Der Verzicht auf die Miterbenstellung charakterisiert sich durch folgende Elemente:
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Definition
- Der Verzicht auf die Miterbenstellung ist als Verfügung zu verstehen, mittels welcher der Miterbe sein Erbrecht gesamthaft aufgibt, ohne es seinen Miterben zu übertragen, und aus der Erbengemeinschaft ausscheidet.
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Grundlage
- Keine gesetzliche Grundlage
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Abgrenzungen
- Der Verzicht auf die Erbenstellung ist abzugrenzen von Sachverhalten, bei welchen kein subjekt-bezogener Aufhebungsvorgang stattfindet, nämlich:
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Verzicht auf das Liquidationsergebnis
- Der Miterbe kann auch auf das ihm nach Teilung zustehende Liquidationsergebnis (Teilungsbetreffnis) verzichten
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Verzicht auf die gesamthänderische Berechtigung an einem einzelnen Nachlassobjekt
- Der Miterbe verzichtet auf seine anteilsmässige Berechtigung auf das für ihn bestimmte Nachlassobjekt
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Verzicht auf die Prozessführung
- Der Miterbe kann – anstatt auf den Erbanteil zu verzichten und aus der Erbengemeinschaft auszuscheiden – einfach auf die Prozessführung verzichten (vgl. TUOR PETER / PICENONI VITO, a.a.O., N 10 zu Art. 602 ZGB; ESCHER ARNOLD, a.a.O., N 42 zu Art. 602 ZGB)
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- Der Verzicht auf die Erbenstellung ist abzugrenzen von Sachverhalten, bei welchen kein subjekt-bezogener Aufhebungsvorgang stattfindet, nämlich:
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Zulässigkeit
- In der Lehre wird es zulässig angenommen, dass jeder Miterbe auf seinen Erbanteil insgesamt und auf seine Miterbenstellung – ohne Entschädigung – verzichten kann (vgl. JOST ARTHUR, a.a.O., S. 123; HAUSER PETER, a.a.O., S. 34)
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Rechtsnatur
- Ausübung eines Gestaltungsrechts zum Verzicht auf die Miterbenstellung
- Einseitige, empfangsbedürftige Erklärung (Kein Vertragsverzicht)
- Gesamtrechtsaufgabe
- Anwachsung der Erbenstellung bei den verbleibenden Miterben
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Vorteile / Nachteile
- Vorteile
- Entschlagung der mit einer Erbstreitigkeit verbundenen materiellen und immateriellen Unbill
- Vermeidung von (weiteren) Prozesskosten, zu Lasten des eigenen Vermögens des verzichtenden Miterben
- Nachteile
- ggf. Vermögensverzicht
- Vorteile
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Verbreitung / Bedeutung
- Der Verzicht auf die Miterbenstellung ist seltene Variante, um sich von der Miterbenstellung und den damit verbundenen Angelegenheiten zu trennen
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Ziele / Motive
- Vereinfachte Trennung von einer lästigen Erbenstellung
- Oft leiden Miterben psychisch und in der Folge physisch unter der den Folgen von Erbstreitigkeiten, sodass ein Besinnen auf die eigene Gesundheit zum Entscheid führt, sich von der Erbenstellung und materiellen Rechten zu trennen
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Gegenstand
- Verzicht auf den Erbanteil und die Miterbenstellung, ohne hiefür eine Entschädigung zu verlangen und ohne dingliche Erbanteilsabtretung nach ZGB 635 Abs. 1
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Erklärung
- Die Verzichtserklärung ist an alle Miterben zu adressieren
- Mit Zugang der Verzichtserklärung scheidet der Miterbe aus der Erbengemeinschaft aus
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Form
- Schriftform
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Wirkungen
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Subjektiv-partielle Erbteilung mit Anwachsung
- Der Verzicht auf den ganzen Erbanteil und die Miterbenstellung führt zu einer subjektiv-partiellen Erbteilung:
- Ausscheiden des verzichtenden Miterben aus der Erbengemeinschaft
- Abwachsung (Dekkreszenz) des anteilsmässigen Gesamthandanspruchs des Verzichtenden am Nachlassvermögen und Anwachsung bei den verbliebenen Miterben (Akkreszenz)
- Kein Erfordernis einer dinglichen Erbanteilsabtretung nach ZGB 635 Abs. 1
- Der Verzicht auf den ganzen Erbanteil und die Miterbenstellung führt zu einer subjektiv-partiellen Erbteilung:
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Haftung
- Fortbestand der Haftung des verzichtenden Miterben gegenüber Gläubigern, auch nach erfolgtem Verzicht, gestützt auf ZGB 639
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Literatur
- Allgemein
- WOLF STEPHAN, Grundfragen der Auflösung der Erbengemeinschaft – mit besonderer Berücksichtigung der rechtsgeschäftlichen Aufhebungsmöglichkeiten, Bern 2004, S. 163 ff.
- Definition
- JOST ARTHUR, Der Erbteilungsprozess im schweizerischen Recht, Ein Leitfaden für die Praxis, Bern 1960, S. 123
- Abgrenzungen / Verzicht auf die Prozessführung
- TUOR PETER / PICENONI VITO, Berner Kommentar, N 10 zu Art. 602 ZGB
- ESCHER ARNOLD, Zürcher Kommentar, N 42 zu Art. 602 ZGB
- Zulässigkeit
- JOST ARTHUR, Der Erbteilungsprozess im schweizerischen Recht, Ein Leitfaden für die Praxis, Bern 1960, S. 123
- HAUSER PETER, Der Erbteilungsvertrag, Diss. Zürich 1973, S. 34
- Rechtsnatur
- ZOBL DIETER, Änderungen im Personenbestand von Gesamthandschaften, Diss. 1973, S. 114
- Gegenstand
- ZOBL DIETER, Änderungen im Personenbestand von Gesamthandschaften, Diss. 1973, S. 114, Anm. 52
- Form
- FELBER ROSMARIE, Aufgeschobene und partielle Erbteilung nach schweizerischem Recht, Diss. Bern 1939, S. 79
- BOLLMANN HANS, Das Ausscheiden aus Personengesellschaften, Diss. Zürich 1970, S. 54
- Abwachsung und Anwachsung des verzichteten Erbanteils
- JOST ARTHUR, Der Erbteilungsprozess im schweizerischen Recht, Ein Leitfaden für die Praxis, Bern 1960, S. 123
- HAUSER PETER, Der Erbteilungsvertrag, Diss. Zürich 1973, S. 34
- Haftung
- JOST ARTHUR, Der Erbteilungsprozess im schweizerischen Recht, Ein Leitfaden für die Praxis, Bern 1960, S. 123
- HAUSER PETER, Der Erbteilungsvertrag, Diss. Zürich 1973, S. 34
Links
- Auflösung durch den Richter
- Prozessführung
- Erbteilung