Was im Einzelfall genau Gegenstand der unter Miterben vereinbarten Abtretung eines angefallenen Erbteils an einen anderen Miterben bildet, ist im konkreten Einzelfall dem Abtretungsvertrag zu entnehmen:
- Ohne anderslautenden Parteiwillen wird eine umfassende und damit dingliche Wirkung angenommen (vgl. BGE 102 Ib 322 ff.).
Bei Erbanteilsabtretung unter Miterben gibt es folgende Möglichkeiten:
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Abtretung des Erbanteils mit dinglicher Wirkung
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Allgemeines
- Nur die Abtretung eines umfassenden Erbanteils mit dinglicher Wirkung stellt einen Erbteilungsvertrag nach ZGB 635 dar.
- Zulässigkeit, dass mit dinglicher Wirkung abgetreten werden kann:
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Subjektiv partielle Erbteilung als Normalfall mit Ausnahmen
- Normalfall
- Die umfassende Abtretung des Erbanteils führt dazu, dass der Miterbe (Zedent) aus der Erbengemeinschaft ausscheidet und damit der Fall einer subjektiv-partiellen Erbteilung vorliegt (vgl. TUOR PETER / PICENONI VITO, a.a.O., N 20b zu Art .635 ZGB)
- Ausnahmen
- Von der vorher beschriebenen umfassenden Erbanteils-Abtretung mit der Folge einer subjektiv-partiellen Erbteilung gibt es zwei Ausnahmen:
- Ausscheiden aller Miterben bis auf einen Miterben
- Bei einer solchen Konstellation erfolgt nicht nur eine subjektiv-partielle Erbteilung vor, sondern es tritt – weil nicht mehr mehrere Erben vorhanden sind, eine vollständige Auflösung der Erbengemeinschaft ein
- Abtretung eines Bruchteils des Erbanteils
- Wird nicht der ganze Erbanteil abgetreten, sondern nur ein Bruchteil davon, so findet keine subjektive Erbteilung statt
- Ausscheiden aller Miterben bis auf einen Miterben
- Von der vorher beschriebenen umfassenden Erbanteils-Abtretung mit der Folge einer subjektiv-partiellen Erbteilung gibt es zwei Ausnahmen:
- Rechtsgrund der Erbanteilabtretung
- Die Abtretung des Erbanteils an einen Miterben hat häufig den Kauf als Grund
- Selbstverständlich sind andere Rechtstitel wie Vergleich im Falle von Erbstreitigkeiten im Zusammenhang mit einer Verfügung von Todes wegen (Gültigkeit, Auslegung der formellen oder materiellen Berechtigung einzelner Erben etc.) Tausch, Hingabe an Zahlungsstatt etc. denkbar
- Gegenstand
- Bei der Erbanteilsabtretung gibt es die Möglichkeiten
- Abtretung ganzer Erbanteil
- Abtretung bloss eines Bruchteils des Erbanteils
- Bei der Erbanteilsabtretung gibt es die Möglichkeiten
- Beteiligte Personen
- Erbanteilsabtreter und Erbanteilsübernehmer
- Form von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft
- Allgemein
- Schriftformerfordernis
- Grundstücke als Vertragsgegenstand
- Öffentliche Beurkundung
- Allgemein
- Rechtsnatur
- Erwerb durch gesamthandrechtliches Ab- und Anwachsen des Erbanteils des/der Erbanteilsabtreter(s)
- Vorteil
- Der Miterbe kann mit Erbanteilsabtretung (zu einem Pauschalpreis) ohne Nachlassobjektzuweisungen aus einer Erbengemeinschaft ausscheiden
- Verbreitung / Bedeutung
- Erbanteilsabtretungen sind nicht selten anzutreffen, bieten sie doch die Möglichkeit
- eines vereinfachten Ausscheidens aus der Erbengemeinschaft
- eine infolge Erbenstreits unter den Miterben blockierte Situation zu bereinigen
