Die präsumtiven Erben können einen Vertrag über eine noch nicht angefallene Erbschaft schliessen:
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Definition
- Vertrag über eine noch nicht angefallene Erbschaft = Abtretung des auf den Erbteil des abtretenden Erben entfallenden Nachlassliquidations-Erlöses
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Grundlage
- ZGB 636
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Abgrenzung
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Abtretung von angefallenen Erbanteilen (ZGB 635)
- Abtretung von Erbanteilen (ZGB 635)
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Rechtsnatur
- Anwartschaft
- Obligationenrechtlicher Vertrag bei Zustimmung des Erblassers
- Keine erbvertragliche Wirkung
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Verbreitung
- Seltene Anwendung
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Ziele / Motive
- Voraberhalt des künftigen Liquidationserlöses
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Zulässigkeit
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Vertrag ohne Zustimmung des Erblassers
- Sittenwidrig und damit unverbindlich (vgl. ZGB 636 Abs. 1)
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Vertrag mit Zustimmung des Erblassers
- Dem Vertrag wird der anstössige Charakter genommen und er ist zulässig
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Voraussetzungen
- Abrede vor dem Erbgang +
- Vereinbarung über einen künftigen Nachlass
- Unmissverständliche, mit Vorteil schriftliche Zustimmung des Präsumtiverblassers, vor oder nach Vertragsschluss
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Abtretungsgegenstand
- Abtretungsgegenstand ist die Anwartschaft auf den Erbteil des abtretenden Präsumtiverben im dereinstigen Nachlass des Präsumtiverblassers.
- Ev. Abrede der künftigen Erben über die Zuweisung bestimmter Erbschaftsgegenstände
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Parteien
- Die veräussernde Partei ist Präsumtiverbe und die erwerbende Partei ist Präsumtiverbe oder Dritter.
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Vertragsinhalt
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Kausalgeschäft
- Das Erwerbsgeschäft ist kausal und erfordert daher ein:
- Verpflichtungsgeschäft und
- Verfügungsgeschäft
- Das Erwerbsgeschäft ist kausal und erfordert daher ein:
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Zustandekommen
- Bei gegenseitig übereinstimmender Willenserklärung der Parteien +
- Zustimmung des präsumtiven Erblassers.
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Form
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Allgemein
- Schriftform (einfache Schriftlichkeit)
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Grundstücke im künftigen Nachlass
- Die Schriftform ist auch ausreichend, wenn sich Grundstücke im künftigen Nachlass befinden
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Wirkungen
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Zustimmung des Präsumtiverblassers
- Suspensiv bedingter Anspruch (Bedingung = Zustimmung des Präsumtiverblassers)
- Die Zustimmung ist nicht widerruflich, bindet den Präsumtiverblasser aber auch nicht
- Der Präsumtiverblasser bleibt trotz Zustimmung frei, über sein Vermögen lebzeitig und von Todes wegen zu verfügen.
- Der Vertrag bleibt nur so lange wirksam, wie er mit der späteren Verfügung von Todes wegen des Präsumtiverblassers verfügbar ist.
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Nichtzustimmung oder fehlende Zustimmung des Präsumtiverblasser
- Unverbindlichkeit des Abtretungsvertrages (vgl. ZGB 636 Abs. 1 und OR 20 Abs. 1)
- Ev. Rückerstattungsanspruch auf den vollen Wert der Leistung und nicht nur auf die Bereicherung (vgl. ZGB 636 Abs. 2).
- Falls notwendig, ist mit einer Eigentumsklage vorzugehen (vgl. ZGB 641 Abs. 2).
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Literatur
- WOLF STEPHAN / HRUBESCH-MILLAUER STEPHANIE, Schweizerisches Erbrecht, 2. Auflage, Bern 2020, S. 562 ff.
- WOLF STEPHAN / GENNA GIAN SANDRO, SPR IV/2, S. 385 f., S. 389
- BSK-SCHAUFELBERGER / KELLER LÜSCHER, N 1 ff. zu Art. 636 ZGB
- BK-TUOR/PICENONI, N 3 ff. zu Art. 636 ZGB
Judikatur
- BGE 128 III 163 ff.
- BGE 98 II 281, Erw. 5, 5d., 5f und 5g
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