In BGE 132 III 460 vom 22. März 2006 traf das Bundesgericht einen Entscheid von erheblicher Tragweite betreffend Retrozessionen und Finder’s Fees (einmalige Entschädigung, welche der Vermögensverwalter von einer Bank für die Zuführung neuer Vermögenswerte bzw. neuer Kunden[gelder] erhält).
Auftragsrecht
Das Bundesgericht hielt fest, dass auf den Vermögensverwaltungsvertrag die auftragsrechtlichen Regeln Anwendung finden. Retrozessionen – und regelmässig auch Finder’s Fees, sofern der Beauftragte dem Auftraggeber im Rahmen des Vertrages geraten hat, die zur Verwaltung überlassenen Vermögenswerte bei einer bestimmten Bank zu deponieren – würden dem Beauftragten ausgerichtet, weil er im Rahmen des Auftrages bestimmte Verwaltungshandlungen vornimmt oder veranlasst; deshalb fielen sie im Zusammenhang mit der Vermögensverwaltung an und unterlägen der Herausgabepflicht nach Art. 400 Abs. 1 OR.
Verzicht auf Ablieferung
Allerdings führte das Bundesgericht weiter aus, dass die Gültigkeit einer Vereinbarung zu bejahen sei, wonach der Auftraggeber auf die Ablieferung bestimmter, auch künftig anfallender Werte verzichtet.
Voraussetzungen für die Gültigkeit der Vereinbarung sind jedoch:
- Vollständige und wahrheitsgetreue Information des Auftraggeber über zu erwartende Retrozessionen
- Wille, auf Ablieferung der Retrozessionen zu verzichten, geht aus der Vereinbarung klar hervor
Diese Anforderungen rechtfertigen sich gemäss Bundesgericht auch im Hinblick auf allfällige Interessenkonflikte.
Ein Verzicht auf Ablieferung der anfallenden Retrozessionen ergebe sich:
- weder aus Ortsüblichkeit
- noch aufgrund einer allfälligen Einwilligung durch Stillschweigen.
Ohne ausdrückliche und eindeutige Verzichtserklärung des Auftraggebers auf Rechenschaftslegung und Ablieferung müsse sich der Vermögensverwalter zumindest vergewissern, dass der Auftraggeber ihm die im Rahmen der Vermögensverwaltung anfallenden Einnahmen als zusätzliche Entschädigung für seine Tätigkeit überlassen wolle. Dabei muss der Auftraggeber Kenntnis haben von:
- der konkreten Vereinbarung mit den Banken über die Höhe dieser Einnahmen sowie
- der mutmasslichen Häufigkeit der entschädigungspflichtigen Transaktionen.
Konsequenzen
Wie unter Bisherige Geschäftspraxis ausgeführt leiten bzw. leiteten in der Vergangenheit rund zwei Drittel der Vermögensverwalter die Retrozessionen nicht an ihre Kunden weiter. Diese sehen sich in der nächsten Zeit möglicherweise mit Forderungen konfrontiert, welche in den vergangenen zehn Jahren als Erträge verbucht worden sind. Expertenschätzungen gehen von einer Schadenssumme in Milliardenhöhe aus.
Vermögensverwaltungsverträge müssen nun schleunigst den bundesgerichtlichen Anforderungen angepasst und neue Modelle geprüft werden. Darauf soll im Folgenden näher eingetreten werden.
In der Praxis hat die Rechtsprechung die Konsequenz, dass neuerdings verschiedene Anbieter die Retrozessionen ausnahmslos weiter vergüten. Damit setzen sie sich selbst eine Schranke; die Versuchung, Geschäfte nur wegen der anfallenden Retrozessionen zu tätigen, ist ausgeschaltet.