- Voraussetzungen
- Bereitschaft des/der Miterben zur Erbanteilsübernahme
- Finanzielle Möglichkeit, den/die ausscheidenden Miterben aus eigenen Mitteln und nicht aus dem Vermögen der Erbengemeinschaft abzufinden
- Alternative: objektiv- und subjektiv-partielle Erbteilung, wenn der ausscheidende Miterbe aus dem Nachlassvermögen durch Objektmitgaben abgefunden wird
- Erbanteilsabtretungen sind nicht selten anzutreffen, bieten sie doch die Möglichkeit
- Ziele / Motive des Gesetzgebers
- Der Gesetzgeber schuf mit der Möglichkeit der Erbanteilsabtretung von ZGB 635 Abs. 1 ein Korrektiv zur Zwangsgemeinschaft «Erbengemeinschaft»
- Gewährleistung
- Primär sind die Bestimmungen des Abtretungsvertrags und sekundär die Normen des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) massgebend
- Haftung
- Erbanteilsabtreter
- Grundsatz
- Der ausgeschiedene Erbe haftet (solidarisch) den Gläubigern analog ZGB 639 während 5 Jahren weiter
- Ausnahme
- Der Erbanteilsabtreter wird von seiner Haftung befreit, wenn die Gläubiger seiner Haftentlassung zustimmen
- Grundsatz
- Erbanteilsübernehmer
- Beim Erbanteilsübernehmer ändert sich haftungsmässig nichts durch den Erbanteilserwerb, war er doch vor dem Erwerb bereits nach ZGB 603 Abs. 1 solidarisch haftbar
- Erbanteilsabtreter
- Wirkungen auf die Erbengemeinschaft
- Allgemein
- Die Abtretung eines umfassenden Erbteils nach ZGB 635 Abs. 1 bewirkt ein Ausscheiden eines Miterben aus der fortbestehenden Erbengemeinschaft
- Ausnahme
- Die Erbengemeinschaft gilt als aufgehoben, wenn nur noch ein Erbe, als Erbanteilsübernehmer, verbleibt
- Subjekt-bezogene Aufhebung
- Ausscheiden des Miterben aus der Erbengemeinschaft, ohne Zuweisung von Nachlassgegenständen
- Keine Verminderung oder Veränderung der Nachlassmasse (Gegenleistung kommt aus dem Vermögen des Erbanteilsübernehmers)
- Vollständige oder teilweise Aufhebung der Erbengemeinschaft im Fall, dass die Erbengemeinschaft bloss aus zwei Erben besteht
- Ausscheiden des Miterben aus der Erbengemeinschaft, ohne Zuweisung von Nachlassgegenständen
- Objekt-bezogene Aufhebung?
- Bei einer Veränderung des subjektiven Erbenbestandes besteht die Erbengemeinschaft weiter
- Andernfalls liegen vor:
- Objektiv- und subjektive Erbteilung
- Gesamterbteilung (i.e.S.)
- Allgemein
- Normalfall
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Abtretung des Erbanteils im Sinne eines Liquidationsergebnisses
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Allgemeines
- Auch unter Miterben kann der Erbanteil im Sinne eines Liquidationsergebnisses – analog wie sie zwingend bei der Abtretung an einen Dritten stattfindet (siehe nachfolgend), erfolgen
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Wirkungen
- Bloss obligatorische Rechtswirkungen;
- Kein Ausscheiden des abtretenden Miterben aus der Erbengemeinschaft;
- Keine Liquidation von Nachlassobjekten
- Kein Auflösungsvorgang.
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Literatur
- TUOR PETER / PICENONI VITO, Berner Kommentar, N 20b zu Art. 635 ZGB
- WOLF STEPHAN, Grundfragen der Auflösung der Erbengemeinschaft – mit besonderer Berücksichtigung der rechtsgeschäftlichen Aufhebungsmöglichkeiten, Bern 2004, S. 136 ff.
Judikatur
- BGE 102 Ib 322 ff. (Auslegung Abtretungsvertrag)
- BGE 118 II 519