Der schriftliche Erbteilungsvertrag ist die andere Variante der beiden Arten vertraglicher Erbteilung:
-
Definition
- Schriftlicher Erbteilungsvertrag = Vertrag, welcher der gegenseitigen und übereinstimmenden Willenserklärungen aller Erben, welche sich auf eine bestimmte Art der Erbteilung festlegen, bedarf
-
Grundlage
- ZGB 634
-
Abgrenzung
-
Realteilung
- Tathandlungsgeschäft (kombiniertes Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft)
- Realteilung
- Tathandlungsgeschäft (kombiniertes Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft)
-
-
Rechtsnatur
- Vertrag (Verpflichtungsgeschäft und Verfügungsgeschäft erforderlich)
-
Verbreitung
- In der Praxis ist der schriftliche Erbteilungsvertrag der Regelfall, v.a. bei komplexen Nachlassverhältnissen
-
Ziele / Motive
- Beendigung der Erbengemeinschaft
- Auflösung und Liquidation der gesetzlichen Zwangsgemeinschaft (im Falle von mehreren Erben)
- Überführung des gesamthandschaftlichen Eigentums an einem oder mehreren Nachlassgegenständen in die Individualberechtigung des Alleineigentums eines Erben, es sei denn die Erbengemeinschaft würde in eine andere Gesamthandschaft i.e.S. oder i.w.S. (Miteigentum / StWE) umgewandelt
- Umwandlung der Erbengemeinschaft
- Beendigung der Erbengemeinschaft
-
Zulässigkeit
- ja
-
Legitimation
- Erben / Teilungsgericht
- Zur Vornahme der (schriftlichen) Erbteilung sind alle Erben oder im Falle einer allfälligen Klage das Teilungsgericht (vgl. ZGB 604 Abs. 1) zuständig
- Willensvollstrecker
- Der Willensvollstrecker (auch: Testamentsvollstrecker) ist nicht befugt,
- den Teilungsvorschlag für einzelne Erben zu unterzeichnen;
- die Teilung ohne Zustimmung sämtlicher Erben durch einseitigen Rechtsakt zum Abschluss zu bringen (vgl. BGE 102 II 197 ff.)
- Der Willensvollstrecker (auch: Testamentsvollstrecker) ist nicht befugt,
- Erben / Teilungsgericht
-
Voraussetzungen / Ablauf
- Losbildung / Zuweisungsvorbereitungen / Festlegung durch die Erben
- Möglichkeit der Erben, die Erbteilung in zwei Schritten vornehmen zu können:
- 1) Verpflichtungsgeschäft
- 2) Verfügungsgeschäft
-
Gegenstand
-
Verpflichtungsgeschäft
- Grundsätzliche Fragestellung, welcher Erbe erhält was?
- Erfordernis der (sach- und rechts)genügenden Inhaltsumschreibung, sodass ohne weitere Abrede die Teilung durchgeführt werden kann
- Abrede im Erbteilungsvertrag,
- wie die Erbteilung erfolgen soll
- + welche Nachlassgegenstände den jeweiligen einzelnen Erben (zu welchem Anrechnungswert) zukommen sollen
- Konkretisierung
- Ansprüche der Erben
- Obligatorische Verpflichtung, das Gesamteigentum in ganz bestimmter Art und Weise aufzuheben
- Details
- Der Teilungsvertrag sollte enthalten:
- Allgemein
- Zusammenstellung der Lose
- Welchen Erben welche Lose zufallen sollen
- Objektiv partielle Erbteilung
- Angaben, inwieweit der Nachlass ausgeschieden werden soll, um das Los des ausscheidenden Erben anzurechnen
- Genügt der Vertrag diesen Anforderungen nicht, kann er nicht als Teilungsvertrag im Sinne des Gesetzes und als Rechtsgrundausweis für die Grundbucheintragung gelten (vgl. BGE 100 Ib 121, 124, Erw. 2
- Allgemein
- Der Teilungsvertrag sollte enthalten:
- Auslegung
- Erfordernis, dass aus dem Dokument der übereinstimmende Wille aller Erben hervorgeht, sich definitiv über eine gänzliche oder teilweise Auseinandersetzung zu binden, und wenn sich dem Dokument alle notwendigen Angaben entnehmen lassen, die erforderlich sind, um gestützt darauf die Auseinandersetzung ohne weitere Abreden durchführen zu können
- Grundsätzliche Fragestellung, welcher Erbe erhält was?
-
Verfügungsgeschäft
- Übertragung der einzelnen Nachlassgegenstände auf die einzelnen Erben
- Die Tradition von Gegenständen in das Individualrecht der einzelnen Erben hat unter Beachtung der entsprechenden Verfügungsregeln des Sachenrechts, des Obligationenrechts oder sonstiger Vermögensrechte.
