Die Entscheidfindung der Gerichte verläuft in zwei Schritten:
1. Sachverhaltsfeststellung
Das Gericht hat seinem Urteil grundsätzlich den von den Parteien vorgetragenen und bewiesenen Sachverhalt zugrunde zu legen (ausser das Gericht hat den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen bzw. zu erforschen). Unbestrittene Tatsachenbehauptungen gelten als anerkannt und müssen nicht bewiesen werden.
Der Richter würdigt die von den Parteien angebotenen Beweise frei und entscheidet, ob die behaupteten Tatsachen durch die angebotenen Beweismittel genügend bewiesen sind (Beweiswürdigung).
Gelangt das Gericht zur Überzeugung, für die Richtigkeit eine Tatsachenbehauptung liege kein (genügender) Beweis vor, gilt dieser Teil des Sachverhalts als nicht bewiesen. Das Gericht darf auf diese Tatsachenbehauptung deshalb nicht abstellen.
Ist das Gericht der Ansicht, für eine Tatsachenbehauptung liege ein genügender Beweis vor, gilt dieser Teil des Sachverhalts als bewiesen und hat es diesen Umstand seinem Entscheid zugrunde zu legen.
Die anerkannten oder bewiesenen Tatsachenbehauptungen bilden den Sachverhalt, auf den das Gericht seinen Entscheid zu stützen hat.
2. Rechtliche Würdigung
Das Gericht geht von den Rechtsbegehren der Parteien (insbes. des Klägers) und von den Behauptungen der Parteien aus und prüft, welche Rechtsvorschriften darauf anwendbar sind.
Stehen die anwendbaren Gesetzesbestimmungen fest, muss das Gericht prüfen, ob der von den Parteien vorgetragene und bewiesene Sachverhalt unter diese Bestimmungen subsumiert werden kann (rechtliche Würdigung des Sachverhaltes). Das Gericht prüft dabei, ob die in der anwendbaren Gesetzesbestimmung aufgestellten Voraussetzungen erfüllt und bewiesen sind.
Sind die Voraussetzungen erfüllt und bewiesen, fällt das Gericht einen gutheissenden Entscheid, ansonsten weist es die Klage ab.
Beispiele
- A klagt gegen B auf Bezahlung des Kaufpreises. Er behauptet, er habe B einen Gegenstand verkauft und übergeben. Als Beweis legt er einen schriftlichen Kaufvertrag und eine Empfangsquittung für die Ware vor.
Der Sachverhalt (Kaufvertrag, Lieferung der Ware) ist durch den schriftlichen Vertrag und die von B unterzeichnete Empfangsquittung bewiesen. Das Gericht wird die Klage gutheissen und B zur Zahlung verpflichten. - A klagt gegen B auf Rückzahlung eines Darlehens. Er hat B das Geld in bar gegeben und weder einen schriftlichen Vertrag noch eine Quittung für den übergebenen Betrag vorlegen. B bestreitet, jemals von A Geld erhalten zu haben. A hat auch keine Zeugen, welche den mündlichen Darlehensvertrag oder die Übergabe des Geldes bestätigen könnten.
Den Sachverhalt (Darlehensvertrag und Übergabe des Geldes) kann A nicht beweisen. Das Gericht darf deshalb B nicht zur Rückzahlung des Darlehens verpflichten und muss die Klage von A abweisen.