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Arbeitsrecht

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Coronavirus (COVID-19): Mitarbeiter-Ferien in Risikoland – Betrieblicher Gesundheitsschutz + Quarantäne-Abwesenheiten

Datum:
10.08.2020
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht
Stichworte:
Coronavirus (COVID-19), COVID-19
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Arbeitgeberfürsorge – Weisungsrecht vs. Persönlichkeitsschutz – Quarantäne – Arbeitgeber-Wegweisungsrecht – Lohn vs. Erwerbsersatzanspruch? – Kündigungsschutz?

Einleitung

Viele Mitarbeiter kehren in den nächsten zwei Wochen aus den Ferien zurück. Der eine oder andere war in einem ursprünglich oder nachträglich in der BAG-Risikoländer-Liste erfassten Land oder Gebiet in den Ferien.

Ferienrückkehrer aus Risikogebieten, aber auch ihre Arbeitgeber, sind mit verschiedensten Folgeproblemen konfrontiert. Nachfolgend soll – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – auf einzelne Aspekte und Fragestellungen eingegangen werden.

Agenda

Betrieblicher Gesundheitsschutz nach den neuen BAG-Einreise- / -Rückkehrbeschränkungen

Gesundheitsschutz

In den schwierigen Zeiten der Corona-Pandemie ist der Gesundheitsschutz der Belegschaft und jedes Einzelnen wichtig und ernst zu nehmen. Er ist regelmässig zu hinterfragen und – falls notwendig – anzupassen.

Vgl. auch Coronavirus (COVID-19) und arbeitsrechtliche Aspekte

Arbeitgeberfürsorge / Arbeitnehmertreue

OR 328 enthält die Pflicht des Arbeitgebers, zum Schutz von Leben und Gesundheit der Mitarbeiter Massnahmen zu treffen, die erfahrungsgemäss notwendig sind (Arbeitgeberfürsorge).

Zu beachten ist sodann das Arbeitsgesetz (ArG), welches in Artikel 6 die Arbeitnehmer verpflichtet, den Arbeitgeber bei der Umsetzung der Vorschriften zu unterstützen (Arbeitnehmertreue).

Als Wegweiser sind ggf. die (teils ehem.) Notrechtsverordnungen des Bundesrates, v.a. die COVID-19-Verordnung 2, zu berücksichtigen.

Vgl. auch

Anpassung des Schutzkonzepts? 

Ob und inwieweit der Arbeitgeber sein Schutzkonzept an die aktuelle Phase der „BAG-Risikoländer-Liste“ und der daraus resultierenden Einreisebeschränkungen anzupassen hat, ist im konkreten Einzelfall zu prüfen.

Weisungsrecht des Arbeitgebers

Weiterhin unklar bleibt, ob der Arbeitgeber sich beim Arbeitnehmer vor den Ferien oder nach seiner Rückkehr nach der/den Reisedestination(en) erkundigen darf, alles im Hinblick auf den Besuch von Risikoländern gemäss BAG-Liste.

Es stehen in einem Widerstreit:

  • Arbeitgeber- und Arbeitskollegen-Interessen
    • Betrieblicher Gesundheitsschutz
    • Mitsprache der Mitarbeiter
    • Gefährdung der betrieblichen Abläufe (Quarantäne aller oder mehrerer Mitarbeiter)
    • Existentielles, wirtschaftliches und finanzielles Arbeitgeberinteresse (zB bei Betriebsschliessungsfolge)
  • Mitarbeiter-Interessen
    • Diskriminierungsverbot
    • Persönlichkeitsschutz
    • Datenschutz

Die Gefahr der Ansteckung einer Mehrzahl von Personen und die mittlerweile bekannte, erhebliche Gesundheitsgefahr des Virus schaffen in einer sorgfältigen Interesseabwägung u.E. einen Vorrang der Arbeitgeber- / Arbeitskollegen-Interessen und begründen eine Informationspflicht des Mitarbeiters, seine Ferienaufenthaltsort bekannt zu geben. Im Einzelfall wird zu prüfen sein, ob es ausreicht, dass der zurückkehrende Mitarbeiter bestätigt, im Zeitpunkt der Rückkehr seien die bereisten Destinationen nicht auf der BAG-Risikoländerliste erwähnt gewesen.

Jedenfalls sollte eine Kommunikation mit den Ferienrückkehrern aufgebaut werden, die sicherstellt, dass der Arbeitgeber vorgängig erfährt, ob die Betreffenden zur Arbeit kommen dürfen oder in einer Quarantäne bleiben müssen.

Unter normalen Umständen ist es auch üblich, dass Arbeitgeber und Arbeitskollegen wissen dürfen, wohin man in die Ferien fährt bzw. wo man gewesen ist. Eine Verweigerung hinterlässt den Eindruck einer Verschweigung schwieriger persönlicher Beziehungslagen (Ferien des verheirateten Mitarbeiters mit einer der Ehefrau nicht bekannt sein sollenden Freundin), gar geschäftlich verpönter Handlungen oder sonst illegalen Verhaltens (zB Schwarzarbeit).