-
-
Parteien
- Alle Erben
-
Vertragsinhalt Verpflichtungsgeschäft / Verfügungsgeschäft
-
Verpflichtungsgeschäft
- Kausalgeschäft mit der «Teilungsfestsetzung, wer kriegt was»
- Erbteilungsvertrag (siehe oben, Gegenstand)
- Schulden
- Keine Behandlungspflicht
- Die Erben sind nicht verpflichtet, die Schulden in die Erbteilung miteinzubeziehen, angesichts der für eine bestimmte Zeit fortdauernde Solidarhaftung (vgl. ZGB 639)
- Rechtssicherheits-Obliegenheit
- Gleichwohl ist den Erben eine Berücksichtigung zu empfehlen, mit Blick auf das Interesse jedes Erben
- einen Nettoerbanteil zu erhalten
- + sich umfassend auseinanderzusetzen
- Gleichwohl ist den Erben eine Berücksichtigung zu empfehlen, mit Blick auf das Interesse jedes Erben
- Zuweisung
- Formale Zuweisung der Schuld / Schulden an den / die übernehmenden Erben, zur Schuldübernahme
- Befreiung
- Eine Befreiung der nicht übernehmenden Miterben gegenüber dem Gläubiger findet nur bei Beachtung der Voraussetzungen von ZGB 639 statt (vgl. WOLF STEPHAN / GENNA GIAN SANDRO, a.a.O., S. 375)
- Keine Behandlungspflicht
- Kausalgeschäft mit der «Teilungsfestsetzung, wer kriegt was»
-
Verfügungsgeschäft
- Die Verfügung erfolgt durch Überführung der einzelnen Nachlassgegenstände an den / die Zielerben
- Für die Verfügung über die Nachlassgegenstände sind die einschlägigen Rechtsgrundlagen zu beachten:
- Grundstücke
- Eintragung im Grundbuch (vgl. ZGB 972 Abs. 1)
- Bewegliche Sachen
- Allgemein
- Besitzesübertragung
- Fahrnis
- Besitzesübergabe (ZGB 714)
- Tiere
- Besitzesübergabe (ZGB 641a)
- Allgemein
- Forderungen und sonstige Ansprüche
- Schriftliche Abtretungserklärung (Zession) (OR 165 Abs. 1)
- Barschaft
- Besitzesübergabe (ZGB 714)
- Weitere Rechte
- Die hiefür vorgesehenen Verfügungsgeschäfte
- Inhaberpapiere
- Urkundenübergabe (ZGB 864 Abs. 1 + OR 967 Abs. 1)
- Ordrepapiere
- Indossament auf Urkunde und Urkundenübergabe (ZGB 864 Abs. 2 + OR 967 Abs. 2)
- Namenpapiere
- Schriftliche Erklärung und Urkundenübergabe (OR 967 Abs. 2)
- Immaterialgüterrechte
- Abtretung und Registereintrag
- Inhaberpapiere
- Die hiefür vorgesehenen Verfügungsgeschäfte
- Grundstücke
-
-
Form
-
Allgemein
- Schriftform-Erfordernis (Gültigkeitserfordernis; ZGB 634 Abs. 2; OR 13 ff.)
- Zeitlich gestaffelte Unterzeichnung zulässig (vgl. BGE 86 II 347 ff.),
- auf dem Korrespondenzweg durch den Austausch von Briefen
- auf dem Zirkulationswege
- Vgl. BGE 118 II 395 ff.
- Zeitlich gestaffelte Unterzeichnung zulässig (vgl. BGE 86 II 347 ff.),
- Schriftform-Erfordernis (Gültigkeitserfordernis; ZGB 634 Abs. 2; OR 13 ff.)
-
Grundstücke im Nachlass
- Schriftform aller Miterben (GBV 64 Abs. 1 lit. b; zweite Variante)
- Vorsichtshalber Abklärung beim zuständigen Grundbuchamt, ob die öffentliche Beurkundung gefordert wird
- Schriftform aller Miterben (GBV 64 Abs. 1 lit. b; zweite Variante)
-
-
Wirkungen
-
Vorbereitungshandlungen
- Die vorbereitende Losbildung und Losziehung im Sinne von ZGB 611 bindet die Erben noch nicht
-
Verpflichtungsgeschäft
- Erbteilungsvertrag
- Dem schriftlich vereinbarten Erbteilungsvertrag
- kommt (rein) obligatorische Wirkung zu
- Der schriftlich vereinbarte Erbteilungsvertrag begründet die Verpflichtung der Erben,
- die Teilung in der vereinbarten Weise vorzunehmen
- Dem schriftlich vereinbarten Erbteilungsvertrag
- Erbteilungsvertrag
-
-
-
-
-
- + die dazu erforderlichen Vollzugshandlungen (Verfügungsgeschäfte) folgen zu lassen (vgl. WOLF STEPHAN / GENNA GIAN SANDRO, a.a.O., S. 379)
-
-
-
-
-
Verfügungsgeschäft
- Verfügungshandlungen (siehe oben)
- Erst mit dem Vollzug des Verfügungsgeschäfts ist
- der Wechsel vom bisherigen erbengemeinschaftlichen Eigentum der Nachlassgegenstände ins Individualeigentum der Erben vollzogen
- + die Erbteilung abgeschlossen
- + die Erbengemeinschaft beendet.
-
Literatur
- WOLF STEPHAN / HRUBESCH-MILLAUER STEPHANIE, Schweizerisches Erbrecht, 2. Auflage, Bern 2020, S. 556 ff.
- WOLF STEPHAN / GENNA GIAN SANDRO, SPR IV/2, S. 377, S. 379 + S. 380
- BK-TUOR/PICENONI, N 18 zu Art. 634 ZGB
- BSK-SCHAUFELBERGER / KELLER LÜSCHER, N 13 + N 32 zu Art. 634 ZGB
- HAUSER PETER, Der Erbteilungsvertrag, Diss. Zürich 1973, S. 98
- WOLF STEPHAN, Grundfragen der Auflösung der Erbengemeinschaft – mit besonderer Berücksichtigung der rechtsgeschäftlichen Aufhebungsmöglichkeiten, Bern 2004, S. 344 ff.
Judikatur
- BGE 100 Ib 121 (Definition / Rechtsgrundausweis für die Grundbucheintragung)
- BGE 102 II 197 ff. (Willensvollstrecker kein Abschluss-Kompetenz)
- BGE 118 II 395 ff. (Austausch der Willenserklärungen auf dem Korrespondenzweg und nicht auf der gleichen Urkunde zulässig)
- BGE 86 II 347 ff. (gestaffelte Erklärung)