Einleitung
Je nach Formulierung der Konventionalstrafen-Abrede stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Konventionalstrafe und Schadenersatz aus Nichterfüllung bzw. nicht richtiger Erfüllung (vgl. OR 161). Anders ausgedrückt stellt sich die Frage:
- Ist die Konventionalstrafe auf den Schaden anzurechnen oder sind Strafe und Schadenersatz kumulativ geschuldet?
Das Ergebnis wird durch das Parteiverhalten bzw. eine allfällige Parteiabrede bestimmt:
- Anrechnungs-Vermutung
- Vereinbarung der Kumulierung von Strafe und Schadenersatz
Anrechnungs-Vermutung
Schaden höher oder niedriger als Konventionalstrafe?
Ist die vereinbarte Konventionalstrafe
- höher als der effektive Schaden
- schuldet der Pflichtige trotzdessen die ganze Konventionalstrafe
- niedriger als der effektive Schaden
- kann der Konventionalstrafen-Begünstigte den Mehrbetrag gestützt auf OR 161 Abs. 2 falls er das Verschulden des Schadenverursachers nachweist.
Anrechnungs-Grundsatz
OR 161 Abs. 2
- postuliert den Anrechnungs-Grundsatz
- lässt es zu, dass die Parteien die Anrechenbarkeit der Konventionalstrafe auf den Schadenersatzanspruch ausschliessen können
Verschuldens- oder Exkulpations-Nachweis
OR 161 Abs. 2
- beinhaltet eine Beweislastumkehr
- OR 161 Abs. Verschuldensnachweis durch Gläubiger
- OR 97 Abs. Exkulpationsnachweis durch Schuldner
- bildet dispositives Recht, weshalb die Parteien statt des Verschuldensnachweises des Gläubigers von OR 161 Abs. 2 den
- Exkulpationsnachweis des Schuldners, analog OR 97 Abs. 1, vereinbaren können!
Ausgestaltung der Konventionalstrafe-Klausel
Soll die Gläubigerstellung gestärkt werden und ist der Schuldner damit einverstanden, so sollte in der Konventionalstrafe-Klausel verabredet werden:
- Keine Anrechnung der Konventionalstrafe auf den Schadenersatzanspruch
- Nachweis durch den Schuldner, dass ihn kein Verschulden am Schaden treffe (= Exkulpationsnachweis des Schuldner / = Beweislastumkehr)
Der Gläubiger muss sich bewusst sein, dass durch diese beiden Besserstellung das Risiko einer richterlichen Herabsetzung der Konventionalstrafe (OR 163 Abs. 3) steigt.
Art. 161 OR
2. Verhältnis der Strafe zum Schaden
1 Die Konventionalstrafe ist verfallen, auch wenn dem Gläubiger kein Schaden erwachsen ist.
2 Übersteigt der erlittene Schaden den Betrag der Strafe, so kann der Gläubiger den Mehrbetrag nur so weit einfordern, als er ein Verschulden nachweist.
Art. 97 OR
A. Ausbleiben der Erfüllung
I. Ersatzpflicht des Schuldners
1. Im Allgemeinen
1 Kann die Erfüllung der Verbindlichkeit überhaupt nicht oder nicht gehörig bewirkt werden, so hat der Schuldner für den daraus entstehenden Schaden Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle.
2 Für die Vollstreckung gelten die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 11. April 18891 über Schuldbetreibung und Konkurs sowie der Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 20082 (ZPO).3
Vereinbarung der Kumulierung von Strafe + Schadenersatz
Die Vereinbarung einer Kumulation der Ansprüche auf Konventionalstrafe und auf Schadenersatz
- ist infolge des Grundsatzes der Vertragsfreiheit zulässig
- läuft auf eine Nichtanrechnung hinaus, wie sie im Absatz vorher erläutert wurde [Anrechnungs-Vermutung-Anrechnungs-Grundsatz]
- erhöht das Risiko auf eine richterliche Herabsetzung der Konventionalstrafe gemäss OR 163 Abs. 3.
Art. 163 OR
II. Höhe, Ungültigkeit und Herabsetzung der Strafe
1 Die Konventionalstrafe kann von den Parteien in beliebiger Höhe bestimmt werden.
2 Sie kann nicht gefordert werden, wenn sie ein widerrechtliches oder unsittliches Versprechen bekräftigen soll und, mangels anderer Abrede, wenn die Erfüllung durch einen vom Schuldner nicht zu vertretenden Umstand unmöglich geworden ist.
3 Übermässig hohe Konventionalstrafen hat der Richter nach seinem Ermessen herabzusetzen.