Begriff
Die atypische Kommanditgesellschaft (atypKMG) eine so kapitalbezogen ausgestaltete Kommanditgesellschaft (KMG), dass der Kommanditär diese beherrschen kann.
Gesetzliche Grundlage
Dispositives Recht
Die Bestimmung von OR 600 ist dispositiver Natur und lässt daher Abweichungen in Richtung kapitalbezogene Gesellschaft, namentlich durch Einflussnahme-Möglichkeiten des Kommanditärs, zu.
Ziele
Bei der AtypKMG übt der Kommanditär den massgebenden Einfluss aus und der Komplementär hat nur noch die Funktion des nach aussen auftretenden Geschäftsführers.
Motive
Es dürfte sich beim Kommanditär um einen Geldgeber handeln, der bei limitierter Haftung und im Verhältnis zu den Kapitalgesellschaften günstiger Besteuerung seinen entscheidenden Einfluss ausüben will; sollte der Geldgeber gar eine juristische Person sein, ist deren Gesellschafterteilnahme – wie nachfolgend darzulegen ist – durchaus möglich und zulässig.
Ausgestaltung
Die Beherrschungsveränderung in Richtung Kapitalgesellschaft bewirkt folgende Situationen bzw. Möglichkeiten:
- Gesellschafter
- Komplementär
- Keine Änderung möglich, nur handlungsfähige natürliche Personen
- Kommanditär
- als Kommanditäre dürfen auch juristische Personen (AG, GmbH) und Personenverbindungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit (KMG, KLG, Erbengemeinschaft) auftreten (im Gegensatz zur KLG)
- nicht selten dürfte der herrschende Gesellschafter diesen Spielraum notwendig haben, weil es sich um eine juristische Person handelt
- Komplementär
- Zweck
- Keine Bemerkungen
- Innenverhältnis
- Beitragsleistungen
- Kommanditär
- dürfte den Hauptbeitrag leisten
- Komplementär
- Wird wohl einen Sekundärbeitrag leisten, ev. gar nur die Vertretung nach aussen übernehmen (siehe Aussenverhältnis / Vertretung, unten)
- Kommanditär
- Treuepflicht
- Keine Bemerkungen
- Geschäftsführung
- Kommanditär
- mit herrschende Stellung
- Komplementär
- weitgehend weisungsgebundener Mitgesellschafter
- Kommanditär
- Anteil an Gewinn und Verlust
- In aller Regel wird dieser Aspekt im Gesellschaftsvertrag geregelt
- Das Mass von Anteil an Gewinn und Verlusttragung hängt dürfte von der Parteieinigung bzw. vom Umfang der Beiträge von Kommanditär und Komplementär abhängen
- Extremvariante, wo die atypische Gesellschaft mit der stillen Gesellschaft vergleichbar ist
- Gewinnbeteiligung
- Kommanditär
- Beinahe ganzer Gewinn
- Komplementär
- Entschädigung für Komplementärfunktion und externe Vertretung sowie Haftung
- Kommanditär
- Verlusttragung
- Kommanditär
- extern
- Haftung nur bis zur bekanntgegebenen Kommanditsumme (kundgegebene Haftungslimite)
- Intern
- Höhere Verlusttragung als bekanntgegeben
- extern
- Komplementär
- Normale Haftung
- Freistellungsvereinbarung mit Kommanditär
- Kommanditär
- Gewinnbeteiligung
- Einsichtsrecht des von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafters
- Keine Bemerkungen
- Gesellschaftsbeschlüsse
- Es gilt auch hier das Einstimmigkeitsprinzip, abweichende vertragliche Regelung vorbehalten
- Beitragsleistungen
- Aussenverhältnis
- Vertretung
- Kommanditär
- hat massgeblichen Einfluss
- Komplementäre
- wirken extern nur noch als Geschäftsführer
- Kommanditär
- Beschränkte Haftung
- Kommanditär
- Der beherrschende Kommanditär haftet trotz dieser Gesellschafts-Ausgestaltung maximal bis zum Betrag der bekanntgegebenen Kommanditsumme, und zwar subsidiär und persönlich mit ihrem ganzen Privatvermögen.
- Komplementär
- Der Komplementär haftet extern nach Gesetz.
- Kommanditär
- Vertretung
- Steuern
- Vorteile für den beherrschenden Kommanditär: keine Doppelbelastung, im Gegensatz zur Aktiengesellschaft (AG) und zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
Extrem-Ausgestaltung der atypischen Kommanditgesellschaft
Die Losung für eine extrem kapitalorientierte, aber haftungslimitierte Ausgestaltung lautet im Einzelnen:
- Kommanditär
- Herrschaft hoch
- Beiträge hoch
- Stimmrechte hoch
- Haftung klein
- Kommanditsumme niedrig
- Herrschaft hoch
- Komplementär
- Herrschaft
- extern: nach Gesetz
- intern
- Beiträge niedrig, ev. nur Geschäftsführungsfunktion, ev. Sacheinlage (ex Einzelfirma)
- Stimmrechte niedrig
- Haftung
- extern: nach Gesetz
- intern: Haftungsfreistellung durch den Kommanditär, im Gesellschaftsvertrag.
- Herrschaft
Numerus clausus der Gesellschaftsform / Wahrung der Gesellschaftsform der KMG
Ob und inwieweit die Typizität der Gesellschaftsform verletzt ist oder nicht, ist im individuell konkreten Einzelfall zu beurteilen.
Redaktion des Gesellschaftsvertrags der AtypKMG
Bei der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages ist darauf zu achten, dass kein zwingendes Recht verletzt wird.
Literatur
- RICHARD ULRICH, Atypische Kommandit-Gesellschaften, Diss. Zürich 1971
- KOLLER ARNOLD, Grundsatzfragen einer Typuslehre im Gesellschaftsrecht, Freiburg 1967