Vgl. auch

Quarantäne-bedingte Mitarbeiterabwesenheit

Quarantäne- und Meldepflichten des Arbeitnehmers

Die Quarantäne und Deklaration der Einreise aus einem auf der BAG-Liste der Risikoländer ist nicht ein Wunsch, sondern eine unter Strafe gestellte Pflicht.

Der Arbeitnehmer ist privat und im Arbeitsverhältnis zur Legalität verpflichtet. Quarantäne bedeutet, dass er auch nicht in den Betrieb arbeiten gehen darf; dies gebietet auch seine Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber und seinen Arbeitskollegen, die er sonst gefährdet und einem Erkrankungsrisiko aussetzt. Er hat – unaufgefordert – selbst- und drittverantwortlich zu handeln.

Wie bei allen Arbeitsabwesenheiten hat der Arbeitnehmer den Arbeitgeber auch über eine quarantäne-bedingte Absenz zu informieren.

Vgl. auch

Arbeitgeber-Weisung an einen Mitarbeiter, sich pflichtgemäss in Quarantäne zu begeben

Erfährt der Arbeitgeber, dass ein Mitarbeiter in Missachtung seiner Quarantänepflicht im Betrieb arbeitet, hat er ihn sofort nach Hause zu schicken bzw. aufzufordern, sich in Quarantäne zu begeben. Der Arbeitgeber muss handeln, im Interesse des Gesundheitsschutzes aller anderen Mitarbeiter. Handelt er nicht, wird auch der Betriebsfrieden gefährdet sein, weil dann einzelne Arbeitskollegen tätig werden und den „Quarantäne-Kollegen“ verzeigen.

Der Arbeitgeber wird je nach Präsenzdauer und Kontakten des „Quarantäne-Mitarbeiters“ überlegen müssen, welche weiteren Massnahmen zu ergreifen sind.

Ob der Arbeitgeber den Mitarbeiter bei der zuständigen Behörde verzeigen soll, hängt vom konkreten Einzelfall und der Renitenz des Mitarbeiters (fortbestehendes Risiko, Dritte „epidemisch“ zu gefährden) ab. Ist der Arbeitnehmer der Wegweisung nachgekommen, dürfte diese Frage eher ethisch-emotionaler denn arbeitsrechtlicher Natur sein.

Vgl. auch Betriebsfrieden

Negativer oder Positiver Corona-Test

Für sich und im Interesse der Personen, mit denen er vor- oder nachher Kontakt hatte, wird jede zur Quarantäne verpflichtete Person – soweit möglich – einen Corona-Test machen lassen; dieser Test ist auch für die Arbeitsverhinderung und für die allf. Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers entscheidend:

Ist der Arbeitnehmer bewusst in ein Corona-Infektions-Risikogebiet in die Ferien gefahren bzw. geflogen und am Coronavirus erkrankt, ist er selbst verschuldet arbeitsverhindert und kann nicht die Lohnfortzahlung beanspruchen:

Es bleibt immer noch das Nachweisrisiko und die Kausalitätsfrage, wo sich der arbeitsverhinderte Arbeitnehmer angesteckt hat.

Zur Frage eines allf. Erwerbsersatzanspruchs vide

Heikle Arbeitgebererklärungen und Lohnfortzahlungspflicht 

U.E. muss der Arbeitgeber nur zur Kenntnis nehmen, dass sein Mitarbeiter wegen Quarantäne zu Hause bleibt und daher nicht zur Arbeit erscheint. Mehr oder anderes muss er nicht.

Trotzdessen dürften aufgrund eines Mitarbeitervorschlags oder aus eigenem Antrieb für die Quarantäne-Absenz sicherlich Verwendungs-Gedanken angestellt werden. Solche Entscheide bergen finanzielle und Konflikt-Risiken in sich:

  • Ferienbezug
    • Lohnfortzahlungspflicht
    • Der Mitarbeiter könnte später geltend machen, dass er in Quarantäne nicht den für Ferien vorgesehen Erholungsnutzen erzielte
    • Folgen für den Arbeitgeber:
      • (ev. unnötige) Lohnzahlung und kein Abbau des Ferienguthabens des „Quarantäne-Mitarbeiters“
  • Überzeit-Kompensation
    • Lohnfortzahlungspflicht
    • Der Mitarbeiter könnte, wenn die Grundsatzabrede zur Kompensation erst nach der Quarantäne-Mitteilung vereinbart wurde, vorbringen, er sei vom Arbeitgeber übervorteilt worden; Meinungsänderung des Arbeitnehmers, wenn er erfährt, dass der Corona-Test ein positives Ergebnis zeitigte
    • Folgen für den Arbeitgeber:
      • (ev. unnötige) Lohnzahlung und Fortbestand des Überzeitanspruchs
  • Unbezahlter Urlaub
    • Keine Lohnzahlungspflicht / Klärung Versicherungsschutz (ev. problematisch wegen Quarantäne-/Coronatest-Situation)
    • Mitarbeiter könnte später geltend machen, hätte er gewusst, dass er negativ getestet werde, hätte er keinen unbezahlten Urlaub genommen bzw. er sei vom Arbeitgeber dazu gedrängt worden
    • Ev. Einflussfaktor, dass die Feriendestination erst während der Ferien auf die BAG-Liste der Risikoländer genommen wurde
    • Mögliche Folgen für den Arbeitgeber:
      • Lohnzahlung ohne Arbeit
  • Kurzarbeit
    • U.E. unerlaubtes Vorhaben, da die Motivation zur Kurzarbeits-Anmeldung nicht aus Arbeitgebergründen (Beschäftigungsmangel), sondern Arbeitnehmergründen (Quarantäne) ausgelöst würde.
    • Es ist davon auszugehen, dass die kantonalen Behörden ihr Informationen vernetzen (Kurzarbeitsmeldungen + Einreisemeldungen)
    • Mögliche Folgen für den Arbeitgeber:
      • Sanktionen und Pflicht zur Rückzahlung unberechtigt bezogener Kurzarbeitsentschädigung

Der Arbeitgeber, welcher sich – im Voraus – auf die Festlegung der arbeitsrechtlichen Umsetzung der Quarantäne einlässt, übernimmt – ohne zu wissen, ob sein Mitarbeiter krank oder nicht krank in Quarantäne sitzt – das Risiko einer Lohnfortzahlungspflicht und unterbricht durch sein Erklärungsverhalten die Kausalität zum Quarantäne-Einsitz.

Arbeitsstreitigkeiten entstehen in der Regel erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses; es wird alles, was zuvor falsch gelaufen sein soll, von beiden Seiten aufgerollt; diese dürfte bei Entscheidungen über die arbeitsrechtliche Einstufung oder Nutzung der Quarantäne-Zeit nicht anders sein.

Es ist anzunehmen, dass Quarantäne-Situationen die Gerichte noch lange beschäftigen werden.

Für Einzelheiten, auch in Bezug auf allfällige Erwerbsersatzansprüche, sei verwiesen auf:

Home Office-Arbeit als Quarantäne-Überbrückungsmittel 

Wo das Vertrauen in die Erbringung der Arbeitsleistung durch Mitarbeiter besteht, der Arbeitgeber über home-office-fähige Arbeit verfügt und der Arbeitnehmer eine Home Office-Arbeit erledigen kann, wird der Arbeitgeber dem Mitarbeiter in Quarantäne entgegenkommen und erlauben, – anstatt im Betrieb – zu Hause zu arbeiten (sog. Home-Office-Arbeit).

Auch wenn in diesem Moment das Arbeitgeber-Entgegenkommen begrüsst wird, ist zu empfehlen, vorgängig die BYOD-Frage (Bring Your Own Device) zu klären bzw. zu bestimmen, wer die Home-Office-Kosten trägt.

Vgl. auch

Kündigungsschutz?

Für den in Quarantäne befindlichen Mitarbeiter besteht u.E. nur ein Kündigungsschutz, wenn er negativ getestet wird, also wenn er krank ist.

Weil dies erst im Verlaufe der Quarantäne bzw. nach einem Corona-Test bekannt wird, ist den Arbeitgebern zu empfehlen, mit Kündigungsentscheiden, v.a. mit fristlosen Entlassungen, zurückhaltend umzugehen.

Fazit

Vor den Ferien:

Wie bereits früher erwähnt, ist Transparenz und Kommunikation gefordert, unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse und zum Gesundheitsschutz der ganzen Belegschaft. Eine Fragepflicht und ein Auskunftsrecht des Arbeitgebers zum Ferienziel des Arbeitnehmers ist angesichts der aktuellen Situation zu befürworten.

Nach den Ferien, ohne Quarantäne:

Es sind weiterhin Respekt, Abstand und Hygiene zu beachten.

Nach den Ferien, mit Quarantäne:

Arbeitgeber sollten keine Zeitverwendungsäusserungen machen.

Arbeitnehmer dürften baldmöglichst durch einen „Corona-Test“ klären lassen, ob sie negativ (krank) oder positiv (gesund) sind; entsprechend unterschiedlich sind ihre wirtschaftlichen Folgen (Lohnfortzahlungsanspruch oder – falls unverschuldet in einem Risikoland – Erwerbsersatzanspruch etc.); eine definitive Beurteilung kann nur im konkreten Einzelfall stattfinden.

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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