Erben einem Miterben die Vollmacht (gegen seinen eigenen Willen), so ist er vollmachtlos und kann damit die Erbengemeinschaft nicht mehr vertreten.
Judikatur:
- ZR 1959 Nr. 59
- ZR 1960 Nr. 120
Genehmigung vollmachtlosen Handelns eines Erben
Die übrigen Erben können Handlungen eines Erben, der als vollmachtloser Stellvertreter der Erbengemeinschaft handelte, nachträglich genehmigen.
Handlungsunfähigkeit
Das Einstimmigkeitserfordernis dient dem Schutz der Erbengemeinschaft. Dieser Schutz ist so stark ausgebaut, dass relativ schnell eine Handlungsunfähigkeit resultieren kann.
Für die Fälle der Handlungsunfähigkeit sieht der Gesetzgeber die Funktion der Erbenvertretung vor.